Kommentar
17:44 Uhr, 18.06.2020

Was wir von Schweden lernen können

Schweden verzichtete bisher auf einen strikten Lockdown. Viele sehen das als gutes Beispiel. Wahrscheinlicher ist aber, dass Schweden zeigt wie man es nicht macht.

In den meisten Ländern kehrt wieder Normalität ein. Die Zahl der Neuinfektionen geht in vielen Ländern in Europa stetig zurück. Für Schweden gilt das nicht. Hier blieben die Neuinfektionen lange Zeit hoch und erreichten zuletzt eine neue Dimension (Grafik 1). Der Lockdown hat in Ländern wie Deutschland das bewirkt, was er sollte: die Kurve abflachen.


Die Überlastung des Gesundheitssystems wurde verhindert und viele Leben gerettet. Trotzdem wird der Lockdown auch kritisiert. Die Wirtschaft ist innerhalb von zwei Monaten komplett zusammengebrochen. Das ist schmerzhaft. Der Aufschwung, der seit einigen Wochen läuft, gewinnt allerdings an Fahrt. In Schweden ist das nicht der Fall.

Schweden hinkt stattdessen um ungefähr einen Monat hinterher. Im März, als der Lockdown in Deutschland begann, fiel auch der Einzelhandelsumsatz. In Schweden kam es erst im April dazu (Grafik 2).

Ähnlich sieht es bei der Industrieproduktion aus (Grafik 3).


Dort, wo bereits Daten für Mai vorhanden sind, zeigt sich in Deutschland ein Rebound. Ein solcher Datensatz sind die Pkw-Neuzulassungen. Hier kommt es in Deutschland und allen Ländern, die den Lockdown beendet haben, zum Aufschwung. In Schweden gehen die Neuzulassungen zurück.

Aktuell sieht es trotzdem so aus, als würde der Schaden für die Wirtschaft in Schweden geringer ausfallen als im Rest Europas. Es ist allerdings noch zu früh, um Bilanz zu ziehen. Derzeit deutet alles darauf hin, dass der Einbruch in Schweden langsamer erfolgt, aber eben trotzdem stattfindet.

In einem Jahr können wir erst feststellen, ob Schweden am Ende wirtschaftlich besser davongekommen ist. Wetten würde ich darauf nicht. Lockdown-Länder hatten einen starken Einbruch, dafür war dieser kurz. Schweden einen weniger starken Einbruch zu verzeichnen, doch dieser dürfte noch Monate weitergehen.

Das sagt auch viel über eine mögliche zweite Infektionswelle aus. Regierungen dürften auf einen generellen Lockdown verzichten. Das macht die Bevölkerung nicht mit. Doch selbst ohne Lockdown zeigt Schweden, dass der Konsum zurückgeht, die Menschen sparen, Unternehmen weniger produzieren usw.

Selbst ohne staatlich verordnete Schließungen ist nicht alles in Ordnung. Menschen sind auch ohne Anordnung besorgt und verhalten sich anders als sonst. Eine zweite Infektionswelle im Herbst wird nur schwer zu vermeiden sein. Egal wie Regierungen dann handeln, die Wirtschaft dürfte wieder einbrechen.

An der Börse spielt das aktuell kaum eine Rolle. Anleger sollten diese zweite Welle aber unbedingt im Blick behalten. Braucht die Wirtschaft ein zweites Mal gigantische Stützungsmaßnahmen, kommen auch Notenbanken so langsam in Bedrängnis. Es wäre wirtschaftlich und für die Börse eine Katastrophe.

Clemens Schmale


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9 Kommentare

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  • trendy58
    trendy58

    Zuerst: Ich bin vollkommener Laie!

    Bisher hat es wohl noch nie eine 2. (Grippe-)Welle gegeben; Ausnahme ggfs. die "Spanische Grippe 1918".

    Damals herrschten jedoch Unterernährung und katastrophale Hygienebedingungen.

    Ansonsten gibt es jedes Jahr eine neue Grippewelle, da sich die Viren verändern (müssen). Unseren persönlichen und damit auch den gesamten Bevölkerungsschutz bauten und wir dadurch auf, dass wir ständig mit Viren und Bakterien in Kontakt kommen und unser Körper damit umgehen lernen kann.

    Das Augenmerk sollte vielmehr dem kommenden Impfstoff gelten; wenn dieser in die Gen-Substanz wirkt, gibt es kein Entrinnen für die Geimpften mehr.

    14:31 Uhr, 20.06. 2020
  • Trival
    Trival

    Der Vergleich hinkt ein wenig aber man kann ja auch mal einen anderen Denksatz verfolgen:

    Schweden hat zwar auch nen Wirtschaftsknick aber das Gesundheitssystem ist nicht kollabiert und der Staat hat sich nicht hoffnungslos verschuldet. Sollte nun doch noch eine 2. Welle kommen, dann sind noch eiserne Reserven vorhanden. Für den Rest von Europa gilt das wohl (meist) eher nicht. Rollt hier die nächste Welle an, kommt es knüppeldick mit alles Konsequenzen.

    Man muss aber auch fairer Weise sagen, dass Schweden auch nicht so dicht besiedelt ist. Ob die Einwohner sensibler oder schlauer sind, möchte ich hingegen nicht beurteilen. Für sich betrachtet haben die Schweden sicherlich einen guten Weg beschritten. Für Deutschland wäre das sicherlich der falsche Weg gewesen.

    12:05 Uhr, 20.06. 2020
  • Joey-the-bee
    Joey-the-bee

    Also ich denke, dass Schweden mit seiner Strategie wesentlich besser aufgestellt ist. Die zweite (Grippe) Viruswelle wird bestimmt kommen und da Schweden schon weitgehend durchgeseucht ist, dort latenter ausfallen.
    Wie gesagt nur meine persönliche Spekulation

    12:43 Uhr, 19.06. 2020
  • Tüskendör
    Tüskendör

    Es gab ja mal das etwas zynische Kalkül der "Herdenimmunität" - sollte (Möglichkeitsform) sich nun auch noch bewahrheiten, dass diese bestenfalls kurzzeitig Bestand hat, dann haben England und Schweden definitiv den falschen Weg gewählt.

    Übrigens - so hört man - waren auch in Schweden nur sehr wenige Ü60-jährige auf den Beerdigungen der Corona-Opfer. Schweden setzte auf die Vernunft seiner Bürger. Ich habe erhebliche Zweifel ob jenes in D funktioniert hätte. Sieht man ja an den Kommentaren....

    12:09 Uhr, 19.06. 2020
  • P_44
    P_44

    Die Wirtschaft ist aber nicht alles! Schweden hat das schon richtig gemacht. Da musste niemand seinen 100. Geburtstag absagen oder wochenlang versuchen, mit kleinen Kindern zu Hause was zu arbeiten.

    10:42 Uhr, 19.06. 2020
    1 Antwort anzeigen
  • retniw
    retniw

    Seltsamer Vergleich. Wie soll die schwedische Wirtschaft gut dastehen, wenn in Europa jedes Land einen Lockdown vollzog. Dann muss natürlich auch Schweden die Produktion runterfahren - sich anpassen.

    Auf jeden Fall hat sich Schweden nicht so schwer verschuldet wie Deutschland.

    09:33 Uhr, 19.06. 2020
  • JainZhar
    JainZhar

    Eine zweite Welle wird es nur vermutlich nicht geben. Und mit Welle meine ich nicht mal ein Aufflackern von ein paar hundert Infektionen in einem Landkreis oder in Peking. Sondern eine wirklich große, unkontrollierte Ausbreitung über einen längeren Zeitraum. Das wird nur passieren, wenn man alles wieder zulässt und die Menschen sich verhalten, wie zuvor und jeder vergisst, was Corona war. Dann ja, wird aber nicht der Fall sein. Dazu kommt das SARS2 eben wie alle Coronaviren sehr stark zum CLustern neigt, d.h. sich nicht homogen verbreitet. Erste Studien zeigen ungefähr, dass 80% der Infektion von 20% der Infizierten ausgeht. Gelingt es diesen Teil massiv zu beschneiden (was auch ohne kompletten Lockdown geht), dann reicht das aus um R0 in der Nähe von 1 zu halten. Eine zweite Welle ist daher kein Schicksal, sondern lässt sich verhindern. Ich bin optimistisch, dass dies klappen kann, wenn wir die Situation über den Sommer so halten können wie jetzt.

    17:54 Uhr, 18.06. 2020
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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