Kommentar
16:50 Uhr, 11.04.2017

Volatilität im Ausnahmezustand

Die Volatilität ist aktuell in mehrerer Hinsicht im Ausnahmezustand. Wie lange kann das gutgehen?

Die Volatilität ist in Europa und den USA derzeit ungewöhnlich niedrig, obwohl sie in den letzten Tagen etwas anstieg. Grafik 1 zeigt den S&P 500 Volatilitätsindex VIX mit seinem Durchschnittswert. Der Index ist dabei nicht nur deutlich unterhalb des Durchschnitts, sondern auch am absolut unteren Rand der Range der letzten 26 Jahre.


So lange wie in den letzten Wochen hat sich der VIX bisher noch nie um den Wert von 10 bis 13 herum entwickelt. In den letzten zwei Wochen löste sich der Index wieder ein wenig von diesen Tiefs, doch noch immer bleibt der Wert auf ungewöhnlich tiefem Niveau. Das ist suspekt.

Das Ganze ist aus mehreren Gründen ungewöhnlich. Einerseits mangelt es nicht an Unsicherheitsfaktoren, andererseits hat die tatsächliche Schwankungsbreite des Marktes zugenommen. Der VIX selbst zeigt die Volatilität aufgrund von Optionspreisen. Der Index zeigt also nicht die tatsächliche Schwankungsbreite, sondern die vom Markt erwartete.

Dabei gibt es jedoch ein Problem. Der Preis von Optionen impliziert zwar meist einen sinnvollen Volatilitätswert, doch das gilt nicht ausnahmslos. Im Normalfall fragen Anleger Optionen nach, um sich vor großen und unerwarteten Bewegungen am Aktienmarkt abzusichern. Da der Markt sehr ruhig ist, kaufen viele diese Absicherungen nicht mehr, sondern verkaufen sie.

Es gibt durch diesen Wechsel vom Kauf von Optionen zum Verkauf ein hohes Angebot an Optionen. Dieses drückt die Preise der Optionen, sodass auch die implizite Volatilität niedrig ist. Solange der Markt ruhig bleibt, ist das ein gutes Geschäft. Bewegt sich der Markt nicht vom Fleck, können die Verkäufer von Optionen die Optionsprämie als Gewinn verbuchen. Auch wenn diese Prämie nicht mehr sehr hoch ist, so bleibt es ein gutes Geschäft – eben solange die Volatilität niedrig bleibt.

Abnehmer des Angebots sind Investmentbanken. Diese zahlen die Optionsprämie. Natürlich ist das Interesse gering die Optionen einfach wertlos verfallen zu lassen. Daher werden die Optionen abgesichert. Die Basiswerte werden zur Absicherung gekauft. Hat eine Bank ihrem Kunden z.B. eine Verkaufsoption auf VW Aktien abgenommen und fällt die VW Aktie, so verliert die Bank zwar auf dem Basiswert (der Aktie), gewinnt dafür aber bei der Option und umgekehrt.

Durch die Absicherung der Banken (Kauf der Basiswerte), bleibt die Nachfrage nach Aktien hoch. Diese Nachfrage hat einen positiven Effekt auf die Schwankungsbreite des Marktes. Diese wird systematisch niedrig gehalten.

Wir erleben derzeit so eine Art Zirkelschluss: weil die Volatilität niedrig ist, werden Optionen verkauft. Das führt indirekt dazu, dass diese niedrig bleibt, weil die Käufer dieser Optionen (Banken) sich durch Käufe der Basiswerte absichern. Das wiederum macht das Verkaufen von Optionen noch interessanter, weil der Markt extrem ruhig bleibt.

Ewig geht dieses Spiel nicht weiter. Ruhige Phasen werden häufig von heftigen Anstiegen der Schwankungsbreite beendet. In diesem Fall wendet sich das Blatt komplett. Die bisherigen Verkäufer von Optionen wollen dann plötzlich keine Optionen mehr verkaufen, sondern sich selbst absichern, also Optionen kaufen. Durch diesen Nachfrageanstieg steigen die Optionsprämien sprunghaft an und führen zu einem massiven Anstieg der Volatilität, die sich ja aus den Optionspreisen ableitet.

Der Markt ist momentan verzerrt. Wie verzerrt er ist, zeigt Grafik 2. Aufgrund der Differenz der Volatilität, die auf Sicht von einem Monat und auf Sicht von drei Monaten vorhergesagt wird, sollte der VIX eigentlich bei 19 stehen und nicht im Bereich von 13. Man sieht, dass die Streuung sehr groß ist. Abweichungen sind relativ normal. Die Abweichung ist aktuell jedoch besonders groß. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn sich die Lage wieder normalisiert, indem die Volatilität ansteigt.

Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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