Kommentar
15:30 Uhr, 16.02.2009

Wenn der Kalender Asset-Manager spielt

Die Börsen spielen nicht erst seit den Kapriolen der VW-Aktie im vergangenen Oktober verrückt, sondern zeigten sich auch schon zu Beginn des neuen Jahres nach einer fulminanten Jahresend-/anfangs-Rallye und einem anschließenden sehr heftigen Kurssturz wieder von ihrer volatilen Seite. Kein Wunder, dass man sich in einer solchen Situation, in der Privatinvestoren ebenso wie „Experten“ kaum die Entwicklung der nächsten Woche ernsthaft vorhersagen können und die meisten hochgelobten Strategien reihenweise versagen, geradezu nach Beständigkeit in Form von Ansätzen sehnt, die den Anleger langfristig auch wirklich Nutzen bringen. Dies hat auch die Barclays Bank erkannt und deshalb bei ihrer seit etwa einer Woche gehandelten DAX Plus Anleihe eine alte Gesetzmäßigkeit vieler Aktienmärkte aufgegriffen und neu interpretiert.

Das bis Februar 2029 laufende Papier lehnt sich dabei an den schon in mehreren wissenschaftlichen Abhandlungen - darunter auch denen von Norman G. Fosback – für zahlreiche Einzelmärkte beschriebenen Zusammenhang zwischen monatlichem Kalendertag und Renditehöhe an. Hier zeigten sich beispielsweise über lange Zeiträume, die z.B. für den Dow Jones sogar bis ins Jahr 1897 zurückreichen, signifikant überdurchschnittliche Performancezuwächse gerade an den Handelstagen um den Monatswechsel herum. Nicht verlegen um entsprechende Erklärungsansätze begründet man diesen regelmäßigen „Datums-Zyklus“ mit dem typischen Anlageverhalten institutioneller Investoren, die z.B. ihre Portfolios zum Monatsultimo neu ausrichten bzw. Investmentfonds, die zum Monatsbeginn Geldzuflüsse aus Sparplänen und Gehaltsbezügen erhalten. Nach den ersten vier Tagen eines Monats ebbt diese positive Entwicklung wieder ab und springt erst kurz vor dem nächsten Monatsultimo wieder an.

Die Zertifikate-Industrie ist auf diese „Gesetzmäßigkeit“ bereits vor ein paar Jahren in Form der Royal Bank of Scotland (früher ABN) mit ihren fünf Alpha-Zertifikaten für Deutschland, Europa, Japan, UK und USA bzw. der Landesbank Berlin im Rahmen ihrer „Ultimo“-Produktreihe auf den Euro STOXX 50 „draufgesprungen“ und konnte damit wenigstens zum Teil einen Absturz wie er sich zuletzt an den weltweiten Aktienmärkten vollzog, weitgehend verhindern. Besonders widerstandsfähig zeigte sich dabei das RBS-Papier auf den DAX (ABN2GB), dass selbst im vergangenen „Horrorjahr“ lange Zeit sogar deutlich im Plus notierte bevor die Herbst-Crashs nicht nach dem Kalendertag fragten und auch hier die Rendite etwas nach unten drückten.

Auch das neue Barcays-Produkt bezieht sich auf den für diese Strategie besonders prädestinierten DAX als Basiswert. Allerdings hat sich der Emittent hier etwas Besonderes überlegt und der Monatsendtheorie noch eine entsprechende Short-Position als ausgleichendes Element vorgeschaltet. So geht das Zertifikat bei dieser Variante vom zehnten Tag vor jedem Monatsende sechs Handelstage lang im Index „short“ und positioniert sich anschließend nach einem Tag Investment-Pause wiederum sechs Handelssitzungen lang „long“. Diese Periode endet damit immer drei Tage nach Beginn des neuen Monats. Während der übrigen „freien“ Zeit wird das Kapital am Geldmarkt „geparkt“. Was auf dem ersten Blick etwas kurios anmutet, hat sich aber laut Rückrechnungen seit Januar 1999 als besonders vorteilhaft erwiesen, da die in kurzem Abstand vorgezogene Short-Position besonders in eher negativen und „gemischten“ Jahren einen wertvollen Beitrag zur Gesamtperformance liefern konnte. So lag diese beispielsweise 2003 bei 68,07 Prozent oder im vergangenen Jahr bei rund 30 Prozent. Nur in den starken Hausse-Jahren 2005 und 2006 lieferte die Short-Komponente einen negativen Beitrag auf Jahressicht, was in solchen Jahren möglicherweise einen Switch in das angesprochene Alpha-Zertikat der RBS nahelegen könnte. Aktive Anleger könnten die Strategie natürlich auch selbst z.B. über entsprechende kostengünstige ETFs umsetzen und dabei evtl. noch einen individuellen Faktor mit einbringen. Allerdings verlangt das eine erhebliche Menge an Mehraufwand.

Der BörseGo Tipp:
Das Zertifikat mit optimierender Short-Position stellt sich gerade in für den Aktienmarkt eher negativen Jahren als eine interessante Beimischung dar, konnte aber auch in der Gesamtbetrachtung mit einer p.a.-Rendite seit 1999 von 20,74 Prozent - freilich „nur“ in der Rückrechnung - überzeugen.

DAX Plus Anleihe
Emittent/WKN: Barclays / BC0E35
Laufzeit: 08.02.2029
Preis: (16.02.2009) Geld / Brief: 1040,18 € / 1050,63 €

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/investmentcertificates/overview

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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