Kommentar
22:22 Uhr, 07.05.2021

Was Anleger aus dem Platzen dieser Blase lernen können

Hinterher ist man immer klüger. Noch besser ist es, wenn man vorher klüger ist. Der Blick auf eine Blase, die gerade eben geplatzt ist, hilft dabei.

Plötzlich ist es um eine Anlageklasse ganz still geworden. Noch vor wenigen Wochen konnte man sich vor Berichten und Schlagzeilen rund um Blankoscheckunternehmen gar nicht mehr retten. Heute ist das anders. Es herrscht ungemütliche Stille. Blankoscheckunternehmen (SPACs) sind damit nicht verschwunden. Bis zum Platzen der Blase sammelten diese Firmen in diesem Jahr allein in den USA über 90 Mrd. Dollar über Börsengänge ein (Grafik 1). Der bis dahin gültige Rekord für das Gesamtjahr 2020 wurde innerhalb von drei Monaten übertroffen.


Die meisten Firmen sitzen nun auf einer Menge Geld, mit dem sie andere Unternehmen kaufen oder mit ihnen fusionieren müssen. Es gibt über 800 aktive Blankoscheckunternehmen. Die meisten haben beim Börsengang zwischen 250 und 500 Mio. eingesammelt (Grafik 2).

Insgesamt wurden in den letzten Jahren über 240 Mrd. Dollar an Kapital eingesammelt. Knapp die Hälfte davon wurde bereits für Akquisitionen genutzt. 130 Mrd. warten noch auf Übernahmen. Das ist eine Menge Geld. Bei Übernahmen erhalten Aktionäre des Blankoscheckunternehmens häufig 10-20 % Anteil am neuen Gesamtunternehmen.

Um die 130 Mrd. Kapital ihrem Zweck (Übernahmen) zukommen zu lassen, braucht es Übernahmekandidaten im Gesamtwert von 650 Mrd. bis 1,3 Billionen Dollar. Das ist eine Hausnummer. Man kann sich vorstellen, dass die Qualität der Übernahmekandidaten nicht besser wird. Irgendwann sind alle guten Kandidaten weg.

Das ist ein Grund, weshalb sich die Blase nicht weiter aufbaut. Mehr Geld und mehr Liquidität sind nicht immer besser. Zudem mussten Anleger herbe Rückschläge hinnehmen. Mehrere Übernahmen entpuppten sich als fragwürdig.

Aktien von Blankoscheckunternehmen (SPACs) werden für gewöhnlich zu 10 Dollar ausgegeben. Solange kein Übernahmekandidat gefunden wird, machen weder Kurse über 10 Dollar noch darunter viel Sinn. Daher stagnieren die Kurse bis zu einer Übernahme bei 10 Dollar. Genau das geschah bis Sommer 2020. Danach war die Freude über Blankoscheckunternehmen einfach so groß, dass die Kurse ohne Übernahmekandidat teils 50 % über dem Ausgabekurs standen.

Anleger nahmen damit vorweg, was sie in der ersten Jahreshälfte gelernt hatten. Kurz nach Bekanntwerden von Übernahmekandidaten tendierten die Kurse zu explodieren. Bestes Beispiel war Nikola. Nikolas Kurs stieg zeitweise auf mehr als 80 Dollar. Das Unternehmen entpuppte sich später als mehr heiße Luft denn Substanz. Der Kurs tendiert wieder Richtung 10 Dollar.

Die Qualität übernommener Unternehmen leidet seit geraumer Zeit. Anleger kauften trotzdem alles auf, was sie nur finden konnten. Sie zahlen für 10 Dollar Cash im Blankoscheckunternehmen gerne auch 15 Dollar. Unter normalen Umständen würde niemand mit gesundem Menschenverstand 10 Dollar um 15 Dollar kaufen. Genau das geschah aber.

Die Kurse stiegen nach den Übernahmen häufig um weitere 50 % oder 100 %. Ein Großteil dieser Gewinne ist inzwischen verloren. Viele Kurse notieren inzwischen bei weniger als 10 Dollar. Blankoscheckunternehmen, die noch keinen Übernahmekandidaten gefunden haben, notieren aktuell häufiger mit einem Abschlag zu den 10 Dollar Ausgabepreis. Aus Aufschlägen von 50 % werden Abschläge.

Aus Euphorie ist Frust geworden. Wenn man mitten in der Blase auf das absurde Geschehen hinweist, will es natürlich niemand hören. Am Ende ist es aber genau so gekommen, wie es kommen musste: die Blase ist geplatzt.

Das war nicht das erste Mal und wird nicht das letzte Mal so sein. Die Blase ist geplatzt, weil die Bewertungen einfach zu hoch waren und inzwischen zu viel Kapital zu wenige gute Kandidaten jagt. Das gilt auch für den Gesamtmarkt, wenn auch in geringerem Ausmaß.

SPACs sind per se als Idee nicht schlecht. Manche Unternehmen sind solide und der derzeitige Frust sorgt für teils hohe Abschläge. Einige interessante Unternehmen sind so zu interessanten Preisen zu haben. Das Ende der Ernüchterung ist aber noch nicht erreicht. Geduld lohnt sich. Viele Aktien kann man vermutlich zu noch tieferen Kursen kaufen. Dazu zählen viele Firmen im Bereich der Elektromobilität, z.B. Chargepoint, welches Ladeinfrastruktur aufbaut.

Was momentan bleibt, das ist die Lehre. Astronomischer Bewertungen, so gerechtfertigt sie in der Euphorie auch sein mögen, sind und bleiben Unsinn. Das gilt für Blankoscheckunternehmen ebenso wie für manche Kryptos, Hypeaktien wie Gamestop und AMC oder bestimmte thematische Anlagen wie etwa der ARK Innovation ETF.

Baut sich die Blase auf, ist die Angst, bei dieser Performance nicht dabei zu sein, hoch. Viele Anleger schauen lange Zeit zu und entscheiden sich spät für einen Einstieg. Häufig platzt die Blase genau dann. Das Beste, was Anleger in solchen Fällen tun können: den Hype ignorieren.

Clemens Schmale


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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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