Kommentar
11:15 Uhr, 17.02.2021

Warum die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise immer noch überschätzt werden

Die Coronakrise feiert ihren ersten Geburtstag. Auf diesen Geburtstag hätten wir verzichten können. Auf der positiven Seite steht, dass man viel hätte lernen können. Leider haben es die wenigsten getan. Vor elf Monaten veröffentlichte ich einen Artikel mit einem sehr ähnlichen Titel. Das war am 26. März 2020 und wenige Tage, nachdem der Markt sein Tief erreichte. Damals konnte man mit der Lupe nach optimistischen Einschätzungen suchen. Einige wenige gab es. Dazu zählte auch der damals veröffentlichte Artikel. Während sich die meisten in Weltuntergangsstimmung befanden, stellte ich die These auf, dass alles nicht so schlimm wird und die Folgen der Krise und des Lockdowns überschätzt werden. Ein negatives Wirtschaftswachstum von 5 % hielt ich für möglich. In Deutschland kam es ziemlich genau dazu. In den USA war das Minus nur halb so groß.

Jetzt, da fast alle Länder ihre Wachstumszahlen für 2020 veröffentlicht haben, sind viele überrascht. Es war alles weitaus weniger schlimm als im März befürchtet. Damals las man häufig von einem zweistelligen Wachstumseinbruch. Man merkt, dass viele die Krise aus wirtschaftlicher Sicht immer noch nicht nachvollziehen können.

So wunderte man sich in den USA etwa darüber, wieso die Wirtschaft trotz steigender Fallzahlen Ende 2020 mit einem Prozent wuchs. Gegenüber dem Vorjahr lag das Wachstum bei -2,5 %. Die Entwicklung kommt alles andere als überraschend. Einerseits veröffentlicht die Notenbank einen Wachstumsindex, der das tatsächliche Wachstum in Echtzeit gut abbildet (Grafik 1).


Der Index ist zuletzt etwas rückläufig gewesen. In den ersten Wochen des neuen Jahres stagnierte die US-Wirtschaft. Ähnlich verhält es sich in Deutschland. Der Index ist ein anderer. Er misst nicht das Wachstum gegenüber dem Vorjahr wie der US-Index in Grafik 1, sondern ist ein Aktivitätsmaß auf rollierender Quartalsbasis. Die Aktivität war damit in den letzten drei Monaten in Deutschland niedriger als in den drei Monaten zuvor. Alles deutet auf leichtes, negatives Wachstum zu Jahresbeginn hin.

Angesichts eines schon etliche Wochen andauernden Lockdowns ist das nahezu sensationell. Wir alle spüren den Lockdown in unserem täglichen Leben. Wir können viele Dinge nicht tun, die wir gewohnt sind. Das Leben ist eingeschränkt. Das Erleben des Lockdowns – man kann es ja beim besten Willen nicht ignorieren – führt dazu, dass wir die Folgen als gravierender einschätzen als sie sind.

Vor einem Jahr schrieb ich dazu: Es sind vor allem 20 % der Wirtschaftsleistung betroffen. Dazu gehört das Gastgewerbe und alles, was direkt vom Lockdown beeinträchtigt wird. 80 % der Wirtschaft laufen relativ normal.


Das zeigt auch inzwischen der Arbeitsmarkt eindrucksvoll. In den USA arbeiten 20 % der Beschäftigten im Freizeit- und Gastgewerbe sowie im Einzelhandel. 20 % sind für 50 % aller Jobverluste verantwortlich. Die Krise ist ein auf wenige Branchen konzentriertes Problem. Daher ist die Wirtschaft angesichts dessen, was wir täglich erleben, „überraschend“ robust.

Solange die Krise von den 20 % nicht auf die 80 % übergreifen, ändert sich daran auch nichts. Anzeichen dafür gibt es kaum. Damit besteht mehr als nur eine vage Hoffnung auf einen rasanten Aufschwung, sobald größere Teile der Bevölkerung geimpft sind.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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