Fundamentale Nachricht
16:17 Uhr, 25.11.2020

Wem gehören die Notenbanken wirklich?

Es gibt noch immer Notenbanken, die sich in Privatbesitz befinden - sogar in Europa. Warum auch die Europäische Zentralbank (EZB) nicht vollständig in staatlichem Besitz ist, erfahren Sie in diesem Artikel.

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Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Notenbanken in der Regel nicht in staatlichem, sondern in privatem Besitz. Insbesondere nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden allerdings viele Notenbanken vollständig verstaatlicht, etwa die Bank of England im Jahr 1946.

Heute ist es die Regel, dass sich die Notenbanken ganz in staatlichem Besitz befinden. Es gibt allerdings einige Ausnahmen, sogar in Europa: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) etwa ist privatrechtlich als Aktiengesellschaft organisiert. Rund 55 Prozent der Aktien befinden sich im Besitz der öffentlichen Hand, wobei insbesondere die Schweizer Kantone sowie die Kantonalbanken Aktien der SNB halten. Die übrigen Aktien befinden sich größtenteils im Besitz von Privatpersonen. Die Aktien der SNB werden öffentlich an der Schweizer Börse gehandelt (ISIN: CH0001319265).

Bekannt vor allem bei Anhängern von Verschwörungstheorien ist die US-Notenbank. Auch wenn das Federal Reserve System auf seiner Webseite betont, dass die Fed "niemandem" gehört, so ist es doch wahr, dass die Fed sowohl staatliche als auch privatwirtschaftliche Züge aufweist, wie auch die regionale Notenbank von St. Louis einräumt: Während die Fed durch ein vom Kongress beschlossenes Gesetz gegründet wurde und der Verwaltungsrat (Board of Governors) als "unabhängige Institution innerhalb der Regierung" bezeichnet wird, befinden sich die 12 einzelnen regionalen Notenbanken in privatem Besitz der Geschäftsbanken.

Dabei haben die privaten Banken sogar einen gewissen Einfluss auf die Geldpolitik der US-Notenbank: Der Fed-Vorsitzende wird zwar vom US-Präsidenten nominiert und vom Kongress bestätigt. Allerdings werden die Notenbankgouverneure der regionalen Notenbanken, die ebenfalls im für die Geldpolitik entscheidenden Offenmarktausschuss sitzen, von den Mitgliedsbanken bestimmt. Alle auf US-Bundesebene zugelassenen und regulierten Banken sind automatisch auch Teil des Fed-Systems und müssen Aktien der jeweiligen regionalen Notenbank besitzen. Auf Ebene der Bundesstaaten zugelassene Banken können freiwillig zu Mitgliedsbanken der Fed werden.

Nur auf den ersten Blick vollständig in staatlichem Besitz ist die Europäische Zentralbank (EZB), die den nationalen Notenbanken der EU nach einem festgelegten Kapitalschlüssel (der dem Anteil des jeweiligen Landes an der Gesamtbevölkerung und dem Bruttoinlandsprodukt der EU entspricht) gehört. Die allermeisten dieser nationalen Notenbanken (z.B. die Bundesbank) gehören zwar vollständig dem jeweiligen Staat, aber es gibt drei Ausnahmen: Die italienische Zentralbank gehört nicht dem Staat, sondern den Geschäftsbanken und Versicherungsgesellschaften des Landes. Die Notenbank in Griechenland (Bank of Greece, nicht zu verwechseln mit der National Bank of Greece, die trotz des Namens eine "normale" Geschäftsbank ist) gehört zu 100 Prozent privaten Aktionären, während die Belgische Nationalbank zur Hälfte dem Staat und zur Hälfte privaten Aktionären gehört.

Es gibt also zwei an der EZB beteiligte nationale Notenbanken (Griechenland, Italien) die sich vollständig in privatem Besitz befinden und eine (Belgien) die sich je zur Hälfte in privatem und staatlichem Besitz befindet. Die Aktien der Belgischen Nationalbank (ISIN: BE0003008019) und der Bank of Greece (ISIN: GRS004013009) sind sogar börsennotiert.

Allerdings: Auch wenn Notenbanken private Aktionäre haben, so unterscheiden sich die Notenbanken doch von "normalen" Aktiengesellschaften. Die Aufgaben der Notenbanken werden in der Regel per Gesetz festgelegt und richten sich nach dem Gemeinwohl, nicht nach den Gewinninteressen der privaten Aktionäre - selbst wenn diese die einzigen Anteilseigner sind. Anders als bei "normalen" Unternehmen wird auch die Zusammensetzung der Leitungsorgane meist politisch bestimmt und nicht von den Anteilseignern. Auch fließt in der Regel ein erheblicher Teil des Gewinns der Notenbanken in den Staatshaushalt und nicht an die Aktionäre, sofern überhaupt Gewinne ausgeschüttet werden. Die Regeln sind meist in einem eigenen Gesetz festgehalten, das nur die Notenbank betrifft.

Die folgende Tabelle zeigt alle Notenbanken weltweit, die sich (teilweise oder vollständig) in Privatbesitz befinden (Quelle: Private Shareholding and Public Interest: An Analysis of an Eclectic Group of Central Banks):

Land Notenbank Wem gehört die Notenbank? börsennotiert?
USA Federal Reserve regionale Notenbanken: zu 100 % im Besitz privater Banken
Board of Governors: staatlich
nein
Eurozone Europäische Zentralbank (EZB) 100 % nationale Notenbanken, davon 24 rein staatlich (z.B. Bundesbank), zwei rein privat (Banca d'Italia und Bank of Greece) und eine gemischt (Banque Nationale de Belgique) nein
Deutschland Bundesbank 100 % Bund nein
Italien Banca d'Italia 100 % Banken, Versicherungen, Stiftungen und Pensionsfonds nein
Griechenland Bank of Greece 100 % private Aktionäre ja: GRS004013009 
Belgien Banque Nationale de Belgique 50 % Staat, 50 % private Aktionäre ja: BE0003008019 
Schweiz Schweizer Nationalbank rund 55 % Kantone und Kantonalbanken, rund 45 % Privatbesitz ja: CH0001319265 
Japan Bank of Japan 55 % Staat, 45 % Privatbesitz ja: JP3699200006 (nicht handelbar in Deutschland)
Südafrika South African Reserve Bank zu 100 % im Privatbesitz nein, aber OTC-Handel
Türkei Central Bank of the Republic of Turkey Staat (mind. 51 %), Rest: türkische Banken, Unternehmen und Privatpersonen nein

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6 Kommentare

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  • Ichoban
    Ichoban

    Hey Nase,

    wie gehts? Immer noch überzeugt?

    15:02 Uhr, 26.11.2020
  • DiNase
    DiNase

    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss. 😎

    09:16 Uhr, 26.11.2020
  • DiNase
    DiNase

    Artikel 28

    Kapital der EZB

    28.2.Die nationalen Zentralbanken sind alleinige Zeichner und Inhaber des Kapitals der EZB. Die Zeichnung des Kapitals erfolgt nach dem gemäß Artikel 29 fest-gelegten Schlüssel.

    https://www.ecb.europa.eu/pub/...

    ...

    Gesetz über die Deutsche Bundesbank

    § 12 Verhältnis der Bank zur Bundesregierung

    Die Deutsche Bundesbank ist bei der Ausübung der Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen, von Weisungen der Bundesregierung unabhängig. Soweit dies unter Wahrung ihrer Aufgabe als Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken möglich ist, unterstützt sie die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.

    http://www.gesetze-im-internet...

    ...

    § 2 Rechtsform, Grundkapital und Sitz
    Die Deutsche Bundesbank ist eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts.

    https://www.bundesbank.de/reso...

    ...

    Eine juristische Person des öffentlichen Rechts bezeichnet eine rechtlich selbstständige Personenvereinigung bzw. ein Zweckvermögen mit rechtlicher Selbstständigkeit.

    09:08 Uhr, 26.11.2020
  • DiNase
    DiNase

    Artikel 23

    Geschäfte mit dritten Ländern und internationalen Organisationen

    Die EZB und die nationalen Zentralbanken sind befugt,

    mit Zentralbanken und Finanzinstituten in dritten Ländern und, soweit zweckdienlich, mit internationalen Organisationen Beziehungen aufzunehmen;

    alle Arten von Devisen und Edelmetalle per Kasse und per Termin zu kaufen und zu verkaufen; der Begriff ,,Devisen“ schließt Wertpapiere und alle sonstigen Vermögenswerte, die auf beliebige Währungen oder Rechnungseinheiten lauten, unabhängig von deren Ausgestaltung ein;

    –die in diesem Artikel bezeichneten Vermögenswerte zu halten und zu verwalten;

    alle Arten von Bankgeschäften, einschließlich der Aufnahme und Gewährung von Krediten, im Verkehr mit dritten Ländern sowie internationalen Organisationen zu tätigen.

    ...

    Artikel 24

    Sonstige Geschäfte

    Die EZB und die nationalen Zentralbanken sind befugt, außer den mit ihren Aufgaben verbundenen Geschäften auch Geschäfte für ihren eigenen Betrieb und für ihre Bediensteten zu tätigen.

    ...

    https://www.ecb.europa.eu/pub/...

    08:26 Uhr, 26.11.2020
  • DiNase
    DiNase

    Die EZB ist "unabhängig". Somit in keiner Weise staatlich. Somit privat. Punkt.

    Der institutionelle Rahmen für die einheitliche Geldpolitik schützt die EZB gegen jegliche Arten von politischer Einflussnahme.

    ... die EZB (darf) keine Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Gleichzeitig dürfen die Regierungen der Mitgliedstaaten und Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union keinen Einfluss auf die Beschlussorgane der EZB ausüben.

    Die Satzung schützt die persönliche Unabhängigkeit der Mitglieder des EZB-Direktoriums. Sie (...) dürfen nur aus schwerwiegenden Gründen ihres Amtes enthoben werden.

    Durch die Satzung wurden der EZB alle Zuständigkeiten übertragen, die zur Erreichung ihres vorrangigen Ziels der Preisstabilität notwendig sind.

    Die EZB und die nationalen Zentralbanken verfügen über einen eigenen Haushalt und eigene Einnahmen. Die Satzung erlaubt es der EZB, ihre interne Organisation so zu gestalten, wie sie es für angemessen hält.+

    Schließlich besitzt die EZB eine eigene Rechtspersönlichkeit. (...), um ihre Unabhängigkeit durchzusetzen.

    Quelle: EZB.

    https://www.ecb.europa.eu/expl...

    ...

    KAPITEL III

    ORGANISATION DES ESZB

    Artikel 7 Unabhängigkeit

    Nach Artikel 108 dieses Vertrags darf bei der Wahrnehmung der ihnen durch diesen Vertrag und diese Satzung übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der EZB oder der nationalen Zentralbanken bei derWahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen

    https://www.ecb.europa.eu/pub/...

    ...

    Frage: Was ist der Unterschied zwischen Schein und Wirklichkeit?

    08:15 Uhr, 26.11.2020
  • DiNase
    DiNase

    Janet Yellen >> the IT << ist nicht FED-Vorsitzende.

    The 16th Chair of the Federal Reserve, serving in that office since February 2018 is Jerome Hayden "Jay" Powell.

    07:49 Uhr, 26.11.2020

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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