Fundamentale Nachricht
10:15 Uhr, 29.10.2019

VARPS bleiben interessant

Die sogenannten VARPS Vietnam, Argentinien, Rumänien, Pakistan und Saudi-Arabien haben Anlegern GAM-Finanzexperte Tim Love zufolge in den vergangenen Jahren attraktive Chancen zur Gewinnerzielung geboten.

Zürich (GodmodeTrader.de) - Frontier Markets sind üblicherweise weniger entwickelt als Emerging Markets (EM). Gründe hierfür sind die mit ihnen verbundenen politischen Risiken und die Tatsache, dass sie die Vorgaben für die Aufnahme in den MSCI EM Index nicht erfüllen, wie Tim Love, Investment Director bei GAM Investments, in einem Marktkommentar schreibt.

Letzteres könne verschiedene Ursachen haben: mangelnde Transparenz für Anleger in Bezug auf den Wert von Unternehmen, weiche Kapitalkontrollen, fehlende Fungibilität der Währung oder willkürliche Beschränkungen des Streubesitzes bzw. Obergrenzen für den Wertpapierbesitz ausländischer Anleger. Das könne wiederum bedeuten, dass Anleger vielleicht sehr hohe Erträge erzielten, aber möglicherweise auch hohe Verluste erleiden könnten, weil es mitunter schwierig sei, Zugang zu Informationen sowie Liquidität zu erlangen und aus einigen dieser Märkte wieder auszusteigen, heißt es weiter.

„Unsere bevorzugten Frontier Markets im Jahr 2019 sind die sogenannten VARPS: Vietnam, Argentinien (ausschließlich in den USA notierte E-Commerce-Titel), Rumänien, Pakistan und Saudi-Arabien. Diese Länder haben Anlegern in den vergangenen Jahren attraktive Chancen zur Gewinnerzielung geboten. Doch wie sind die kurzfristigen Perspektiven?“, fragt Love.

Vietnam – weiterhin ein aufsteigender Stern

Die vietnamesische Wirtschaft setze ihren deutlichen Aufwärtstrend mit einem Wachstum von voraussichtlich mehr als sechs Prozent in diesem Jahr fort – dies sei die höchste Wachstumsrate aller Länder in Südostasien. „Wir sind davon überzeugt, dass das Land weiterhin vom Anstieg der Agrarexporte und seiner guten Stellung in der weltweiten Lieferkette profitiert, die eine Folge des Handelskonflikts zwischen den USA und China sind“, so Love. Die Wirtschaftsreformen hätten die Aussichten für Vietnam mit Sicherheit verbessert, und auch die demografische Entwicklung sei enorm positiv für Unternehmen. Mehr als 65 Prozent der Erwerbstätigen seien jünger als 35 Jahre. Zudem seien die Löhne niedrig genug, um ausländische Investitionen anzuziehen, und zwar auf attraktiveren Niveaus als in China, heißt es weiter.

„Vietnam ist der Aktienmarkt in Südostasien, der sich im Jahr 2019 bislang am besten entwickelt hat, und daher in unserer Länderallokation stark übergewichtet. Wir bevorzugen den Bausektor, konkret den Stahlbereich, der ein Nutznießer des Immobilienbooms und des Industrialisierungsprogramms in Vietnam sein dürfte. Ebenso favorisieren wir die Milchwirtschaft, da die zahlungskräftige Mittelschicht nun vermehrt zu höherwertigen Produkten für eine gesündere Lebensweise greift“, so Love.

Argentinien – ein risikoreicher Wandel

In Argentinien seien die Wähler am 27. Oktober zu den Urnen gerufen worden, um den Staatspräsidenten und dessen Stellvertreter zu wählen sowie fast die Hälfte der Sitze im Kongress neu zu besetzen. Die Wahlen hätten zu einem wichtigen Zeitpunkt für das Land stattgefunden, das nach wie vor mit einer Wirtschaftskrise zu kämpfen habe, heißt es weiter.

„Obwohl bereits mehrere Regierungen mit diversen Reformen versucht haben, Argentinien zu einem attraktiven Ziel für Investitionen zu machen, sind wir dennoch davon überzeugt, dass das Land massive Bonitätsprobleme hat. Durch das breit angelegte Paket von geldpolitischen und fiskalischen Straffungsmaßnahmen dürfte Argentiniens Wirtschaft in diesem Jahr und danach weiterhin in einer Rezession stecken… Daher halten wir ein reduziertes Engagement in lokal notierten Wertpapieren argentinischer Unternehmen für ratsam. American Depositary Receipts (ADRs) könnten vorerst eine bessere Möglichkeit darstellen, in argentinische Aktien zu investieren. ADRs sind insofern von Vorteil, da sie den Anlegern Zugang zu Liquidität bieten, ohne dass diese unmittelbare Kapitalkontrollen fürchten müssen“, so Love.

Rumänien – optimistische Zeiten

Rumäniens Regierung habe die Anleger Ende Dezember 2018 mit der Ankündigung, den Bankensektor des Landes mit einer Steuer zu belegen, erschreckt, was einen Kursrutsch von rumänischen Bankaktien zur Folge gehabt habe. Daraufhin hätten die Ratingagenturen gedroht, ihre Ausblicke für Rumänien zu senken. Die Mitglieder des Euroblocks und die rumänische Zentralbank hätten diesen Schritt kritisiert. Daraufhin sei die Bankensteuer teilweise widerrufen woren. „Wir bevorzugen daher eine übergewichtete Position in diesem Sektor, um von der Erholung zu profitieren“, so Love.

Langfristig betrachtet seien rumänische Bankaktien aufgrund ihrer dicken Kapitalpolster, der hohen Renditen und der Abnahme der notleidenden Kredite sehr attraktiv. „Interessant finden wir auch Engagements im Immobiliensektor, da sich Rumänien zunehmend zu einem wichtigen Industriestandort für viele führende Unternehmen der Europäischen Union (EU) entwickelt, die ihre Produktionsstätten verlagern wollen. Schließlich sind wir davon überzeugt, dass Rumänien als Wachstumsmotor für Osteuropa unterschätzt wird, denn italienische, deutsche und französische Unternehmen verlagern ihre Lieferketten zunehmend dorthin“, so Love. Rumänien sei im Wesentlichen eine typische ‚Wette auf die Konvergenz‘ zur EU und habe im Laufe der Jahre von zahlreichen starken Rückenwinden profitiert.

Pakistan – günstige Bewertungen

Trotz einiger Risiken auf politischer Ebene seien die Bewertungen pakistanischer Aktien überaus attraktiv. „Wir planen daher, attraktive Anlagemöglichkeiten zu nutzen, wenn und sobald sich diese bieten. Wir bevorzugen Engagements in politisch unkomplizierten Branchen wie dem Rohstoffsektor“, so Love.

Saudi-Arabien – komplex, aber attraktiv

„Vorläufig bevorzugen wir eine leichte Untergewichtung in Saudi-Arabien. Die Lage in dem Land ist gegenwärtig aufgrund der politischen Lage, der Angst vor einer Ölkrise und der Risiken aus dem Umbau der Wirtschaft zur Verringerung der Abhängigkeit vom Öl etwas kompliziert. Wir warten ab, bis sich die politische Situation im Nahen Osten etwas beruhigt und mehr über die kurzfristigen Prognosen zum Haushaltsdefizit bekannt ist, ehe wir wieder eine optimistischere Haltung einnehmen“, so Love.

Dank eines enormen Privatisierungsprogramms, das staatliche Vermögenswerte freisetzen solle, biete Saudi-Arabien hier attraktivere Investmentgelegenheiten. Eine neue reformfreundliche Regierung sei bestrebt, die Wirtschaft breiter zu diversifizieren, diese dadurch weniger abhängig vom Öl und Gas zu machen und zu einer auf hochwertige Technologien ausgerichteten Volkswirtschaft zu entwickeln. So werde beispielsweise aktuell für 500 Milliarden US-Dollar im Nordwesten Saudi-Arabiens das Mega-Projekt NEOM realisiert, eine neue Stadt mit eigenem Technologiepark. Aus thematischer Sicht gebe man Autovermietungen und dem Bankensektor hier den Vorzug, heißt es weiter.

„Unseres Erachtens sorgen diese Frontier Markets für zusätzliche Diversifikation in einem breiteren Schwellenländerportfolio. Aufgrund ihrer geringeren Liquidität im Vergleich zu höher entwickelten Schwellenmärkten wie China oder Indien weisen sie von Natur aus keine Korrelation zu den Schwellenländern als Ganzes auf. Das politische und wirtschaftliche Klima dieser Länder kann jedoch volatil sein, sodass es wichtig ist, jede Veränderung aufmerksam zu beobachten. Wir sind davon überzeugt, dass die besten Frontier Markets auch Liquidität bieten können. Schließlich glauben wir, dass die besten Frontier Markets irgendwann auch sämtliche Kriterien für eine Aufnahme in MSCI Emerging Markets Aktienindizes erfüllen werden. Dadurch können Anleger bereits frühzeitig von dieser guten Entwicklung profitieren und zugleich die Vorteile der EM-Marktdiversifikation und -Liquidität in vollem Umfang nutzen“, so Love.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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