Kommentar
08:44 Uhr, 06.10.2015

Was bringt die Jahresendrally?

Das Jahresende ist für gewöhnlich ein Performancegarant. Die Betonung liegt auf ‚für gewöhnlich,’ denn nicht jedes Jahr findet eine Jahresendrally statt. Wie wird es 2015 sein?

Die Jahresendrally gibt es fast schon so lange wie es den Dow Jones Industrial Average gibt. Obwohl das Phänomen gut bekannt ist und jeder davon profitieren kann, gibt es Jahr um Jahr wieder eine Jahresendrally. Ein effizienter Markt sollte eigentlich dafür sorgen, dass klare Muster erkannt und soweit ausgenutzt werden, bis sie verschwinden. Wenn jeder weiß, dass die beste Zeit Aktien zu kaufen im Oktober ist, sollten Anleger beginnen im September zu kaufen, um von Anfang an mit dabei zu sein. Die Jahresendralle würde sich zeitlich verschiebenbis sie vollkommen verschwunden wäre.

Viele Jahrzehnte haben bisher noch nicht zu einer Verschiebung der Jahresendrally geführt. Ebenso ist der Markt anscheinend ineffizient genug, um die Anomalität weiter zuzulassen. Was auch immer die Gründe für den Bestand der Rally sind, Anleger können davon profitieren. Wer allerdings glaubt, dass das einfach ist, liegt falsch.

Grafik 1 zeigt die Durchschnittsperformance des Dow Jones seit 1900. Dabei ist die Performance bis Jahresende dargestellt, wenn man 17, 16, 15, ... 4 Wochen vor Jahresende kauft. Kauft man 17 Wochen vor Jahresende, dann steigt man Anfang September in den Markt ein. Nicht umsonst heißt es an der Börse: „Sell in May but remember to come back in September.“

Im Mai verkaufen erweist sich häufig als guter Rat. Im September wieder an die Börse zurückzukehren ist hingegen ein schlechter Rat. Der September ist ein sehr schwacher Monat. Das zeigt sich auch in Grafik 1. Wer Anfang September kauft, kann bis Jahresende nur ein knappes Prozent an Performance erwarten. Genau die gleiche Performance lässt sich noch erzielen, wenn man 5 Wochen vor Jahresende einsteigt. Der ganze Gewinn der stärkeren Monate Oktober und November werden von Kursverlusten im September wettgemacht.

Nach dem langjährigen Durchschnitt ist der optimale Einstiegszeitpunkt zwischen Anfang Oktober und Anfang November. Mit anderen Worten: wenn die Jahresendrally noch nicht begonnen hat, dann tut sie es in Kürze.

Einen garantierten Gewinn verspricht das Jahresende aber nicht.

Grafik 2 zeigt die Performance für jedes einzelne Jahr seit 1900 für einen Einstieg Mitte und Ende Oktober. Die Chancen auf einen Gewinn stehen in beiden Fällen gut. Wer 9 Wochen vor Jahresende einsteigt muss lediglich jedes sechste Jahr mit einem Verlust bis Jahresende rechnen. Wer 11 Wochen vor Jahresende einsteigt muss jedes vierte Jahr mit einem Verlust rechnen.

Ob man nun 11 oder 9 Wochen vor Jahresende einsteigt ist unerheblich, wenn man sich die Trefferquote im Vergleich zu herkömmlichen Trades ansieht. Die Trefferquote liegt bei sehr guten Tradern im Bereich von 65%. Wer auf die Jahresendrallye setzt hat eine Trefferquote von 75 bis 84%. Das ist wesentlich besser als das, was man normalerweise erwarten kann und man muss für die Ausnutzung der Jahresendrallye wirklich kein Ausnahmetalent sein.
So schön das alles ist, es gilt trotzdem Vorsicht walten zu lassen. Die Jahresendrallye mag statistisch gesehen real und lukrativ sein, doch das ist nicht in Stein gemeißelt. Grafik 3 zeigt die durchschnittliche Performance der einzelnen Jahrzehnte seit 1900. Das aktuelle Jahrzehnt (2010) beinhaltet die Jahre 2010 bis 2014.

Für die Saisonalität von US Aktien gibt es einige Gründe (z.B. Window Dressing von Fondsmanagern), doch eine Garantie für gute Performance sind sie nicht. In den 1910er, 1930er und 1970er Jahren hatten es Anleger mit der Jahresendrally nicht gerade leicht. In den 1940er Jahren lag die Performance nur knapp im positiven Bereich. Keiner weiß, ob sich beginnend mit 2015 Muster wiederholen, die in den 70er Jahren vorherrschten. Als Anleger darf man auch zu Jahresende keinesfalls auf striktes Risikomanagement verzichten. Sofern sich das Muster der vergangenen 20 Jahre fortsetzt ist der richtige Einstiegszeitpunkt ab jetzt zu bis Ende Oktober zu finden. Wenn man sich die Charts der US Indizes ansieht, dann gewinnt man den Eindruck, dass die Rally seit letzter Woche läuft.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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