Wegen Trumps Zöllen: Stehen Reedereien vor dem Aus?
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Der Handelskrieg zwischen den USA und China ist in den vergangenen Wochen immer weiter eskaliert. Die US-Regierung unter Donald Trump hat nahezu alle chinesischen Importe mit Strafzöllen von 145 % belegt. Peking reagierte mit Gegenzöllen von 125 % auf amerikanische Waren. Der gegenseitige Warenverkehr ist damit faktisch zum Erliegen gekommen. Den Überblick hat hier eh keiner mehr – wahrscheinlich nicht mal Trump selbst, der die ganze Nummer angezettelt hat.
Für große Reedereien wie COSCO, Maersk oder Hapag-Lloyd ist diese Entwicklung eine Katastrophe. Ihr Geschäft lebt vom freien Handel, besonders zwischen Asien und Nordamerika. Abschottung, Zölle und fragmentierte Lieferketten bedrohen die Grundlagen ihres Geschäftsmodells.
In diesem Artikel schauen wir uns an, wie diese Konzerne ihr Geld verdienen, welche Rolle Frachtraten und Freight Futures dabei spielen – und warum der neue Protektionismus ihr gesamtes Geschäftsmodell ins Wanken bringt.
Geschäftsmodell der Reedereien
Das Geschäftsmodell großer Reedereien wie zum Beispiel A.P. Moller Maersk basiert im Kern auf dem weltweiten Transport von Waren über Seewege. Dabei ist das Geschäft stark von der globalen Handelsaktivität abhängig – und damit direkt verwundbar gegenüber politischen Eingriffen wie Zöllen und Handelskriegen.
Maersk gliedert sein Geschäft in verschiedene Segmente:
- Ocean: Der Transport von Containern über die Weltmeere ist das Hauptgeschäft und die wichtigste Umsatzquelle. Verträge mit Großkunden und Spotpreise auf dem freien Markt bestimmen maßgeblich die Einnahmen.
- Logistics and Services: Hier bietet Maersk Dienstleistungen entlang der gesamten Lieferkette an, darunter Lagerhaltung, Supply-Chain-Management und Zollabwicklung. Ziel ist es, sich vom zyklischen Reedereigeschäft unabhängiger zu machen.
- Terminals: Der Betrieb eigener Containerterminals verschafft Maersk eine bessere Kontrolle über die Abfertigung und zusätzliche Einnahmequellen.
- Unallocated: Konzernfunktionen wie Management, IT und Finanzierungen, die keinem operativen Segment direkt zugeordnet sind.
Der mit Abstand größte Teil des Umsatzes stammt logischerweise aus dem Ocean-Segment. Das bedeutet: Maersk ist als Reederei stark von den Schwankungen der globalen Frachtraten abhängig.
Die Bedeutung von Futures und Frachtraten
Frachtraten, also die Preise für den Transport von Containern, unterliegen erheblichen Schwankungen. Um sich gegen diese Volatilität abzusichern, nutzen Reedereien sogenannte Freight Futures. Diese ermöglichen es, heutige Preise für zukünftige Transportleistungen festzuschreiben.
Gehandelt werden diese Kontrakte beispielsweise an der CME Group oder über die Baltic Exchange. Für Privatanleger sind diese Märkte faktisch nicht zugänglich. Die Hürden sind hoch: Erforderlich sind hohe Sicherheitsleistungen (Margins), ein tiefes Verständnis der Marktmechanismen und der Zugang zu spezialisierten Handelsplattformen. De facto bleiben Freight Futures damit institutionellen Investoren und professionellen Marktteilnehmern vorbehalten.
Für Reedereien wie Maersk sind Freight Futures jedoch von großer strategischer Bedeutung. Sie können so Kapazitäten im Voraus an der Börse verkaufen und sich Preise sichern, selbst wenn die tatsächliche Nachfrage später einbricht. Das reduziert das unternehmerische Risiko erheblich.
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Die enge Verbindung zwischen den Freight Futures und den Aktienkursen der Reedereien ist auffällig. Steigen die Futures-Preise, profitieren auch die Aktien deutlich. Fallen die Freight Rates, geraten die Aktien der Reedereien unter Druck. Diese hohe Korrelation macht deutlich, wie sehr die Geschäftsperspektiven der Branche am freien Welthandel und stabilen Frachtraten hängen.
Zahlen & Fakten
Zur besseren Vergleichbarkeit werden alle Währungen in USD umgerechnet, da es sonst unübersichtlich und nicht vergleichbar ist.
COSCO | MAERSK | HLAG | |
---|---|---|---|
Börsenwert [Mrd. USD] | 30,02 | 26,17 | 27,76 |
Mitarbeiter | 32.410 | 108.160 | 16.910 |
Hauptsitz | Shanghai | Kopenhagen | Hamburg |
Umsatzentwicklung
Die Umsatzentwicklung von Maersk, COSCO und Hapag-Lloyd zeigt ein ausgeprägtes zyklisches Muster: Alle drei Reedereien erreichten im Jahr 2022 ihren jeweiligen Höchststand, bevor sich die Erlöse ab 2023 wieder deutlich normalisierten. Maersk verzeichnete über mehrere Jahre hinweg den höchsten Umsatz, COSCO folgte mit teils dynamischen Zuwächsen, während Hapag-Lloyd im Vergleich auf einem niedrigeren, aber stabilen Niveau lag. Für alle drei Unternehmen wird bis 2028 nur noch moderates Wachstum erwartet, ohne Rückkehr zu den Ausnahmewerten von 2022.
Deutlich stärker fällt dagegen der Vergleich der Nettomargen aus: COSCO erreichte im Geschäftsjahr 2024 mit 23,4 % die höchste Marge unter den drei Unternehmen. Hapag-Lloyd lag mit 12,6 % deutlich darunter, während Maersk mit 11,2 % den niedrigsten Wert unter den großen Anbietern verzeichnete.
Solvenzkennzahlen
COSCO | MAERSK | HLAG | |
---|---|---|---|
Gesamtkapital | 68,15 | 87,95 | 34,82 |
Eigenkapital | 39,05 | 57,95 | 21,46 |
Gesamtverschuldung | 10,44 | 16,48 | 6,84 |
Liquide Mittel | 25,37 | 24,05 | 5,68 |
Die Solvenzkennzahlen der drei Reedereien offenbaren deutliche Unterschiede in der finanziellen Robustheit. Maersk weist das stärkste Eigenkapitalniveau auf, was dem Unternehmen eine solide Basis und hohe Krisenresistenz verleiht. Auch die liquiden Mittel sind mit Blick auf die Unternehmensgröße komfortabel. COSCO steht ähnlich stabil da: Eigenkapital und Liquidität sind hoch, die Verschuldung bleibt im Rahmen. Damit besitzt der Konzern ausreichend Spielraum, um auf Marktrisiken flexibel zu reagieren.
Bei Hapag-Lloyd hingegen sieht es etwas kritischer aus. Zwar ist die absolute Verschuldung vergleichsweise gering, doch gleichzeitig sind die liquiden Mittel auffällig niedrig. Diese enge Liquiditätslage kann in einem volatilen Marktumfeld schnell zu einem Risikofaktor werden – etwa bei plötzlichen Kostensteigerungen, Investitionsbedarf oder Zahlungsausfällen entlang der Lieferkette. Zwar ist auch bei HLAG eine solide Eigenkapitalbasis vorhanden, im Vergleich zu Maersk und COSCO ist der finanzielle Spielraum aber deutlich begrenzter.
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Bewertungskennzahlen
COSCO | MAERSK | HLAG | |
---|---|---|---|
KGV | 3,32 | 4,29 | 10,77 |
KUV | 0,70 | 0,47 | 1,35 |
KBV | 0,14 | 0,46 | 1,30 |
Die deutlich höhere Bewertung von Hapag-Lloyd im Vergleich zu Maersk und COSCO wirkt auf den ersten Blick nicht gerechtfertigt – insbesondere angesichts schwächerer Bilanzkennzahlen. Ein KGV von über 10, ein hohes KBV und sehr geringe liquide Mittel deuten auf eine mögliche Überbewertung hin. Die Ursachen liegen weniger in der Substanz als in strukturellen Besonderheiten:
- Extrem geringer Streubesitz: Nur rund 3,6 % der Aktien sind frei handelbar. Der Rest liegt bei wenigen Großaktionären wie Kühne, CSAV oder Staatsfonds. Dadurch ist die Aktie schwer handelbar und der Kurs kaum durch den Markt reguliert.
- Kurspflege durch Ankerinvestoren: Das starke Engagement finanzkräftiger Anteilseigner sorgt für Stabilität – schafft aber auch ein künstliches Vertrauen, das für Privatinvestoren attraktiv wirken kann.
- Starke operative Marktposition: Durch strategische Partnerschaften (z. B. Gemini Cooperation mit Maersk) ist Hapag-Lloyd operativ gut aufgestellt und logistisch effizient.
Trotz dieser Stärken bleibt die Bewertung ambitioniert. Die Aktie profitiert aktuell mehr von Vertrauen und strukturellen Effekten als von bilanzieller Stärke – was das Rückschlagpotenzial bei veränderten Rahmenbedingungen erhöht.
Der Zusammenbruch der China-USA-Route und die Folgen für die Reedereien
Der Handelskrieg zwischen den USA und China hat die globale Schifffahrt schwer erschüttert. Die ehemals wichtigste Route – China–USA – ist fast vollständig eingebrochen. COSCO Shipping hielt hier rund 15 % Marktanteil und steigerte noch 2024 seinen Umsatz auf 33,3 Milliarden US-Dollar, bevor Strafzölle von 145 % die Containerbuchungen um 45 % abstürzen ließen. Maersk und Hapag-Lloyd spürten die Folgen ebenfalls massiv: Hapag-Lloyd meldete eine Stornierungsrate von etwa 30 % für China-US-Verladungen kurz nach dem Liberation Day. Die Situation hat sich seitdem weiter verschärft.
Heute ist diese Route praktisch zum Erliegen gekommen. Flotten werden stillgelegt oder im besten Fall auf Alterntivrouten verlegt, und US-Häfen wie Los Angeles verlieren binnen weniger Monate über ein Drittel ihrer Ladung. Parallel verschieben sich globale Lieferketten in historischem Ausmaß: Vietnam und Indien erleben einen Aufschwung als neue Produktions- und Logistikzentren, was neue Hauptrouten im Asien-Verkehr entstehen lässt. Reedereien müssen in Rekordtempo Terminalbeteiligungen anpassen, Flotten neu ausrichten und in alternative Standorte investieren. Zwar gibt es Gerüchte und Meldungen von Gesprächen zwischen Unterhändlern von China und den USA, aber mit jedem weiteren Tag anhaltender Zölle wird die Wiederbelebung der Transpazifikroute USA – China unwahrscheinlicher.
Das sagen Analysten
Die aktuellen Analysteneinschätzungen zeichnen ein eher trübes Bild für die Containerreederei-Branche. JPMorgan bleibt klar pessimistisch und hält sowohl für Hapag-Lloyd als auch für Maersk an der Einstufung “Underweight” fest. Analystin Alexia Dogani verweist auf die hohe Unsicherheit im globalen Handel und erwartet, dass viele Reedereien ihre Erwartungen für 2025 noch nach unten anpassen müssen. Selbst eine bestätigte Prognose, wie sie Hapag-Lloyd zuletzt abgegeben hat, wird vor diesem Hintergrund kritisch gesehen. Maersk wurde zusätzlich auf die “Negative Catalyst Watch” gesetzt – ein Warnsignal für mögliche negative Kursimpulse mit Blick auf die kommenden Quartalszahlen.
UBS zeigt sich etwas weniger skeptisch. Zwar wurde das Kursziel für Maersk gesenkt, die Einstufung bleibt jedoch “Neutral”. Auch hier sieht man Risiken – insbesondere, wenn die US-Regierung ihre harte Zollpolitik nicht rasch zurückfährt. Der UBS-Analyst rechnet mit einem spürbaren Abschwung für die Branche ab dem zweiten Halbjahr 2025 und liegt mit seinen Gewinnprognosen für europäische Logistiker inzwischen unter dem Marktkonsens.
Allgemein wird die Aussagekraft der Q1-Quartalszahlen beschränkt sein, da die handelspolitischen Verwerfungen erst im Q2 eskalierten. Für die nächsten Monate sollte man also bei den Werten vorsichtig sein.
Chart
Der Blick auf die Kursentwicklung der letzten zwölf Monate zeigt eine klare Schwäche bei Hapag-Lloyd. Während die Aktien von COSCO und Maersk sich insgesamt stabil gehalten haben und aktuell leicht im Plus liegen, hat Hapag-Lloyd rund 20 % an Wert verloren. Die Underperformance spiegelt das geringere Vertrauen der Märkte wider – trotz operativer Stabilität und bestätigtem Ausblick. Gründe dafür dürften unter anderem die eingeschränkte Diversifikation, die geringe Liquidität der Aktie und die ambitionierte Bewertung sein, die in einem zunehmend schwierigen Marktumfeld zunehmend hinterfragt wird.
Fazit
Die großen Reedereien befinden sich in einem schwierigen Umbruch. Der nahezu vollständige Stillstand des Handels zwischen den USA und China trifft die Branche an einem ihrer empfindlichsten Punkte. Die transpazifische Route war über Jahre hinweg eine der wichtigsten und profitabelsten Handelsachsen weltweit. Dass sie nun durch Strafzölle de facto ausfällt, ist ein schwerwiegender Einschnitt. Noch ist keine Lösung in Sicht – und jeder weitere Tag ohne Entspannung erhöht die Unsicherheit und erschwert die Planung.
Zwar stehen Unternehmen wie Maersk, COSCO und Hapag-Lloyd finanziell und strukturell nicht vor dem Abgrund, aber die Umstellungen, die nun nötig sind, kosten Zeit und Kapital. Neue Routen müssen entwickelt, Häfen neu priorisiert und Flotten umverteilt werden – ein Kraftakt für jede Reederei.
Gleichzeitig entstehen aber auch Chancen. Die geopolitischen Verschiebungen führen zu neuen Wachstumsregionen, etwa in Südostasien oder Südamerika. Der Mercosur-Deal bietet Potenzial für die Route Südamerika–Europa, und auch Indien gewinnt als Produktions- und Logistikstandort an Bedeutung.
Klar ist: Die Handelspolitik unter Trump verändert die Spielregeln grundlegend. Die Reedereien werden sich anpassen müssen – aber sie haben die Ressourcen und Strukturen, um das zu schaffen. Wer schnell reagiert und flexibel bleibt, kann aus der Krise gestärkt hervorgehen. Maersk sollte hier für die Zukunft besser aufgestellt sein als die Konkurrenz.
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte
Der Autor ist im besprochenen Wertpapier bzw. Basiswert zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.