Kommentar
11:45 Uhr, 08.06.2011

Vorsicht Explosionsgefahr - neue Exoten-Scheine im Anmarsch

Während die einen Anleger die zahlreichen Krisenherde weltweit und insbesondere vor der eigenen Haustüre in der Eurozone fürchten, steht für das noch immer große Heer der Finanzoptimisten am Markt unumwunden fest: Da es derzeit keine Alternative zu Aktieninvestments gibt, wird der DAX noch in diesem Jahr ein neues Allzeithoch über 8.151 Punkten markieren.

Eine spannende Ausgangssituation für den Spekulanten

Das Schöne am Zertifikatemarkt oder besser ausgedrückt am Derivatemarkt, sofern man von Hebel-Produkten d.h. von Optionsscheinen und Knock-Out-Papieren spricht, ist, dass die Emittenten immer neue Produkte entwickeln, um auch noch den letzten Zocker aufs glatte Börsenparkett zu locken. Als besonders erfinderisch erweist sich dabei v.a. die Société Générale, die immer mehr Produkttypen der hauseigenen früheren Internetplattform „Click-Options“ auch über den ganz normalen Handelsweg zugänglich macht.

EndHigh/Low - die „Abrechnung“ erfolgt zuletzt

Bestes Beispiel sind die neuen EndHigh- bzw. EndLow-Optionsscheine auf den DAX. Das Prinzip ist bei diesen digitalen Produkten ganz einfach. Steht des deutschen Börsianers liebstes Kind am finalen Bewertungstag in ein bis drei Monaten über oder unter dem jeweiligen Knock-Out-Level, dann darf gefeiert werden. Der Anleger erhält in diesem Fall zehn Euro glatt. Gelingt das nicht, ist für die nächste Zeit Schmalhans angesagt oder mit anderen Worten der Totalverlust eine ausgemachte Sache. Aus steuerlichen Gründen beträgt die „Rückzahlung“ dann 0,001 Euro. Etwas dazwischen gibt es nicht und ein Irrtum kann hier ganz schön teuer werden. Immerhin gilt dabei das Stichtagsprinzip, nach dem zwischenzeitliche Barrierenverletzungen nur dem Nervenkostüm des Investors, nicht aber dem Depotkonto unmittelbaren Schaden zufügen. Wie lukrativ beispielsweise ein StayHigh-Investment sein kann, zeigt ein aktueller Vergleich. So würde ein eher „defensives“ Produkt mit einem Knock-Out bei runden 7.000 Punkten (SG198E) und einer Laufzeit bis Mitte August eine Rendite von 27,06 Prozent abwerfen. Steigert man die Hürde ceteris paribus auf 7.250 (SG198F) oder sogar 7.500 Punkte (SG198G), was noch unterhalb des Jahreshochs vor wenigen Wochen bei 7.600 Punkten liegt, hätte man schon ein nettes „Zweiteinkommen“ von 56,49 bzw. 111,42 Prozent erzielt, von dem in so manchem Börsenbrief in ähnlichem Zusammenhang leider immer wieder gerne geschrieben wird. Fragt sich dabei nur, warum der Absender dann überhaupt noch einen solchen verfasst bzw. verfassen muss? Auf der Gegenseite können sich ähnlich famose Gewinne ergeben. So würde ein bis Mitte September laufender StayLow mit einem Knock-Out-Level bei 7.000 Punkten (SG1989) eine Rendite von 99,20 Prozent ermöglichen und auch eine Schwelle bei 7.250 Punkten (SG1988) würde den Optionsscheininhaber noch um 50,15 Prozent reicher machen. Das Problem bei dem Ganzen ist nur der Konjunktiv. Wem das Stichtagsprinzip noch zu „harmlos“ erscheint, kann auch zu den auf mehrere Basiswerte darunter auch z.B. Gold und Silber sehr reichhaltig angebotenen StayHigh- bzw. StayLow-Scheinen des gleichen Emittenten greifen. Aber Vorsicht, die Knock-Out-Barriere ist hier ständig aktiv!

Auf den „Treffer“ kommt es an

Möchte der Investor das Erreichen einer Schwelle bei End- bzw. StayHigh/Low-Optionsscheinen noch um jeden Preis vermeiden, um nicht wertlos ausgestoppt zu werden, so besteht gerade darin das Ziel bei den ebenfalls digitalen Produkten, die das Wörtchen „Hit“ im Namen tragen. Auch hier hat die Société Générale gerade wieder ganze Arbeit geleistet und mit den neuen Duo Korridor Hit-Optionsscheinen ihren jüngsten Spross auf die „Zockergilde“ losgelassen. Im Gegensatz zu den schon länger am Markt gehandelten einfachen „Korridor-Hits“ beziehen sich die 16 Neulinge mit DAX und Euro STOXX 50 gleich auf zwei Basiswerte. Da der Sinn dieser Spielart darin besteht, dass wenigstens einer der beiden Indizes zu irgendeinem Zeitpunkt während der Laufzeit eine in einem bestimmten Abstand zum Einstandskurs darüber und darunter plazierte Barriere „trifft“ und den dadurch aufgespannten Korridor zumindest ausreizt, stellt die Erweiterung auf zwei Underlyings gleichzeitig eine Erhöhung der Eintrittswahrscheinlichkeit gegenüber der Einprodukt-Variante dar. Allerdings nimmt dieser Effekt ab, je ähnlicher sich die beiden Werte sind, also je höher deren Korrelation zueinander ausfällt. Bei DAX und Euro STOXX 50 dürfte diese trotz des relativen Auseinanderdriftens im vergangenen Jahr ziemlich hoch sein, was hier zu keinem allzu großen Vorteil für den Investor führen sollte. Der in diesem Zusammenhang gebrauchte Satz von Zertifikateexperte Sebastian Bleser von der Socgen „Der Anleger ist damit weniger anfällig für das spezifische Verhalten eines Underyings …“, ist deshalb im konkreten Fall durchaus zu relativieren. Sicherlich nicht diskutabel ist dagegen die besondere Eignung von (Duo) Korridor Hit-Optionsscheinen, um z.B. auf eine steigende Volatilität zu setzen, da sich deren Wert dann zusätzlich erhöhen dürfte, weil u.a. auch die Wahrscheinlichkeit eines Schwellenereignisses zunehmen wird.

Das verwegene Korridorspiel im Einzelnen

Aber auch zu dieser Spielart eine kleine Kostprobe: Nimmt man z.B. ein bis Dezember laufendes Papier (SG199M) mit Barrieren oder wie es in der Fachsprache heißt „Trigger-Leveln“ von +/-10 Prozent um die beiden Einstandskurse von 7.350 (DAX) und 2.875 Punkte (Euro STOXX 50), so ergibt sich daraus eine Rendite-Chance von nicht einmal 1,8 Prozent. Erhöht man die Korridorbreite auf +/-20 Prozent (SG199R), kann man dagegen gleich eine exorbitante Rendite von rund 103 Prozent erzielen. Der DAX müsste dazu aber beispielsweise schon auf 5.880 Zähler abrutschen oder stattdessen mit einem Stand von 8.820 Punkten selbst viele Optimisten-Schätzungen schlagen. Potentielle Investoren könnten deshalb je nach ihrer individuellen Markterwartung auch einen Korridor dazwischen nehmen wie z.B. bei +/-12,5 Prozent (SG199E), der vom DAX Kursziele von 6.431,25 bzw. 8.268,75 Zähler verlangen würde, um die erhofften zehn Euro und damit eine Rendite von rund 65 Prozent einzustreichen, da auch hier ansonsten der Totalverlust droht. Zu allem Überfluss gibt es bei der Société Générale übrigens auch noch Duo StayHigh/Low-Optionsscheine und das ganze Varianten-Spektrum bezogen auf Inline-Papiere, dem genauen Gegensatz zu den dargestellten Korridor Hit-Optionsscheinen.

Der BörseGo Tipp:

Wegen der extrem hohen Gefahr, den Kapitaleinsatz ganz kurz und schmerzvoll weil digital zu verlieren, ist für die meisten Exoten-Scheine trotz ihrer relativ einfachen Funktionsweise ein hohes Maß an Börsenerfahrung vonnöten, wobei sich neben reinem „Zocken“ auf die eine oder andere Marktentwicklung durchaus auch Kombinationen beispielsweise in Verbindung mit anderen Finanzinstrumenten z.B. unter Absicherungsgesichtspunkten anbieten können. Zum Teil lässt sich damit auch ganz gezielt mit der Volatilität spielen. Flatex hat dazu auch noch die passende Freetrade-Aktion im außerbörslichen Direkthandel bis Ende 2015 laufen, die sich ausschließlich auf die Exoten der Société Générale bezieht. Allerdings muss der Investor dabei mindestens einen Betrag von 1.000 Euro „opfern“, da der Deal bei einer geringeren Orderhöhe ansonsten mit den üblichen Transaktionsgebühren über die Bühne geht. Apropos Kosten - Investoren sollten sich bei so manchem billig erscheinenden Exoten die Geld-/Briefspanne ansehen, die hier schnell einmal im höheren zweistelligen Bereich liegen kann.

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/zertifikate

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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