Kommentar
08:29 Uhr, 22.09.2015

Verursacht China den Kollaps des US Anleihenmarktes?

Der US Anleihenmarkt gilt als stabilster und liquidester Markt der Welt. Wenn dieser Markt in Bedrängnis gerät, dann wird das die Märkte weltweit in ihren Grundfesten erschüttern.

Ein stabiler US Anleihenmarkt ist im Interesse aller Länder dieser Welt, doch in der Hand haben das nur ganz wenige Gläubiger. Grafik 1 zeigt, welche Gläubiger das sind. China steht mit Japan ganz weit vorne auf der Liste der größten Gläubiger. Nach diesen zwei Ländern mit den Spitzenplätzen kommt lange Zeit nichts mehr.

China hielt im Juli direkt 1,24 Billionen Dollar an US Staatsanleihen. In der Abbildung ist China zusammen mit Belgien abgebildet. Zusammen halten beide Länder knapp 1,4 Billionen an Anleihen. Belgien ist mit China zusammengefasst, da vermutet wird, dass China seit einiger Zeit Anleihen nicht nur selbst hält oder bei der New Yorker Fed verwahren lässt, sondern auch in Belgien.

Im Jahr 2010 hielt Belgien 33 Mrd. an US Anleihen. Dieser Betrag wuchs in der Spitze auf 380 Mrd. im vergangenen Jahr an und steht nun bei 155 Mrd. Die Bewegungen passen sehr gut zu den Kennzahlen, die von der chinesischen Notenbank veröffentlicht werden. Die Meinungen gehen zwar darüber auseinander wie viele der in Belgien gehaltenen Anleihen wirklich auf China entfallen, doch die Zahlen lassen darauf schließen, dass es der überwiegende Großteil ist.
Wir werden vermutlich nie genau erfahren wie viele US Anleihen China besitzt und wo sie liegen. Es drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass die Anleihen vor allem in China, Belgien und Großbritannien gehalten werden. Grafik 2 zeigt wie man auf diesen Verdacht kommen kann. Dargestellt sind die Höhe der Anlagen der drei Länder und die chinesischen Devisenreserven. Beide Zeitreihen laufen auffällig parallel. Als der Bestand in Großbritannien schrumpfte, begann er in Belgien stark anzusteigen. Es wird vermutet, dass China Anleihen nicht mehr in Großbritannien, sondern in Belgien von Euroclear verwahren ließ.

Wo auch immer die Anleihen genau liegen - China ist der größte ausländische Gläubiger der USA. Mit 1,2 bis 1,4 Billionen USD an Anlagen kann China den Markt aus den Fugen werfen, wenn im großen Stil verkauft wird. Bereits in den vergangenen Monaten reduzierte China seine Bestände beträchtlich. In weniger als einem Jahr dürfte China 200 Mrd. an US Papieren veräußert haben.

Der Markt konnte das zusätzliche Angebot bisher sehr gut aufnehmen. Das wird höchstwahrscheinlich nicht so bleiben, wenn China anfängt monatlich an die 100 Mrd. an Anleihen auf den Markt zu werfen. Aber ist das überhaupt ein realistisches Szenario?

Einige Beobachter meinen ja. China kämpft mit der Liberalisierung seiner Währung und hat dadurch eine verstärkte Kapitalflucht ausgelöst. Durch den hohen Abwertungsdruck auf den Yuan muss die Notenbank zugunsten des Yuan intervenieren. Um das tun zu können verkauft die chinesische Notenbank US Anleihen und kauft Yuan. Die Augustzahlen sind noch nicht veröffentlicht, aber es lässt sich vermuten, dass über 50 Mrd. an Anleihen veräußert werden mussten, um die Interventionen umzusetzen. Bekommt China den Abwertungsdruck nicht in den Griff, dann werden noch viele Interventionen folgen.

Derzeit befinden sich die Währungen von Rohstoffexporteuren und Schwellenländern unter starkem Abwertungsdruck. Es kann gut sein, dass nicht nur China interveniert, um die Währung zu stabilisieren, sondern dass auch andere Länder beginnen ihre Währungen zu verteidigen, indem sie US Anleihen verkaufen und die eigene Währung stützen.

Momentan befinden sich knapp 3 Billionen an Anleihen in der Hand von Ländern mit Währungen, die zu kollabieren drohen. Entschließen sich die jeweiligen Notenbanken dazu die Währungen zu stützen, dann könnte das passieren, was in Grafik 3 dargestellt ist. Der Anleihenbestand der betroffenen Länder würde sich schnell reduzieren. Gemessen an den Verkäufen Russlands, welches ebenfalls lange Zeit intervenierte, würden die Anlagen innerhalb von 18 Monaten von derzeit knapp 3 Billionen auf 1,3 Billionen sinken.

Der US Anleihenmarkt ist groß und immer noch liquide, doch ein Zusatzangebot von1,7 Billionen ist nicht leicht zu verdauen. Es ist auch nicht denkbar, dass andere Länder die enorme Menge aufnehmen können. Die anderen Ländern, in Grafik 3 unter „Übrige“ subsummiert, müssten ihren Bestand von derzeit 3,15 auf 4,9 Billionen erweitern. Das ist unrealistisch.
Persönlich denke ich nicht, dass dieser Worst-Case eintritt. Wäre der US Anleihenmarkt eine Bank, dann müsste man ihn mit der Beschreibung „too big to fail“ auszeichnen. Grafik 4 zeigt wieso das so ist. Dargestellt ist das Volumen an gehaltenen US Anleihen in Prozent der Wirtschaftsleistung. Viele Länder haben Anteile von deutlich über 10%. Diese Anteile liegen auch nicht bei Privatinvestoren, sondern bei Zentralbanken. Knapp 70% aller vom Ausland gehaltenen US Anleihen werden von Zentralbanken gehalten.

Würden diese nun im großen Stil verkaufen, dann müssten sie allesamt enorme Verluste ausweisen. In einem großen Abverkauf dürfte sich die Rendite der US Anleihen schnell verdoppeln. Das entspricht einem Kursverlust der Anleihen von ca. 20%. Das Eigenkapital der größten Notenbanken der Welt wäre dadurch innerhalb kurzer Zeit negativ. Das dürfte nicht im Interesse der Währungshüter sein.

Generell sind Notenbanken heute weniger versucht durch direkte Interventionen die Währung zu stützen. Russland gab dies nach einem Jahr auf. Die Interventionen waren ohnehin vollkommen wirkungslos. Gleichermaßen wirkungslos waren die Interventionen während der Asienkrise. Die meisten Notenbanken dürften verstanden haben, dass sie ihre Währung nicht gegen den Markt verteidigen können, wenn er sich gegen sie stellt. Persönlich gehe ich aus diesem Grund stark davon aus, dass den Zentralbanken der Erhalt der Reserven wichtiger ist (auch um Importe bezahlen und Auslandsschulden bedienen zu können) als die Währung zu verteidigen. Ein Zusammenbruch des US Anleihenmarktes droht nicht.

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5 Kommentare

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  • Loveyou
    Loveyou

    Ich sehe das Problem der Währungsreserven von China und Japan darin, dass bei einem erhöhten Verkauf der Anleihen im Sekundärmarkt, dann auch steigende Zinsen im Primärmarkt die Folge sind. Steigt nämlich der rechnerische Zins im Sekundärmarkt, dann muss der Zins im Primärmarkt bei neuen Anleiheemissionen auch entsprechend steigen.

    Und darin dürfte auch der Grund zu sehen sein, dass zehnjährige USD-Anleihen einen nicht ganz so niedrigen Zinssatz aufweisen.

    Aber im Endeffekt dürften China und Japan auch kein Interesse haben, ihre Absatzmärkte negativ zu beeinflussen, weshalb sie vermutlich auch kein Interesse haben, die rechnerischen Zinsen in den USA durch massive Anleiheverkäufe im Sekundärmarkt zu beeinflussen.

    Die interessante Frage dieser Geldmengen in den Händen einiger weniger Gläubiger lässt vermuten, dass die Zinsen in Zukunft eher stärker steigen werden. Und wie stark sie steigen, das hängt davon ab, wann und in welchem Zustand die Chinesen und die Japaner ihren Markt in den Griff bekommen.

    12:49 Uhr, 24.09. 2015
  • Duck
    Duck

    Vietnam hat mehr US Anleihen als Deutschland ? kaum zu glauben

    Wo kommt ihr Zahlenmaterial her ? Ihre Artikel sind immer zu schön rund um wahr zu sein

    20:49 Uhr, 22.09. 2015
  • Keyser Soze
    Keyser Soze

    Keine Angst, die amerikanische Notenbank wird schon zusehen dass die Zinsen, insb. am langen Ende, nicht zu schnell und zu stark steigen.

    Zur Not tritt sie mittels QE4 wieder als Käufer auf. Dann kann der Rest der Welt seine US-Anleihen gerne an die FED "bestens" verkaufen.

    11:15 Uhr, 22.09. 2015
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Auch Thailand verkauft US Anleihen und stockt seine Goldvorraete weiter auf. Zudem steht hier wohl eine Abwertung des Bhat unmittelbar bevor. Hier herrscht offensichtlich bereits Deflation, wie man fast Allerorts an sinkenden Preisen sehen kann.

    10:01 Uhr, 22.09. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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