Kommentar
13:30 Uhr, 06.07.2021

Warum jetzt magere Zeiten auf Anleger am Aktienmarkt zukommen

Anleger müssen sich auf magere Zeiten einstellen und es hat nichts mit der Geldpolitik oder Marktbewertung zu tun. Verantwortlich ist ein anderer Grund.

Man kann sich bei derzeitigen Geschehen schon verwundert die Augen reiben. Gerade noch ging Inflationsangst um und trotzdem sinken die Zinsen. Das macht auf den ersten Blick keinen Sinn. Genauso wie auf dem Aktienmarkt die Zukunft eingepreist wird, spiegeln auch die Zinsen die Erwartungen über die zukünftige wirtschaftliche Dynamik wider.

Wir befinden uns gerade an einem Umkehrpunkt. Die Inflation erreicht gerade ihr Hoch. Die Inflationserwartungen gehen seit wenigen Wochen wieder zurück. Ab jetzt geht es bergab. Entsprechend reagieren die Zinsen und sinken. Das hat auch für den Aktienmarkt Signalwirkung.

Zunächst muss die Bedeutung der Zinsen für das Wirtschaftswachstum hervorgehoben werden. Die Zinsen bzw. die Zinskurve (Zinsdifferenz zwischen Anleihen mit langer und kurzer Laufzeit) ist ein Vorlaufindikator für das Wirtschaftswachstum. Einer negativen Zinsdifferenz wie im Jahr 2007 oder im Jahr 2000 folgt für gewöhnlich innerhalb einiger Quartale eine Rezession (Grafik 1).


Die Zinskurve hat die Pandemie nicht vorhergesehen. Die Zinskurve invertierte allerdings im Sommer 2019. Auch ohne Pandemie hätte man sich auf schwere Zeiten einstellen müssen. Seit diesem Tief bei den Zinskurven hat sich die Lage verbessert. Die Zinskurven steigen. Nach dem dynamischen Anstieg der letzten Monate gibt es nun eine deutliche Trendwende nach unten (Grafik 2).

Das ist ein starkes Signal. Der Zinsmarkt signalisiert, dass das Beste bereits hinter uns liegt. Da der Aufschwung noch jung ist, wirkt das vorschnell. Bedenkt man jedoch, dass die US-Wirtschaft wohl im gerade abgelaufenen Quartal das schnellste Wachstum des aktuellen Zyklus erreichen dürfte, ist es kein Wunder. Die Wirtschaft wird nicht ewig mit 6-8 % wachsen.

Für diese Erkenntnis braucht man nicht einmal die Zinskurve. Es ist vollkommen klar, dass das Wachstumstempo von 6 % nicht lange aufrechterhalten werden kann. Langsameres Wachstum hat auch für den Aktienmarkt Bedeutung. Grundsätzlich ist die Performance des Aktienmarktes dann am besten, wenn die Zinskurve ihr zyklisches Hoch erreicht. Da das Wachstum ab jetzt tendenziell fallen wird, ist auch davon auszugehen, dass die Aktienmarktperformance deutlich abnehmen wird.

Mit immer flacher werdender Zinskurve flacht auch die Jahresperformance ab (Grafik 3). Den Beginn sehen wird gerade. Durchschnittlich zweistellige Renditen jedes Jahr werden deutlich unwahrscheinlicher. Im Vergleich zu den letzten Quartalen werden die Zeiten unweigerlich mager.


Vor allem bei Privatanlegern scheint das noch nicht angekommen zu sein. Die Renditeerwartungen von Privatanlegern sind in den letzten Monaten gestiegen. Sie erwarten also keine tieferen, sondern höhere Renditen. Enttäuschung ist vorprogrammiert.

Clemens Schmale


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2 Kommentare

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  • Hubert Geh
    Hubert Geh

    Bernecker spricht davon, die - langjährige - Zinswende sei da. Ob das unbedingt zu bejubeln ist steht auf einem anderen Blatt. Aber damit dürften die obigen Überlegungen ziemlich durcheinandergeraten. Schätzungsweise sehen wir zunächst noch eine ziemliche Übertreibung nach oben...

    17:35 Uhr, 06.07.2021
  • mariahellwig
    mariahellwig

    Die Inflation geht nicht zurück. Höchstens vorrübergehend. Die extrem angespannte Liefersituation lässt kaum etwas anderes zu.

    15:33 Uhr, 06.07.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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