Kommentar
16:16 Uhr, 07.03.2022

Wann greifen die Notenbanken ein?

Es herrscht Krieg und anders als eine gravierende Krise, auch für die Wirtschaft, kann man das nicht bezeichnen. Notenbanken halten sich jedoch bedeckt. Kommen sie dieses Mal nicht zur Rettung?

Anleger fühlten sich lange Zeit sicher, dass Notenbanken im Krisenfall eingreifen würden. Jetzt ist eine der größten Krisen der letzten Jahrzehnte da und Notenbanken halten sich bedeckt. Weder kommen sie zur Rettung noch scheinen sie von ihrem Plan der geldpolitischen Straffung abzurücken.

Notenbanken kommen nicht zur Rettung und wer darauf wartet, dürfte vergeblich warten. Das gilt insbesondere für die USA. Zugegeben, eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte ist im März vom Tisch. Das trägt der Situation Rechnung. Mitten im Ukrainekrieg will man den Markt nicht mit dem größten Zinsschritt seit über 20 Jahren belasten.

Entsprechend ist die Zinserwartung für März seit Kriegsbeginn rückläufig (Grafik 1). Vor Kriegsbeginn wurde mit hoher Sicherheit ein Zinsschritt von 50 Basispunkten erwartet. Jetzt sind es 25 Basispunkte. Die Erwartung für den Leitzins zum Jahresende hat sich ebenfalls bewegt. Anstatt eines Leitzinses in der Höhe von 1,8 % werden nun 1,6 % erwartet.

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Die Aussage ist folgende: Im März kommt eine Anhebung von 25 Basispunkten anstatt von 50. Da die Erwartung für das Jahresende lediglich um 20 Basispunkte gesunken ist, ist der einzige Effekt des Krieges auf die Geldpolitik ein langsamerer Start. Der weitere Verlauf bleibt wie vorgesehen, also ein Zinsschritt bei jeder Sitzung.

Krieg führt nicht automatisch zu einer Reaktion der Geldpolitik. In den USA waren beide Fälle zu beobachten. Zum Teil wurden Zinsen im Krieg angehoben, zum Teil gesenkt (Grafik 2). Entscheidend für den Verlauf ist das Inflationsumfeld und das Wirtschaftswachstum.

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Steigt die Inflation an, ist eine Lockerung der Geldpolitik unwahrscheinlich. Nicht einmal eine Rezession garantiert eine Lockerung. Das war 1973 der Fall. Der Jom Kippur Krieg führte zu einem Ölembargo und Inflationsschock. Die Notenbank senkte die Zinsen nicht, sie hob sie kurzfristig weiter an.

Als Anleger sollte man sich nicht darauf verlassen, dass Notenbanken dem Aktienmarkt zur Hilfe eilen. Das ist nicht das oberste Ziel. Sorgen um Aktienmarktvolatilität dürften aktuell weiter unten auf der Liste der Sorgen stehen, zumal der Krieg die Inflation weiter anheizen wird.

Schon jetzt ist klar, dass der Anstieg der Rohstoffpreise für ein späteres Inflationshoch sorgt. Ursprünglich war es im März oder April zu erwarten. Nun muss man sich auf weiter steigende Inflationsraten bis zumindest Sommer einstellen. Das kann mittelfristig sogar dazu führen, dass der Krieg nicht für eine lockerere Geldpolitik, sondern zu einer strafferen führt. Halten sich Notenbanken kurzfristig mit einer Straffung zurück, um nicht zusätzlich Panik zu schüren, kann die Straffung in wenigen Monaten umso dramatischer werden. Kurz gesagt: Auf eine Intervention der Notenbanken würde ich mich nicht verlassen, vor allem nicht in den USA.

In Europa ist die Lage etwas anders. Denkbar ist ein ungewöhnlicher Schritt, bei dem die EZB ihr Anleihekaufprogramm weiterlaufen lässt, aber die Zinsen anhebt.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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