Kommentar
09:22 Uhr, 09.02.2017

Was wollen uns die Wähler bloß sagen?

Nein, es geht ausnahmsweise einmal nicht um Brexit, Trump oder das italienische Referendum. Zur Abwechslung geht es um Deutschland.

In Deutschland sind die nächsten Bundestagswahlen noch ein Weilchen hin, doch schon jetzt lohnt sich ein Blick auf die Stimmung im Land. Der Blick lohnt sich, weil sich seit einigen Tagen ganz gehörig etwas tut. Ich will der deutschen Politiklandschaft nur ungern Langeweile unterstellen, doch wirklich dynamisch ging es in den letzten Jahren ja nicht gerade zu.

Die Union konnte nach der letzten Bundestagswahl ihren hohen Zuspruch lange Zeit halten. Die Umfragewerte bewegten sich im Bereich von 40 % bis 45 %. Dann kam die Flüchtlingskrise und ei Umfragewerte fielen in die tiefen 30er Werte ab. Von den Tiefs konnten sich CDU/CSU wieder etwas erholen, doch dann kam eine Art Schwarzer Schwan.

Obwohl zuletzt keiner mehr so richtig Begeisterung über die Regierung empfand und auch Merkel nach 12 Jahren nicht mehr glänzt (die Zeiten der Klimakanzlerin usw. sind lange vorbei), blieben große Bewegungen aus. Die Union verlor ein wenig in den Umfragen, die AfD legte zu, die FDP dümpelte um die Marke von 5 % herum und Grüne sowie Linke oszillierten lange Zeit um 10 % herum.

Dann kam der Schwarze Schwan - oder besser gesagt der Rote Schwan - in Form von Martin Schulz. Dass er sich aus der Europapolitik zurückziehen und in die deutsche Politik zurückkehren würde, war lange bekannt. Das Timing war schon auffällig und irgendwie konnte man sich denken, dass die Ambitionen auf mehr da waren. Schulz ist Jahrgang 1955. Würde er nicht 2017 für das Kanzleramt kandidieren, wann denn dann? Vermutlich gar nicht mehr.

Seine Kanzlerkandidatur deutete sich zwar irgendwie an, aber als die dann kam, war sie doch überraschend. Zumindest war das Ergebnis der Kandidatur überraschend. Die Umfragewerte der SPD, die sich nur mit extremer Mühe über 20 % hielten, schnellten hinaus. Inzwischen werden der SPD 31 % zugetraut. Je nach Umfrage ist das ein klein bisschen weniger als die Union holen würde oder sogar ein klein wenig mehr.

Die Stimmen holt Schulz aus allen Parteien. Am wenigsten konnte er bisher der FDP abluchsen. Große Verlierer ist die AfD. Sie muss zwei Prozentpunkte an die SPD abtreten. Das ist weniger als bei der Union, doch in Relation ist es viel. Vor allem muss man aber sagen: jede der etablierten Parteien mag zwar ein eigenes Programm haben, doch sie sind für gewöhnlich nicht meilenweit auseinander. Zudem bekennen sich alle bedingungslos zur EU und zum Euro. Das ist bei der AfD anders. Sie ist vermutlich die einzige Partei, die kein austauschbares Programm hat.

Wieso verliert nun gerade eine solche Partei Wähler an die SPD bzw. Martin Schulz? Steht Schulz nicht für das Establishment, sogar mehr als jeder andere mit seiner bedingungslos EU-freundlichen Politik? Ist er nicht derjenige, dem am ehesten die Einführung von Eurobonds und einer Fiskalunion zuzutrauen sind?

Keine Frage, Schulz wirkt frisch und ehrlicher als viele andere. Für eine andere Politik steht er aber ganz und gar nicht. Im Gegenteil: er steht für sehr viel mehr Europa und europäische Integration. Hat das nicht gestern noch jeden gestört?

Persönlich finde ich diesen Wechsel in der Wählermeinung bemerkenswert. Haben wir uns geirrt und der Zustrom zur AfD in Deutschland oder der Front National in Frankreich hatte eigentlich nichts mit der Forderung nach weniger Brüssel zu tun?

Als wäre Schulz nicht schon Phänomen genug, gibt es noch den französischen Präsidentschaftskandidaten Macron, der politisch Schulz sehr nahe steht. Man stelle sich vor, Schulz und Macron kämen an die Macht. Eurobonds und EU-Steuern gibt es dann vermutlich schon 2018 und die Ländergrenzen werden sowieso abgeschafft.

Noch ist nicht gewählt. Es kann sich noch viel ändern. Bewerten kann ich den derzeitigen Umschwung nicht. Man kann ihn jetzt einmal zur Kenntnis nehmen und sehen, was daraus wird.

Clemens Schmale

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12 Kommentare

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  • Christian14000
    Christian14000

    Zum Lupazzi Beitrag das ist wohl so und die SPD hat keinen authentischeren besseren Kanditaten also was sollen sie auch machen.

    Ich glaube schon an ein Comeback der SPD weil auch die Linke und gerade die Grünen schwäche zeigen. Die letzten Äusserungen aus dem Grünenlager waren ja nicht so dolle(um es gemildert auszudrücken).

    Solche Dinge wie AFD 12% wundern mich nicht, was für ein selbstgerechter ungebildeter Haufen in breiter Masse vorhanden ist, kann man jeden Tag da draußen erleben Traurig Traurig.

    Und wir sind ja hier in einem Wirschaftsforum auf einer Wirschaft/Märkte-Webseite. Kann nicht jemand also Frage an die Experten hier sich z.B.: an die SPD oder Wen auch immer wenden und diesem einen Angebot machen über eine Wirschaftsrefom mit z.B.:Grundlohn oder was auch immer also einen echten Fahrplan mit Alternativszenarien wie der Fall das die EU so auch nicht exestieren muss und das Währungspuffer eventuell nicht schlecht sind das mit Vernünftigen Handelsabkommen dies auch garnicht so schlimm wäre.Also was ich meine einen Wirtschaftswahlkampf zu betreiben der Pausibel und effektiv ist der Wahlkampftauglich und umsetzbar ist(hab ich noch nie erlebt kappiere ich nicht). Man muss den Leuten da draußen begreiflich machen das Wirtschaft nichts negatives ist siehe gerade in Deutschland jeder bekommt hier die Grundversorgung nur die Schere Reich und arm muss wieder zusammen gehen. Ich würde auch den Freien Mietmarkt(Wohnungen Häuser) versuchen zu beenden da geht soviel Geld verloren und Konsumkredite was soll der Mist.Es muss viel mehr Bankenregulierung geben.

    Die Wirschaft steht im Zusammenhang mit der Evolutionären und Sozialen Entwicklung des Menschen, sie ist kein purer Menschenfressender Kapitalismus.Das müssen die Menschen begreifen.

    09:21 Uhr, 10.02. 2017
  • Put.in
    Put.in

    Die Wahrheit ist da draußen, Scully!

    19:44 Uhr, 09.02. 2017
  • Lumpazi
    Lumpazi

    Jack Kennedy gab seinem Sohn, John F. Kennedy, für den Wahlkampf folgenden Ratschlag mit auf den Weg: ,,Es kommt nicht darauf an, wer du bist, sondern für wen du gehalten wirst." In diesem Sinne ist die Nominierung des Martin Schulz als Kanzlerkandidat der SPD ein genialer Schachzug: Niemand in der SPD wird so wenig mit der SPD und ihrer Politik identifiziert wie Martin Schulz. Man darf gespannt sein, wie weit ihn das trägt.

    Im Übrigen gilt: Glaubt nicht den Umfragen. Wo in der westlichen Welt haben sie zuletzt noch gestimmt? Sie sind Teil des Wahlkampfs geworden.

    19:25 Uhr, 09.02. 2017
  • Bigdogg
    Bigdogg

    2 % der AFD-Wähler zur SPD??? Ich bin da Mitglied - wenn sie diesen Quatsch glauben, muss ich ganz ernsthaft am ihrem Verstand zweifeln!!

    16:15 Uhr, 09.02. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Allesklar
    Allesklar

    Bei uns in Österreich kann man sich über den plötzlichen Höhenflug von Herrn Schulz nur noch wundern. Üblicherweise werden solche Leute besachwaltert.

    14:01 Uhr, 09.02. 2017
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Die meisten Menschen hier zu Lande scheinen noch gar nicht zu begreifen, welche Pfeife sie da vor sich haben. Einer der größten Versager der SPD, weggelobt nach Brüssel, soll und will jetzt Kanzler werden. Entweder sind die Leute völlig bescheuert, oder die Wahlumfragen werden massiv gefälscht.

    Bemerkenswert ist ein aktuelles Statement des früheren stellvertretenden Bild-Chefredakteurs Nicolaus Fest. Schulz sei „aufbrausend, großmäulig, geltungssüchtig, maßlos eitel mit den Allüren eines Sonnenkönigs“. „Ein Anti-Deutscher und Antisemit, ein Lügner und Rechtsbrecher“. „Ein Großmaul, ein Pöbler und Wichtigtuer“. Ein Typ, der wegen Größenwahn in die Psychiatrie musste. Ein echter Politiker eben.

    Das Fazit von Nicolaus Fest: So ein Typ soll uns regieren? Das können nicht einmal Sozialdemokraten wünschen. Martin Schulz sei eine Gefahr für Deutschland, für Europa, für unsere Zukunft und müsse verhindert werden. Sehr sehenswert!

    Im folgenden Beitrag berichtet die EU-Abgeordnete Ulrike Trebesius über ihre persönlichen Erfahrungen mit dem neuen "Superstar". Zitat: „Ich bin sehr froh, dass wir ihn los sind.“ Und: "Vielleicht ist es Schulz' Vorteil, dass seine Rolle in Brüssel bei uns zu Hause in Deutschland nicht bekannt ist."

    Für Trebesius, die Martin Schulz als Parlamentspräsident in den letzten zweieinhalb Jahren in Brüssel erlebt hat, ist es unverständlich, wieso Schulz jetzt der Ansicht ist, dass die Kanzlerin weg muss. Denn: Wer in Brüssel diese Ansicht vertreten hat, der wurde ausgegrenzt und beschimpft. In Brüssel trat Martin Schulz vehement für die die Kanzlerin ein – nun will er sie entmachten? Er will gegen die Eliten kämpfen, die er selbst repräsentiert?

    http://www.epochtimes.de/politik/deutschland/eu-abgeordnete-ueber-martin-schulz-ich-bin-sehr-froh-dass-wir-ihn-los-sind-a2039553.html?meistgelesen=1

    13:34 Uhr, 09.02. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Fuzzi
    Fuzzi

    Nun, auf erstem Blick sicher ein unverständliches Wählerverhalten. Allerdings fragt sich, ob nicht die Art der Befragung, die Auswahl des befragten Personenkreises und die gestellten Fragen das Ergebnis nicht beeinflussen.
    Es gibt genügend Untersuchungen, wie stark eine Änderung der genannten Variablen das Ergebnis beeinflussen.

    09:40 Uhr, 09.02. 2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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