Kommentar
09:20 Uhr, 10.09.2021

Warum "Tapering" dieses Mal fehlschlägt

Bisher verkraftet der Aktienmarkt die Aussicht auf eine Reduktion der Wertpapierkäufe durch die Notenbank gut. Das war auch 2013 beim letzten Mal der Fall. Allerdings: Im Vergleich zu damals gibt es nun einen gravierenden Unterschied.

Ob die US-Notenbank Fed ihre Wertpapierkäufe im November oder Dezember zu reduzieren beginnt, ist eigentlich unerheblich. Sie kommen in beiden Fällen zur Unzeit. Das ist das große Dilemma dieser Krise. Alles läuft in einer Art Zeitraffer ab. Die Notenbank hinkt der Entwicklung massiv hinterher. In der Eurozone verhält es sich etwas anders. Regierungen haben weniger große Konjunkturprogramme geschnürt und ein Großteil basiert auf einem Mehrjährigen Investitionsprogramm. Die EZB, die am Donnerstag verkündete, dass sie die Käufe unter dem Pandemie-Notfallprogramm leicht senken wird, ist der Fed damit aktuell voraus. Auch darüber hinaus gibt es viele Unterschiede und in diesem Artikel geht es explizit um die USA.

Die Wirtschaft braucht Anschub, wenn sie in der Rezession steckt. Die Wirtschaft steckte in den USA effektiv zwei Monate in der Rezession (Februar und März 2020). Die Rezession liegt also schon fast anderthalb Jahre hinter uns und die Notenbank gibt immer noch Vollgas, so als ob die Wirtschaft am Abgrund stünde.

Die Rezession war kurz und schmerzvoll. Umgekehrt verhielt es sich mit dem Aufschwung. Er war rasant und kraftvoll. Seit Monaten deutet sich jedoch an, dass es in den kommenden Quartalen eine starke Verlangsamung geben wird. Die Zinskurve (Zinsdifferenz zwischen 10- und 2-jährigen Anleihen) sinkt seit Monaten. Wachstum und Zinskurve gehen Hand in Hand (Grafik 1).

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Die Fed beginnt die Reduktion der Wertpapierkäufe also dann, wenn sich das Wirtschaftswachstum stark abkühlt. Die Abkühlung ist vorprogrammiert, denn es laufen viele staatliche Hilfsmaßnahmen aus. Im Gegensatz zur Zeit nach der Finanzkrise agiert die Fed dieses Mal prozyklisch. Nach der Finanzkrise half sie der Wirtschaft, als diese schwach war und bremste, als sie boomte.

Als 2013 Tapering angekündigt wurde, stieg die Zinskurve (Grafik 2). Sie bereitete den Ausstieg in einer Zeit vor, in der sich die wirtschaftlichen Aussichten besserten. Heute ist es anders. Tapering wird vorbereitet, während die Zinskurve abflacht. Die Notenbank hat unterstützt, als die Wirtschafte boomte und wird bremsen, wenn die Wirtschaft ohnehin abkühlt.

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Als die Fed 2013 Tapering ankündigte, war der Konjunkturzyklus noch in den Kinderschuhen. Heute ist der Konjunkturzyklus weit fortgeschritten. Das hat auch für den Aktienmarkt Bedeutung. Dieser widersetzt sich aktuell der normalen Dynamik. Im Normalfall gehen nicht nur Zinskurve und Wachstum Hand in Hand, sondern auch die Zinskurve und der Aktienmarkt (Grafik 3).
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Die tendenziell synchrone Entwicklung wurde in dieser Krise aus dem Takt gebracht. Das ändert nichts daran, dass die Fed prozyklisch agiert. Am Ende können sich Aktien nicht vom Konjunkturzyklus lösen. Ohne Wirtschaftswachstum haben es Unternehmen nun einmal schwer.

Für den Aktienmarkt könnte Tapering dieses Mal daher schiefgehen. 2013 verkraftete der Markt Tapering gut. Die Ausgangslage war jedoch eine deutlich bessere als heute.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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