Kommentar
06:00 Uhr, 28.11.2020

Viel Glück Großbritannien!

Bald ist der Brexit vollbracht. Viele freut es. Aus wirtschaftlicher Sicht kann man Großbritannien nur viel Glück wünschen. Es wird es brauchen.

Ohne die EU und damit letztlich den europäischen Freihandelsraum wird die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung nicht einfacher. Großbritannien hat von der EU eigentlich profitiert. Vor dem Beitritt in den 70er Jahren war Großbritannien in Europa und der Welt Schlusslicht. Das Pro-Kopf-Einkommen stieg besonders langsam (Grafik 1).


Nach dem Beitritt ändert sich das. Großbritannien blieb nicht mehr zurück, sondern konnte sich sogar einen Spitzenplatz in der Entwicklung sichern (Grafik 2). Das ist keine Überraschung, sondern eine vorhersehbare Entwicklung. Es gibt gute Gründe, weshalb sich immer mehr Ländern in Wirtschaftsräumen zusammentun.

Für Großbritannien lief es nach Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht noch besser. Das Land hatte für sich einige Sonderbedingungen ausgehandelt. In Europa erreichte Großbritannien so plötzlich den Spitzenplatz (Grafik 3). Diesen Erfolg wollte Großbritannien nun auch ohne die EU fortführen.

Das Maximalziel wurde jedoch bei weitem nicht erreicht. In diesem Fall hätte sich Großbritannien größtenteils nicht an die Regeln im europäischen Wirtschaftsraum halten müssen, aber dennoch vom Wirtschaftsraum profitieren können. Jeder Wirtschaftsraum dieser Welt hat bestimmte gemeinsame Regeln. Ohne diese ist die ganze Idee eines Wirtschaftsraums hinfällig.

Für die Mitglieder müssen ähnliche Bedingungen gelten. Ist das nicht der Fall, entstehen Wettbewerbsvorteile. Muss ein Land teure Umweltstandards einhalten, ein anderes jedoch nicht, kann eines der beiden Länder günstiger produzieren und hat einen Vorteil.

Sich auf gemeinsame Regeln zu einigen ist schwierig. Die Verhandlungen zu solchen Abkommen dauern daher viele Jahre. Das Interesse an Freihandelszonen und Wirtschaftsräumen ist jedoch groß. Die Vorteile für die wirtschaftliche Entwicklung sind enorm. Auch die Opportunitätskosten sind hoch.

Schließen sich alle anderen Länder zusammen und eines ist nicht dabei, findet über unterschiedliche Regulierung automatisch eine Ausgrenzung statt. Die wirtschaftliche Entwicklung des Außenseiters ist stark eingeschränkt. Für Großbritannien ist das nicht anders. Daher wird versucht, in Eile möglichst viele Abkommen auszuhandeln.

Der größte Erfolg war ein Freihandelsabkommen mit Japan. Das ändert jedoch nichts daran, dass Großbritannien nicht mehr Teil von einem der drei großen Wirtschaftsräume ist. Das sind USMCA (NAFTA Nachfolger für USA, Mexiko, Kanada), der europäische Wirtschaftsraum innerhalb der EU und neuerdings RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership). Letzteres wurde gerade unterschrieben. Von Neuseeland bis China und Japan gehört fast jedes Land in Südostasien dazu. Dass gerade China in ein solches Abkommen mit einsteigt, sagt viel aus. China ist für sich allein ein großer Markt. Dennoch sieht die Regierung Vorteile in der Partnerschaft.

Großbritannien ist nun erst einmal auf sich alleine gestellt. Einzelne Abkommen können die Teilnahme in einem der großen drei Wirtschaftsräume nicht ersetzen. Die wirtschaftliche Entwicklung wird vermutlich wieder dorthin zurückfallen, wo sie vor dem Beitritt in die europäische Gemeinschaft war, also unterdurchschnittlich. Man kann dem Land nur viel Glück wünschen. Alleine wird es nicht einfacher.

Clemens Schmale


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  • Gargol
    Gargol

    Das gilt fast alles auch für die Schweiz, da gibt es keine Probleme mit Verträgen. Die Probleme macht die EU ggü. GB bewusst, muss sie doch zeigen, wie schlecht es einem Land geht, das es wagt die Gemeinschaft zu verlassen. GB will das nicht akzeptieren und betreibt sicher auch Cherry Picking, ist man doch wieder zur Splendid Isolation, die GB über viele Jahrhunderte hatte, teilweise zurückgekehrt. Ihr Artikel ist selektiv von der Argumentation her, da die Vorteile eines nicht auf EU-Vorgaben gegründeten wirtschaftens nicht beleuchtet werden. Ob die Mitgliedschaft in der EU mit ihrer Erblast einer gigantischen Staatenfinanzierung die bessere Alternative ist, weiß niemand. Das und noch eine Reihe von kritischen Entwicklungen in der EU, wie die Migrationspolitik, waren bekanntlich die Ursache für das Abstimmungsergebnis der Briten, die EU zu verlassen. Die Gründe sind nach wie vor da und die Zeit wird zeigen, welche Seite recht behalten wird.

    23:25 Uhr, 28.11.2020
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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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