Kommentar
09:49 Uhr, 05.03.2015

Wann ist Russland wieder ein Investment wert?

Investoren wissen derzeit nicht so recht, was sie tun sollen. Nach einer fulminanten Rallye am Aktienmarkt und bei der Währung deutet sich die nächste Abwärtsbewegung an. Das dürfte dann aber das Ende des Abwärtstrends sein.

Wirtschaftlich geht es Russland nicht gerade blendend. Die Lage ist allerdings bei weitem nicht so schlimm wie berichtet wird. Russlands Wirtschaft wird 2015 schrumpfen. Möglicherweise zieht sich die Rezession bis 2016 hin. Das wird auch vom Ölpreis abhängen. Der von der OECD herausgegebene Leading Economic Indicator zeigt deutlich nach unten (Grafik 1). Der letzte Datenpunkt ist aus Dezember 2014. Seitdem ist die Lage nicht besser geworden. Heute dürfte der Indikator noch einmal tiefer stehen. Insgesamt aber hält sich das aber alles noch im Rahmen. Die derzeitige Lage ist mit früheren existenzbedrohenden Krisen wirklich nicht vergleichbar. Im Gegensatz zu 2009 und 1998 ist der Indikator noch relativ robust.

Trotzdem liest man schon von argen Budgetproblemen der Regierung. Die Rezession wird die Einnahmen sicherlich senken. Gleichzeitig können die Ausgaben nicht beliebig gekürzt werden. Ein Defizit von 4% der Wirtschaftsleistung in diesem und 3% im kommenden Jahr sind denkbar (Grafik 2). Ausgehend von einer Staatsverschuldung von 13% des BIPs kann sich das die Regierung allerdings leisten. Bis Ende 2016 könnte die Staatsverschuldung auf 26% des BIPs steigen. Das ist ein enormer Zuwachs. Vergleicht man das mit den Schuldenbergen in Europa, dann ist das noch immer ein traumwert.

Für die Bürger ist das wenig beruhigend. Sie leiden vor allem unter hoher Inflation. Während die Welt vor einer deflationären Phase steht läuft es in der russischen Wirtschaft auf eine sehr hohe Inflationsrate hinaus. Grund dafür ist die schwache Währung. Damit wird Russland 2015 wohl die höchste Inflationsrate seit 15 Jahren haben. Sofern die Währung nicht signifikant weiter abwertet - und danach sieht es aus - wird sich die Teuerungsrate innerhalb der nächsten 18 Monate wieder normalisieren.

Hohe Inflation, Rezession und eine volatile Währung sind keine Argumente für ein Investment. Viel mehr Sorgen macht Investoren allerdings die Angst eines kompletten Zusammenbruchs Russlands. Diese Sorge ist unbegründet. Russland hat hohe Auslandsschulden. Ca. 600 Mrd. an Schuldtiteln sind in USD. Die Reserven des Landes liegen deutlich darunter. Man darf jedoch nicht vergessen, dass den Schulden auf Vermögen gegenüberstehen. Die Vermögen übersteigen die Gesamtschulden derzeit um 200 Mrd. USD (Grafik 4). Solange die Nettoposition positiv ist muss man sich noch keine ernsthaften Sorgen machen.

Teilweise werden Vergleiche zu 1998 bemüht, als Russland bankrott ging und die Schulden restrukturiert werden mussten, begleitet von einer Währungsreform. Wenn Russland nicht will, dann wird es auch nicht in den Bankrott gehen. Grafik 5 zeigt, wieso das so ist. Die Abbildung zeigt die kurzfristigen Schulden im Verhältnis zu den Reserven des Landes. 1998 musste Russland bankrott gehen, weil die kurzfristigen Reserven kleiner als die Schulden waren. Es fehlten einfach die Devisen, um die Schulden zu zahlen. Das ist heute ganz und gar nicht der Fall. Der gute Wert per Ende 2014 kann auf Dauer nicht gehalten werden. Die Reserven sinken. Das führt zu einer gewissen Verschlechterung des Indikators. Eine akute Gefahr der Zahlungsunfähigkeit ist auf Sicht von 2 Jahren nicht abzusehen.

Als Investor muss man sich fragen, ob die Krise noch länger als 2 Jahre andauern wird. Das weiß ehrlich gesagt niemand. Die Ukraine ist im Bürgerkrieg. So wie es derzeit aussieht wird sich das noch eine ganze Weile nicht beenden lassen. Die Frage ist aber eher, ob die Dauer des ukrainischen Bürgerkrieges für Russland wirklich so relevant ist. Die Lage hat sich an der Währungsfront schon wieder deutlich beruhigt. Es wird auch wieder zu etwas mehr Volatilität kommen. Insgesamt gewöhnt sich der Markt aber an die Situation. Das ist vergleichbar mit dem Verhalten von Investoren in der Eurokrise. Die Ausschläge in beide Richtungen waren am Anfang sehr groß. Mit der Zeit haben sie sich immer mehr gemäßigt. Jetzt ist selbst ein Austritt Griechenlands nichts mehr, was den Markt in wilde Nervosität versetzt. So ähnlich wird es auch im Fall Russlands sein. Die nächste Abwärtsbewegung ist wahrscheinlich eine gute Einstiegsgelegenheit.

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4 Kommentare

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  • Chronos
    Chronos

    Naja irgend woher werden die Zahlen-Quellen ja stammen.

    Und ob jeder Analyst die selber auswertet, glaube ich auch erstmal nicht.

    Nach Schwab sehen die nur bedingt aus und Schwab ist teuer, vielleicht MorningStar

    Habe heute einen push-chart oder zumindest Monatsaktuell zum Thema gesucht, High-Yield Bonds

    sowas wie das hier (Quelle: Barclays)

    http://www.schwab.com/public/file?cmsid=High-Yield-Bonds3&filename=High_Yield_Bonds3&cv1

    21:10 Uhr, 05.03.2015
  • mkgeld
    mkgeld

    ganz einfach. Der Analyst geht davon aus das die Schulden bei Negativzinsen mehr Wert sind als das Vermögen oder ?

    17:38 Uhr, 05.03.2015
  • P_44
    P_44

    Warum sind die Schulden blau und das Vermögen rot dargestellt?

    11:11 Uhr, 05.03.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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