Kommentar
07:40 Uhr, 05.08.2016

Vorsicht Depotcheck: 5 Urlaubstipps für Ihr Portfolio unter der Lupe

Zu Beginn der Ferienzeit kommt ein ganz beliebtes Thema auf Börsenseiten und in Finanzmagazinen auf: „Wie man sein Depot urlaubsfest macht!“ Den dort gemachten Empfehlungen sollte man als rationaler Anleger nicht unkritisch begegnen und die Tipps auf den Prüfstand stellen.

1. Das Depot mit Stop-Loss-Orders absichern

Stopp-Orders sind eine der beliebtesten Ratschläge für ein „urlaubsfestes“ Depot. Die Idee ist wunderbar. Während man mit der Familie oder Freundin sowohl örtlich als auch mental weit entfernt der Heimat weilt, werden die Wertpapiere durch eine vordefinierte Verkaufsorder gegen unliebsame Abwärtsbewegungen an den Börsen geschützt. Sollten die Märkte also in Abwesenheit stark fallen, würden die Aktien oder Fonds automatisch verkauft werden. Nach dem Urlaub könnte man dann zu günstigeren Kursen wieder kaufen.

Das Problem ist, dass Stop-Loss-Orders nicht per se einen Vorteil bringen. Für Privatanleger sind laut verschiedener Anlegerstudien Stop-Loss-Orders eher nachteilig, da sie aktives Handeln fördern und höhere Tradinggebühren erzeugen. (1)

Für professionelle und sehr aktive Anleger können Stop-Loss-Orders durchaus einen Vorteil bringen und zu einer Outperformance führen, wie verschiedene Studien gezeigt haben. (2) Dabei handelt es sich jedoch immer um ausgefeilte Handelsmodelle, die eine aktive Betreuung fordern. Für den Urlaub also keine Option.

2. Aktien im Abwärtstrend verkaufen

„The Trend is your Friend“ – gemäß dieser Börsenweisheit wird für ein urlaubsfestes Depot oft empfohlen, Wertpapiere, die sich gerade in einem Abwärtstrend befinden zu verkaufen, da die Wahrscheinlichkeit für weiter fallende Kurse erhöht ist. Das ist gar nicht mal so verkehrt, im Prinzip. Nachweislich gibt es diesen sogenannten Momentum-Effekt an der Börse, wonach schwache Papiere tendenziell eher weiter fallen und starke Papiere eine höhere Wahrscheinlichkeit für weiter steigende Kurse aufweisen.

Außen vor lässt diese Empfehlung jedoch, warum eine Aktie oder ein Fonds ursprünglich gekauft wurde. Antizyklische Value-Investoren, die versuchen unterbewertete Unternehmen günstig zu erwerben, werden so gut wie immer Aktien in einem Abwärtstrend kaufen. Für antizyklische Schnäppchenjäger wäre diese Empfehlung also fatal.

Auch rationale Privatanleger, die eine Buy-and-Hold-Strategie mit Indexfonds verfolgen, wären mit dieser Empfehlung schlecht beraten. Sollten sich die Fonds in einem Abwärtstrend und somit in einem Tief befinden, so wäre dies für jene Anleger eher eine Gelegenheit zuzukaufen, statt zu verkaufen. Ein Abwärtstrend ist also nicht zwingend und für jeden ein Grund zum Verkaufen.

3. Eine Depotvollmacht erteilen

Diese Empfehlung zielt darauf, einem vertrauten Bekannten oder Verwandten zu bitten, während der Abwesenheit nach den eigenen Wertpapieren zu schauen und im Zweifel zu reagieren. Ohne hier empirische Belege vorweisen zu können, bin ich mir ziemlich sicher, dass dieses Vorgehen in der Mehrzahl schief geht. Ein Freund wird immer anders reagieren als Sie. Sollte man sich telefonisch absprechen, so wäre die Börse gleich wieder mit am Urlaubsort dabei und der Erholungseffekt zunichte.

4. Einen grundlegenden Depotcheck vornehmen

Um das Depot urlaubsfest zu machen, wird oft geraten, alle Wertpapiere einer eingängigen Prüfung zu unterziehen. Welche Aktien und Fonds passen noch zur Strategie und welche „Leichen“ sollten entfernt werden. Diese Empfehlung gefällt mir bisher am besten. Überhaupt sollten sich keine Wertpapiere im Depot befinden, die nicht zur eigenen Strategie passen. Ob Sie diese vorm Urlaub oder vor Weihnachten entfernen, ist da nachrangig.

Sollte Ihr Depot bereits auf Kurs sein, so bietet sich ein regelmäßiges „Rebalancing“ an. Dieses Vorgehen ist nachweislich renditefördernd. (3)

Anhand vordefinierter Parameter oder Zeiträume bringen Sie Ihr Depot damit zurück auf die vorher festgelegte Zielallokation. Haben Sie beispielsweise 50 % Aktien und 50 % Gold in Ihrem Depot und die Aktien sind im letzten halben Jahr 10 % gefallen und das Gold ist um 10 % gestiegen, so macht es Sinn, beide Anlageklassen wieder auf die ursprüngliche Depotverteilung zurückzuführen, also Aktien zuzukaufen und Gold zu verkaufen.

Dieses Vorgehen sorgt dafür, dass Sie antizyklisch Kaufen und Verkaufen.

Wichtig dabei ist, dass man sein Depot entweder an regelmäßigen Stichtagen untersucht, z.B. einmal im Jahr – gerne auch vorm Jahresurlaub, oder wenn eine vorbestimmte, prozentuale Gewichtung über- oder unterschritten wurde, z.B. 5 % oder 10 %.


5. Gewinne mitnehmen

Eine beliebte Strategie ist vor dem Urlaub das gesamte Depot, vor allem wenn es im Gewinn liegt, zu verkaufen. Mit einer gefüllten Urlaubskasse fährt es sich dann ganz entspannt in die Ferien, so die Theorie. Das Problem beim Verkaufen ist, dass jede Transaktion an der Börse zwei Seiten hat. Wer kauft, möchte irgendwann auch wieder verkaufen. Wer verkauft, möchte wahrscheinlich auch irgendwann wieder kaufen.

Es stellt sich die große Herausforderung des richtigen „Market Timings“. Sie müssen also nicht nur eine Entscheidung treffen, sondern mindestens zwei. Umso aktiver Sie an der Börse sind, desto mehr Entscheidungen müssen Sie treffen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man bei jeder Entscheidung richtig liegt?

Studien haben gezeigt, dass man mindestens zu 74 % bei seinen Market Timing Entscheidungen richtig liegen muss, um überhaupt den Markt, also z.B. den DAX oder den S&P 500, zu schlagen (4)

Schaffen tun das die wenigsten. (5)

Fazit

Der in der Presse beliebte und empfohlene Depotcheck vor dem Urlaub darf Sie gerne daran erinnern, einen Blick auf Ihre Strategie oder Allokation der einzelnen Vermögensklassen zu werfen. Viele empfohlenen Maßnahmen, wie z.B. Stop-Loss-Orders oder Verkäufe von Wertpapieren, können meines Erachtens nach nicht pauschal angewendet werden. Wenn Sie bereits eine klare Strategie bei Ihrer Depotaufstellung verfolgen, dann können Sie viele Tipps getrost ignorieren. Passive Investoren mit Indexfonds könnten einen Blick auf ihre strategische Allokation werfen und überprüfen, ob ein „Rebalancing“ erforderlich ist.

Viele Grüße
Jakob Penndorf

--

(1) Vom zweifelhaften Nutzen der Stop-Loss-Order. Handelsblatt-Artikel vom 25.07.2011, abgerufen am 03.08.2016 
(2) Truths about stop-losses that nobody wants to believe. Online-Artikel auf Quant-Investing vom 16.02.2015, abgerufen am 03.08.2016 
(3) Rebalancing bei der Geldanlage in Aktien. Wie sich Anleger vor dem Crash an der Börse schützen.Tagesspiegel-Artikel vom 02.03.2016, abgerufen am 03.08.2016 
(4) Anlegerfalle Market Timing: Der Markt lässt sich nicht vorhersehen. Blogbeitrag der Quirin Bank vom 25.04.2013, abgerufen am 03.08.2016 
(5) Why market timing doesn't work. Kolumne auf Marketwatch vom 23.10.2013, abgerufen am 03.08.2016 

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Über den Experten

Jakob Penndorf
Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

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