Kommentar
11:00 Uhr, 30.06.2017

Wall Street: Blinder Optimismus!

Analysten sehen bis Ende 2018 ein Gewinnwachstum für S&P 500 Unternehmen von 27% voraus. Schön wäre es, wenn diese Prognosen auch nur ansatzweise mit der Realität zu tun hätten.

Wer sich fragt, weshalb US-Indizes immer neue Hochs erreichen, findet in den Prognosen zu den Gewinnen eine Antwort. Steigen die Gewinne bis Ende 2018 tatsächlich um 27 %, dann ist der S&P 500 plötzlich gar nicht mehr so überbewertet wie alle meinen. Das Problem: die Vorhersagen sind viel zu optimistisch.

Das Wachstum wird nicht zuletzt durch die Rohstoffindustrie getrieben. Der Gewinn je Aktie soll sich in den nächsten anderthalb Jahren verdoppeln. Das muss man schon glauben, denn mit Fakten hat es wenig zu tun. Man muss nur einen Blick auf den Ölpreis werfen. Selbst wenn es dem Ölpreis gelingt, ab jetzt ganz schnell auf 60 Dollar zu steigen und dort zu verharren, wird es eine Verdopplung des Gewinns nicht geben.

Für den S&P 500 muss das noch kein Beinbruch sein. Der Energiesektor ist in dem Index inzwischen mit nur noch 6 % gewichtet. Selbst wenn alle enthaltenen Energiewerte gegen null fallen würden, reicht das noch nicht für mehr als eine kleine Korrektur.

Es ist aber nicht nur der Energiesektor, der rasant wachsen soll. Zyklische Konsumgüterunternehmen sollen ihre Gewinne um 27 % steigern. Der US-Konsument befindet sich derzeit in einer Art Streik. Ein Wachstumsschub, der so sensationell über dem Trend liegt, ist unwahrscheinlich, zumal gerade der stationäre Handel ums Überleben kämpft. Da muss man froh sein, wenn aus Gewinnen keine horrenden Verluste werden.

Die Finanzindustrie soll immerhin noch um 22 % wachsen. Woher das Wachstum kommen soll, bleibt offen. Viel Hoffnung lag auf der Zinswende. Banken verdienen Geld, indem sie sich kurzfristig billiges Geld beschaffen und langfristig zu höheren Zinsen verleihen. Nun steigen die kurzfristigen Zinsen, die langfristigen bleiben jedoch so niedrig wie gehabt. Sie bewegen sich nicht vom Fleck. Das sollte die Margen eigentlich senken, nicht steigern.

Zu guter Letzt sollen Technologiewerte über 50 % wachsen. Bedenkt man, dass ein Großteil der Gewinne von den wenigen ganz großen Unternehmen gestemmt werden, erscheint das schon recht optimistisch. Die größten IT Unternehmen schrieben zuletzt zusammen fast 150 Mrd. an Gewinn. Es sind zwei Handvoll Unternehmen, die fast sämtliche Gewinne auf sich vereinen. Persönlich kann ich mir nicht vorstellen, dass es Apple und Microsoft gelingen wird, ihre Gewinne innerhalb von anderthalb Jahren um 50 % zu steigern.

Als wäre das nicht schon alles schlimm genug, zeigt die Zinskurve Probleme an. Grafik 1 zeigt die Gewinne sämtlicher US-Unternehmen und die Zinskurve (dargestellt als Rendite 10-jähriger Anleihen minus der 2-jährigen Rendite). Fällt die Zinsdifferenz, deutet dies mittelfristig Probleme und sinkende Gewinne an.

Stellt man die Zinsdifferenz dem Gewinn je Aktie des S&P 500 gegenüber (Grafik 2) und versetzt die Zinsdifferenz um einige Quartale, dann verlaufen beide Zeitreihen parallel. Demnach sollten die Gewinne ab jetzt eigentlich so langsam zu sinken beginnen. Die Prognosen gehen jedoch von beschleunigtem Wachstum aus. Wie realistisch das ist, kann man sich denken.

Clemens Schmale

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2 Kommentare

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  • Super-Hobel
    Super-Hobel

    Völlig egal, heute schon wieder neues Allzeithoch im Dow Jones... weiter und immer weiter...

    17:41 Uhr, 03.07. 2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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