Vom iPhone und der freien Marktwirtschaft
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In London hat letzte Woche unter dem Motto „Mission-Oriented Finance“ eine hochkarätig besetzte Konferenz stattgefunden, wie man sie ausgehend von diesem Epizentrum der Finanzwelt eher nicht erwarten würde.
Mariana Mazzucato, Organisatorin des Events, fasst die Ausgangsproblematik so zusammen:
„We have focused on fixing finance, while leaving the ‘real’ economy as sick as before. This is setting up the next bubble. Financial reform and innovation policy must go hand in hand because innovation requires more long-term committed finance, and a de-financialized private sector. We should not just talk about ‘eco-systems’ of innovation, but specify concrete ways to make those eco-systems more symbiotic and less parasitic.“
Laut Mazzucato ist das Finanzsystem alleine nicht in der Lage, sich vom kurzfristigen Fokus auf Rendite zu lösen, um die Mittel für langfristig vielversprechende aber hochriskante Innovationen bereitzustellen, und fordert deshalb eine weitaus stärkere Rolle des öffentlichen Sektors.
Noch mehr Eingriff in die Marktwirtschaft? Dieser Gedanke stößt dem einen oder anderen (inklusive mir) sicherlich stark auf, aber die Argumente dafür sind ernst zu nehmen und nicht so einfach von der Hand zu weisen.
Das iPhone – Produkt der Planwirtschaft?
Die USA tragen gerne den Nimbus des freien Unternehmertums und eines deshalb allen anderen Nationen überlegenen Wirtschaftssystems vor sich her, und tatsächlich ist die Innovationskraft der Weltmacht legendär.
Wohl keine Volkswirtschaft ist wie die amerikanische in der Lage die Menschheit quasi am Fließband mit segensreichen Erfindungen zu beglücken für die das iPhone jüngstes und Plastik gewordenes prominentes Symbol ist.
Das Smartphone - Ausdruck einer neuen Ära, gestiftet von „Corporate America“ via Apple an die Welt? Leider hakt diese Erzählweise etwas..
Das smarte Telefon steht eben nicht unbedingt für die Innovationsgewalt des Privatsektors, da der überwiegende Teil der Grundlagenforschung von öffentlichen Einrichtungen wie zum Beispiel dem US-Militär gestemmt wurde.
Unternehmen wie Apple ernten also im Prinzip lediglich die Früchte von massiven staatlichen Interventionen, welche teilweise schon Jahrzehnte in der Vergangenheit liegen, und tragen gleichzeitig nur wenig zur Aufrechterhaltung der schöpferischen Kräfte bei, sondern investieren ihre Milliarden anstatt in Investition und Entwicklung lieber in Aktienrückkäufe, oder parken sie praktischerweise gleich ganz im Finanzsystem – beides nicht unbedingt Ausdruck von strategischem Denken zum Wohle des langfristigen Allgemeinwohls.
Der Staat auf der anderen Seite ist aufgrund seiner hoffnungslosen Überschuldung ebenfalls nicht mehr zur Neuauflage vergangener Glanztaten in der Lage, und verbuttert seine Billionen lieber mit der Rettung eines Finanzsystems, welches sich zunehmend überlebt hat, anstatt in zukunftsweisende Projekte zu investieren.
Mazzucato verweist hier ausdrücklich auf die amerikanischen Ausgabenkürzungen (Sequestration) und den europäischen Stabilitätspakt – beides Maßnahmen mit langfristig negativen Auswirkungen auf zukünftiges Wachstum.
Im Laufe der Konferenz wurden viele interessanten Ansätzen zur Lösung dieses Dilemmas geboren und eine Reihe an lesenswerten Aufsätzen verfasst.
Ob „Inclusive Capitalism“ oder „Mission Finance“ - es ist zu spüren, wie London bei der Neuerfindung des Kapitalismus eine Vorreiterrolle einfordern will und unabhängig von der eigenen Meinung zu den vorgestellten Rezepten ist es spannend zu verfolgen, dass es auch innerhalb des angelsächsischen Finanzsystems durchaus ernsthafte Bestrebungen gibt, vorhandenen Ungleichgewichten proaktiv zu begegnen.
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Wenn man, wie Laut Mazzucato fordert, dass der öffentliche Sektor eine stärkere Rolle bei hoch riskanten Innovationen übernehmen soll, so übersieht er nach meiner Überzeugung folgendes:
1. Alle Mittel, die der öffentliche Sektor einsetzten kann, müssen vorher anderen über Steuern eingenommen werden. Damit wird Eigentum anders verteilt als es sich durch das Handeln der Menschen auf dem Markt ergeben hat. Wenn das Eigentum anders verteilt wird, „dann würden minder tüchtige Wirte, deren Wirken weniger ergiebig ist, einen Teil der Produktion kommandieren; das müßte die Menge der Produkte vermindern“ (Ludwig von Mises), was weniger Wohlstand bedeutet. Wirtschaftlich tüchtigen Wirten wird vom Staat Geld genommen, und es minder tüchtigen Wirten, im Sinne von produktiv, wertschöpfend, wird es als Einkommen und Vermögen zugeteilt. Genau das erleben wir ja seit Jahren insbesondere in Europa.
2. Wenn behauptet wird, dass „der überwiegende Teil der Grundlagenforschung von öffentlichen Einrichtungen wie zum Beispiel dem US-Militär gestemmt wurde“, so kann jedoch niemand wissen, was private Unternehmer an Grundlagenforschung hätten betreiben können, wenn die Mittel in privaten Händen geblieben wären und diese Mittel vom Staat den „tüchtigen Wirten“ belassen worden wären und der Staat ihnen hier nicht unlautere Konkurrenz gemacht hätte, denn Unternehmer können ja nicht wie die öffentliche Hand über Zwang ihre Mittel eintreiben. Und wenn man bedenkt, wie wenig Prozente der Mittel, die das Militär in den USA erhält in nützliche Grundlagenforschung gehen und wie viele Prozente der Mittel nur dem Zweck der Zerstörung zugeführt werden (z.B. Los Alamos), so ist die Bilanz dieses öffentlichen Sektors bezüglich Grundlagenforschung als miserabel zu betrachten.
An dieser Stelle sei auch auf den Essay von Frédéric Bastiat „Was man sieht und was man nicht sieht“ verwiesen.
Dass Unternehmen wie Apple nur wenig zur Aufrechterhaltung der schöpferischen Kräfte beitragen, kann ich nicht nachvollziehen, denn in all der Zeit, in der Steve Jobs das Unternehmen führte, hat es sehr wohl immer wieder beispiellose Innovationen hervorgebracht. Hier zeigte sich ganz besonders, wie viel Bedeutung einer großen Unternehmerpersönlichkeit zukommt. Keine öffentliche Einrichtung hat je diese Befriedigung von Konsumentenwünschen durch Innovationen hervorgebracht, wie der geniale Unternehmer Steve Jobs. Wenn Apple Milliarden anstatt in Investition und Entwicklung lieber in Aktienrückkäufe, oder gleich ganz im Finanzsystem parken, so tut das seiner Innovationskraft keinen Abbruch und ist Ausdruck von strategischem Denken.
Zu bedenken ist auch, dass es nicht die großen Unternehmen sind, die besonders innovativ sind, sondern junge Unternehmer, die von einer Idee überzeugt sind. Und hier sind etablierte Unternehmen auch sehr hilfreich, denn sie stellen über eigene oder externe Venture Kapitalunternehmen gerade diesen jungen Unternehmen die Mittel zur Verfügung, die sie benötigen.
„Today, corporate venture capital (CVC) is increasingly regarded by organisations as a vital weapon in their entrepreneurial and innovation armoury. According to one 2009 study, around 20 per cent of the Fortune 500 have created a CVC unit.“ (http://innovation.london.edu/resource/117/index.html )
Es kann also überhaupt nicht davon die Rede sein, dass Unternehmen nur wenig zur Aufrechterhaltung der schöpferischen Kräfte beitragen.
„Neuerfindung des Kapitalismus“?
Kann man denn wirklich von der „Neuerfindung des Kapitalismus“ sprechen, wenn man sich den Ökonomen zuwendet, an deren Lehren sich Regierungen bisher orientierten, wie John Maynard Keynes, und wenn man schreibt: „We have found it useful to synthesis the main contributions of three of the 20th century’s greatest thinkers: John Maynard Keynes, Josef Schumpeter, and Hyman P. Minsky.“ Man also diese Ökonomen für die größten Denker hält. Da möchte ich als „Austrian“ meine begründeten Zweifel zum Ausdruck bringen. Vor allem wenn man sich auf Keynes beruft, indem man darauf verweist, „Keynes also argued that saving is not the source of finance,“. Wenn dann auch noch Karl Marx positiv erwähnt wird, bekomme ich sooo einen Hals.
Da nützt dann auch keine „synthesis the main contributions“ dieser Denker.
Sehr geehrter Herr Hauser,
Was unser Finanzsystem dringend benötigt, ist etwas mehr Resilienz und etwas weniger Effizienz.
Mit anderen Worten: gerade die Euroländer brauchen nicht den Euro, der die Finanzströme zwar frei von währungsschwankungen lenkt, gleichzeitig aber eine hohe Ansteckungsgefahr für alle beteiligten Mitglieder in punkto Schuldenhaftung und fehlender individueller Anpassung an die reale Wirtschaftslage aufweist.
Eine eigene Währung für jedes Land hingegen kann und soll man der Wirtschaftsleistung entsprechend regulieren. Somit liegt der Fokus wieder auf der Wirtschaftsleistung und der real erarbeiteten Leistung. Dem hat sich die Währung unterzuordnen und damit auch die Gläubiger. Sie sind Diener des Wirtschaftssystems und nicht die Herren!!!
Das Grundproblem unseres Systems liegt in dem Primat der Geldgeber, das mit der bedingungslosen Bedienung der Schulden eines völlig verkennt:
der "Schöpfer" der Werte ist der Qualifizierte, mit seinen Bedürfnissen und denen seiner anvertrauten Menschen. Er ist eigentlicher Dreh- und Angelpunkt der Wirtschaft. Er befriedigt seine Bedürfnisse mit seiner Arbeit. Geld soll den Tausch dieser Güter effizienter gestalten, mehr nicht.