Kommentar
10:52 Uhr, 06.03.2017

War früher alles besser?

Viele Wähler und Politiker erinnern sich an die guten alten Zeiten, in denen alles besser war. Das ist eine gefährliche Nostalgie.

Nostalgie hat in diesen Tagen Hochkonjunktur. Großbritannien entschied sich aufgrund der Erinnerung an die guten alten Zeiten (bevor die EU dem Land offene Grenzen aufzwang) gegen die Europäische Union. In den USA konnte Trump die Wahl gewinnen, weil er die Rückkehr der Produktionsjobs versprach.

Bei den anstehenden Wahlen in Europa wird man sehen, ob die Nostalgie noch so manch anderen ins Amt hievt. Denkbar ist das, vor allem in Deutschland. Martin Schulz erweist sich gerade als Chefnostalgiker. Das kommt gut an. Die Umfragewerte der SPD gehen durch die Decke.

Im Zentrum der Nostalgie stehen die guten alten Zeiten. Diese sind nicht so richtig greifbar. Keiner weiß so ganz genau, was das eigentlich bedeutet. Vage kann man sich jedoch vorstellen, dass es um die guten Jobs in der Produktion geht. In den Wirtschaftswunderzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg bis Ende der 70er Jahre waren Jobs in der Produktion ein Ticket nach oben.

Wer in der Produktion arbeitete, verdiente gutes Geld, auch ganz ohne Ausbildung. Es ermöglichte ein solides Mittelklasseleben. Nun, über drei Jahrzehnte später, sind diese Jobs rar. Viele wünschen sie sich zurück. Sie erhoffen sich dadurch die Rückkehr der guten alten Zeiten.

So schön der Gedanke ist, er ist Unsinn. Besonders gut lässt sich das anhand der langjährigen Historie in den USA erkennen. Grafik 1 zeigt den Anteil von Löhnen und Gehältern am gesamtwirtschaftlichen Einkommen. Anfang der 70er Jahre machten Löhne und Gehälter über 50 % der Wirtschaftsleistung aus. Heute sind es weniger als 45 %.

Parallel dazu ist die Beschäftigung in der Produktion abgebildet. Bis in die 70er Jahre waren Beschäftigung in der Produktion und Anteil der Löhne am Gesamteinkommen relativ stark korreliert. In den letzten 40 Jahren galt dieser Zusammenhang nicht mehr. Die Korrelation schwächt sich ab und ist bisweilen sogar stark negativ.

Es lässt sich eine klare Tendenz eruieren: wird Beschäftigung in der Produktion aufgebaut, sinkt der Anteil der Löhne am Gesamteinkommen überproportional. Der Hintergrund dazu ist einfach erklärt. Grafik 2 zeigt dazu die Entwicklung der realen Stundenlöhne. Diese sind in der Produktion seit Jahrzehnten niedriger als im Durchschnitt aller Beschäftigten. Mit anderen Worten: wer heute einen Job in der Produktion ergattert, liegt automatisch unter dem Durchschnitt.

Nun kann man Produktionsjobs wieder zurückbringen. Es wird den meisten Menschen jedoch nicht helfen, gesellschaftlich aufzusteigen. Der Verdienst ist unterdurchschnittlich. Das liegt bis zu einem gewissen Grade wohl auch daran, dass der Einfluss der Gewerkschaften immer schwächer wird.
Seit über 30 Jahren geht der Anteil der in Gewerkschaften organisierten Arbeiter zurück (Grafik 3). Nun hilft es natürlich auch nicht, wenn Gewerkschaften permanent für höhere Löhne demonstrieren und die Industrie so motiviert ins Ausland zu gehen. Sinnvoller wäre ein Modell wie in anderen Ländern, z.B. Deutschland.

In Deutschland wird noch relativ viel produziert. Deutschland ist dabei nicht das klassische Niedriglohnland wie etwa Mexiko. Das liegt daran, dass es dem Land gelungen ist, qualifiziertere Arbeit im Land zu halten und unqualifizierte Arbeit ins Ausland zu verlagern. Tätigkeiten, die viel Wert stiften, kann man auch höher bezahlen.

Trump will einfach nur Fließbandjobs zurückholen. Das hat wenig mit Wert zu tun. Viel zahlen kann man da schlichtweg nicht. Wer einen dieser zurückgeholten Jobs ergattert, unterschreibt fast schon seinen Abstieg. Wie gut das ist, kann sich jeder denken.

Clemens Schmale

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7 Kommentare

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  • Dax-Martin
    Dax-Martin

    Der Autor beleuchtet primär den wirtschaftlichen Aspekt. Aber heute arbeiten mehr Frauen Vollzeit als jemals zuvor, ich glaube um die 60%. Das zieht natürlich Geld raus, muss durch sinkende Männerlöhne zum Teil kompensiert werden. Das ist derzeit eine riesige Menge an Vollzeitfrauen, von denen kaum welche, besonders in Industrie, Arbeitsplätz schaffen oder sichern. Unsere Gesellschaft wurde durch Austerität (simulierter Kommunismus) etwas matriarchatlastig. Aber die Versuchung, interne Probleme der Türkei über die Währung zu lösen, verleiht jedem Politiker, trotz der Unruhe, einen dicken Geduldsfaden.

    18:00 Uhr, 06.03. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Dax-Martin
    Dax-Martin

    Keiner hat den Mut zu sagen, dass ab Mitte der 70er das große Experiment der Gleichberechtigung begonnen hat. Man wird sehen, ob diese mit der Halbierung der Arbeitswoche der meisten Dienstnehmer das Experiment weiterlaufen kann. Jedenfalls werden geschlossene Patriarchien, vor allem mit dem repetitiven Rückfall ins Mohammedanische, bei der Gestaltung der Zukunft sowas wie ein Klotz am Bein werden und könnten über die gedrückte Stimmung sogar Konjunkturen abdämpfen.

    17:50 Uhr, 06.03. 2017
  • 1 Antwort anzeigen
  • Fuzzi
    Fuzzi

    Dies sind sicher korrekte Gedanken, man darf allerdings nicht vergessen, daß die "Masse" an Jobs in der Produktion eher ein geringeres Maas an Qualifikation erfordert. Das ist in Deutschland auch nicht anders. Die Masse der Jobs in Deutschland entfällt auf produzierendes Gewerbe und eher weniger auf qualifizierte Berufe im Ingenieurs-oder Dienstleistungsbereich.

    11:53 Uhr, 06.03. 2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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