Kommentar
13:03 Uhr, 21.05.2021

Was man über Zinsen wissen muss

Wer bestimmt das Zinsniveau? Wer bei der Antwort nur an die Notenbank denkt, liegt nur halbrichtig. Die Notenbank bestimmt nur einen kleinen Teil.

Notenbanken sind zwar für die Zinspolitik verantwortlich, aber sie haben nicht auf jeden Zins einen Einfluss. Notenbanken bestimmen lediglich das kurzfristige Zinsniveau. Dafür legen sie einen Leitzins fest. Vor einigen Jahren war die Welt noch etwas einfacher als heute. Es gab einen Zins oder zwei Zinssätze von der Notenbank. Heute bedienen sich viele Notenbanken einer komplexeren Struktur.

Die EZB hat drei Hauptzinssätze.

  • Das ist zum einen der als Leitzins bekannte Satz. Zu diesem Zins können sich Banken Geld bei der EZB leihen. Dieser Satz liegt bei 0 %.
  • Wer sich kein Geld leihen will, sondern zu viel davon hat und es bei der EZB hinterlegen muss, zahlt -0,5 %. Das ist der Einlagensatz.
  • Müssen sich Banken kurzfristig und über die wöchentlichen Zuteilungen hinaus Geld leihen, zahlen sie dafür 0,25 %.
  • Darüber hinaus laufen derzeit mehrere Langzeitrefinanzierungsgeschäfte mit Laufzeiten von mehreren Jahren. Hier kommt es je nach Bank zu einem anderen Mischsatz, der bei den letzten Zuteilungen im negativen Bereich lag.

Bei der US-Notenbank ist die Sache etwas weniger undurchsichtig. Es gibt den Leitzins - die Fed Funds Rate, und einen Discountsatz. Bei der Fed Funds Rate handelt es sich um einen Zielzinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen. Den Discountsatz zahlen Banken, wenn sie sich bei der Fed Geld leihen. Dieser liegt bei 0,25 %.

Die Zinsen sind damit nach oben begrenzt. Auch nach unten müssen sie inzwischen begrenzt werden. Hier kommt ähnlich wie bei der EZB ein Einlagensatz zum Zug. Dieser liegt bei 0,1 %. Was die Fed nicht hat, sind Langfristrefinanzierungsgeschäfte, die wie bei der EZB zu unterschiedlichen Sätzen stattfinden.

Alle Zinssätze, die von der Notenbank festgelegt werden, haben eines gemeinsam. Sie sind relativ kurzfristig. Lediglich die EZB bietet bis zu drei Jahre feste Zinssätze an. Bei der Fed gibt es das nicht. Der Zins, der festgelegt wird, gilt für einen Tag.

Leiht sich der Staat für einen kurzfristigen Zeitraum Geld, zahlt er dafür ungefähr diesen Tagessatz. Auch Anleihen mit einer Laufzeit von mehreren Monaten bis zu zwei Jahren folgen diesem Zinssatz. Erwarten Anleger eine Zinsanhebung, können Renditen von Anleihen auch früher zu steigen beginnen (Grafik 1).


Je länger die Laufzeit einer Anleihe ist, desto weniger folgt sie dem Leitzins (Grafik 2). So stiegen etwa die langfristigen Zinsen im Jahr 2003, obwohl die Notenbank den Zins weiter senkte. Ebenso ist es möglich, dass die langfristigen Zinsen fallen, obwohl die Notenbank den kurzfristigen Zins anhebt.

Die Notenbank bestimmt nicht, was der Zins für 10 oder 30 Jahre macht. Hier sind andere Faktoren relevanter, vor allem die Inflation und Inflationserwartung. Langfristzinsen folgen der Inflation und nicht dem Leitzins (Grafik 3).

Der Anstieg der Zinsen, von dem in den letzten Wochen immer wieder zu lesen war, hat nichts damit zu tun, dass die Fed die Zinsen eventuell früher anhebt als bisher gedacht. Vereinfacht gesagt haben diese beiden Zinssätze nichts miteinander zu tun. Was die Langfristzinsen ansteigen ließ, war die Inflation.

Indirekt hängen die beiden natürlich zusammen. Für langlaufende Anleihen verlangen Anleger eine Kompensation für die Inflation und die Laufzeit. Je länger die Laufzeit ist, desto höher ist auch das Risiko. Da Inflation auch irgendwann zu höheren kurzfristigen Zinsen führt, gibt es einen Zusammenhang.

Solange eine Notenbank jedoch keine Zinskurvenkontrolle einführt wie etwa in Japan (die Notenbank legt einen Zielzins für langlaufende Anleihen fest und kauft notfalls so lange, bis der Zins stimmt), können langfristige Zinsen machen, was sie wollen. Sie können fallen, wenn der Leitzins steigt und steigen, wenn der Leitzins fällt. Die Notenbank hat darauf wenig Einfluss.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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