Vietnam & Kambodscha: Die großen Unbekannten
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London (GodmodeTrader.de) - Für viele Anleger zeichnen sich Grenzmärkte vor allem durch Unsicherheit, instabile Regierungen, volatile Währungen und fragwürdige Corporate-Governance-Praktiken aus. Wir hingegen sind etwas anderer Meinung. Durch die breite Abneigung vieler Anleger ergeben sich aus Bottom-up-Sicht mit Blick auf alle Assetklassen viele attraktive Anlagegelegenheiten, wie Charles Sunnucks, Assistant-Fondsmanager Emerging Markets bei Jupiter Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.
Vietnam und Kambodscha beispielsweise seien Grenzmärkte, die in den letzten 50 Jahren weitestgehend von Auslandsinvestitionen und dem Außenhandel abgeschottet gewesen seien. Deshalb hinkten sie gegenüber vergleichbaren Ländern der Region in ihrer Entwicklung hinterher. Beide Länder führten jedoch gerade Reformen durch und schafften dabei Möglichkeiten für Unternehmen, die sich anpassten und von Veränderungen profitieren könnten, heißt es weiter.
„Vietnam ist in seiner politischen Struktur immer noch ein kommunistischer Einparteienstaat, in dem die Tage der Planwirtschaft aber inzwischen gezählt sind. Es existiert mittlerweile eine prall gefüllte IPO-Pipeline mit Staatsunternehmen, die sehr an ausländischem Kapital interessiert sind, und unter den bereits börsennotierten Unternehmen gibt es einige, die sich gegenüber den zuständigen Ministerien leidenschaftlich für mehr Autonomie einsetzen. Die Beteiligung ausländischer Anleger am Aktienmarkt wird seit jeher durch Obergrenzen beschränkt, um den Auslandsbesitz zu kontrollieren“, so Sunnucks.
Die Politik sei inzwischen aber so weit, dass sie die Besitzgrenzen für Ausländer langsam anhebe, bei einigen Unternehmen seien diese Beschränkungen bereits ganz abgeschafft worden. Mit dem besseren Marktzugang stiegen auch Vietnams Chancen, den Sprung vom „Frontier Market“ zum „Emerging Market“ zu schaffen – eine Entwicklung, die mit der Zeit zu niedrigeren Finanzierungskosten für Unternehmen führen dürfte und angesichts des wirtschaftlichen Fortschritts bereits überfällig sei, heißt es weiter.
„Der Aufstieg Vietnams in den letzten zehn Jahren verlief alles andere als reibungslos. Von der Weltfinanzkrise 2008 getroffen, musste das Land im Jahr 2012 wegen einer exzessiven öffentlichen Kreditaufnahme auch noch einen ausgeprägteren Kreditzyklus über sich ergehen lassen. Aufgrund von Vorschriften, die den jährlichen Ausweis fauler Kredite beschränken – ein beklagenswertes Überbleibsel des staatlich kontrollierten Bankensystems – hat sich die Ertragskraft vieler vietnamesischer Banken erst in jüngster Zeit wirklich zu erholen begonnen. Das aktuelle Umfeld aus besser kontrollierter Inflation und einem sich beschleunigenden Kreditwachstum hat zu einer Zeit, in der die Erträge wieder steigen, dem Sektor sogar einen regelrechten Aufschwung beschert“, so Sunnucks.
Doch obwohl es einige positive strukturelle Veränderungen gebe – wie eine verbesserte Regulierung und die Abkehr von einer übermäßigen Kreditvergabe an Unternehmen in Staatsbesitz –, existiere weiterhin eine Reihe von Kreditpraktiken, die kontraproduktiv seien. Wenn zudem die gegenwärtigen Kreditwachstumsraten weiter Bestand haben sollten, würden die meisten Banken beträchtliches Kapital aufnehmen müssen. Die Kreditaufnahme der Verbraucher schließlich möge zwar von einem niedrigen Ausgangsniveau erfolgen; das zuletzt anziehende Wachstum und die begrenzte Erfassung durch Kreditauskunfteien deuteten jedoch darauf hin, dass sich in puncto Aktivaqualität bereits neue Herausforderungen anbahnten, heißt es weiter.
„Die Möglichkeit, vom Aufstieg Vietnams zu profitieren, ist nicht nur auf das Land selbst beschränkt. Tatsächlich gibt es zahlreiche Unternehmen in der Region, die ihre Produktions- oder Vertriebskapazitäten zunehmend nach Vietnam verlagern. Im jüngsten „Ease of Doing Business“-Ranking der Weltbank mit 190 Ländern stieg Vietnam um 14 Plätze auf Rang 68 und nach dem Willen der Führung des Landes soll Vietnam eine der vier investorenfreundlichsten Volkswirtschaften in Südostasien werden. Dies und die Tatsache, dass die vietnamesischen Löhne nach wie vor nur ein Drittel so hoch sind wie in Chinas Küstenstädten, machen das Land zu einem sehr attraktiven Ziel für Anlageinvestitionen“, so Sunnucks.
Der verstärkte Handel habe jedoch auch Folgen gehabt, die als umstrittener gelten würden, wie etwa die intensiven Investitionen Chinas. Diese bestünden zu einer Zeit, in der die Beziehungen wegen konkurrierender Seegrenzansprüche ohnehin schon belastet seien. Über die chinesische Infrastrukturinitiative „One Belt, One Road“ herrsche in Vietnam folgende Meinung: Wenn Du die „Straße“ nicht akzeptierst, bekommst Du den „Gürtel“, heißt es weiter.
„Kambodscha ist anders. Das Land ist für die chinesischen Investitionen sehr empfänglich gewesen – nicht zuletzt deshalb, weil sie im Unterschied zu manchem westlichen Kapital an keine demokratischen Reformforderungen gebunden sind. Trotz seiner schwach ausgebauten Infrastruktur und gering qualifizierten Erwerbsbevölkerung hat sich Kambodscha als Ziel für Niedriglohnbeschäftigungen im Textilbereich als äußerst konkurrenzfähig erwiesen, da das Land über junge und somit günstige Arbeitskräfte verfügt“, so Sunnucks.
Von der jüngeren Vergangenheit Kambodschas einmal abgesehen, verfüge das Land über eine reiche Geschichte mit insgesamt drei Weltkulturerbe-Stätten, was es zu einem beliebten Urlaubsziel mache. 2016 habe der Reise- und Tourismussektor Schätzungen zufolge insgesamt fast 30 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beigetragen und rund ein Viertel der Arbeitsplätze seien hier angesiedelt. Das weitere Wachstum in der Tourismusbranche zu fördern, sei ein Kernelement von Kambodschas Entwicklungsagenda. Dabei wolle man vor allem noch mehr Besucher aus China anziehen – ein Land, das bereits rund ein Fünftel aller Touristen stelle und dessen Besucherzahlen sich dank neuer Flugrouten laut Prognosen bis 2020 verdoppeln sollten. Das Universum der börsennotierten Aktien sei in Kambodscha allerdings sehr begrenzt und es gebe nur wenige attraktive Anlagegelegenheiten. Anleger könnten aber trotzdem am steigenden Tourismus partizipieren, wenn auch nur über Unternehmen, die im Ausland gelistet seien, heißt es weiter.
„Kambodscha und Vietnam sind zwei Länder, in denen verschiedene Risiken zusammenkommen, aber auch vielfältige Chancen erkennbar sind. Die Unterscheidung, ob Wachstum von günstigen zyklischen Faktoren oder einem zugrundeliegenden Strukturwandel herrührt, wird bei der Beurteilung der Entwicklungsqualität und der Vermeidung von Spekulationsblasen weiter eine Schlüsselrolle spielen. Die Transformation dieser Länder mag nicht für alle Unternehmen positiv sein. Jenen aber, die über ein robustes Geschäftsmodell verfügen und für strukturelle Veränderungen positioniert sind, entstehen deutlich größere Wachstumschancen, als in den die meisten anderen Schwellen- und entwickelten Märkten“, so Sunnucks.
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