Kommentar
15:40 Uhr, 31.05.2017

Warum schwächelt die US-Wirtschaft?

So mancher US-Politiker wundert sich, wieso das Wachstum nicht zündet. Hier kommt die Antwort.

Der US-Aufschwung ist zwar stabil, aber alles andere als spektakulär. Für viele ist das ein Rätsel, dabei ist die Sache alles andere als ein Mysterium. Der Blick auf einen einzigen Indikator gibt Aufschluss über die Sachlage: Schulden.

Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Schulden der US-Haushalte in jedem Aufschwung seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Aufschwung seit 2009 sticht sofort ins Auge. Die Verschuldung der Haushalte ist selbst während des Aufschwungs eine Zeit lang gesunken und erst jetzt, Anfang 2017, wurde wieder das Niveau aus 2008 erreicht. Zum Vergleich: nach 30 Quartalen (Aufschwung ab 1991) waren die Schulden 60 % höher als zu Beginn des Aufschwungs.

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Kredit ist das Schmiermittel des Wachstums. Das gilt weltweit. In den USA, wo der Privatkonsum 70 % der Wirtschaftsleistung ausmacht, ist vor allem die Privatverschuldung relevant. Werden hier weniger Schulden aufgenommen, dann wird auch weniger konsumiert. Das Wachstum ist niedriger. Genau das sehen wir in diesem Aufschwung.

Ausschlaggebend für die Entwicklung seit 2009 ist vor allem der Immobilienmarkt. Privathaushalte hatten sich überschuldet und in der Krise praktisch alles verloren. Banken verbrannten sich ebenfalls die Finger und sind nun vorsichtiger. Da Immobilienkredite über zwei Drittel aller Privatkredite ausmachen, schlägt langsameres Wachstum in diesem Bereich voll auf die Wirtschaft durch.

Grafik 2 zeigt die Entwicklung der Immobilienkredite für jeden Aufschwung. Noch nie war die Entwicklung so blutleer. Das ist sicherlich eine Reaktion auf den Exzess nach 2001. Dieser Aufschwung zeigte den schnellsten Anstieg der Schulden im Immobilienbereich.

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Häufig ist in diesem Aufschwung davon zu lesen, dass die Autokredite außer Kontrolle geraten sind. Sie sind in der Tat so hoch wie noch nie und haben die Billionenmarke schon lange hinter sich gelassen. Das Wachstum ist allerdings nicht ungewöhnlich hoch. Es ist im Rahmen des Aufschwungs der 90er Jahre. Interessant ist, dass nach 2001 die Immobilienkredite stark anstiegen, dafür aber die Autokredite kaum wuchsen. Dieses Mal ist es genau umgekehrt.

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Besonders problematisch scheint jedoch der Anstieg der Studienkredite zu sein (Grafik 4). Diese Art der Schulden steigt explosionsartig an. Damit werden die jungen Menschen, die studieren, mit hohen Schulden ins Berufsleben entlassen. Das verzögert natürlich auch den Hauskauf. Wer bereits hochverschuldet ist, bekommt nicht gleich das Geld für den Hauskauf nachgeschmissen.

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Amerikaner müssen sich so langsam auch fragen, ob die Situation noch tragbar ist. Die Ausfallquoten von Studienkrediten sind sehr hoch. Eigentlich sollte das Studium ein gutes und überdurchschnittliches Einkommen garantieren. In der Realität können viele nicht einmal die Zinsen der Schulden schultern. Die Rechnung geht also vorne und hinten nicht auf.

Zu guter Letzt lassen sich noch die Kreditkartenschulden erwähnen (Grafik 5). Sie steigen, aber keineswegs exorbitant schnell. In absoluten Zahlen haben sie inzwischen auch nie dagewesene Rekorde erreicht. Das hat durchaus Relevanz, denn die Zinsen auf diese Kredite sind oftmals zweistellig. Besonders effizient sind Kreditkarten also nicht.

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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zwar die Gesamtschulden langsamer steigen, aber in Bereichen, in denen die Zinsen besonders hoch sind (Kreditkarten, Autos, Studienkredite), teils überdurchschnittliche Wachstumsraten vorweisen. Die Art der Schulden, die aufgenommen werden, belasten die Haushalte durch hohe Zinsen überproportional. Mittelfristig gräbt das dem zukünftigen Konsum das Wasser ab.

Immerhin steigt die Gesamtverschuldung langsamer. Meiner Einschätzung liegt das aber nicht unbedingt an der Vernunft der Menschen ihr Geld beisammen zu halten, sondern daran, dass sich viele Amerikaner wegen Niedriglohnjobs Kredite schlichtweg nicht mehr leisten können. Ohne höhere Löhne und weiterer Entschuldung kommen Wachstumsraten von 3 % oder 4 % einfach nicht mehr zurück.

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  • Bigdogg
    Bigdogg

    Schöne Charts, gute Analyse

    09:19 Uhr, 01.06.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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