Kommentar
08:09 Uhr, 14.04.2017

USA: Wächst die Wirtschaft überhaupt noch?

Obwohl die Zeichen immer noch auf Wachstum stehen, zeigen sich deutliche Risse in der Fassade. Das gilt insbesondere für die USA.

Ich hatte schon mehrfach thematisiert, dass die Stimmung Anfang 2017 sehr viel besser war als die harten Fakten. Die Verbraucherstimmung befindet sich in Sphären, die überhaupt nur einmal vorher erreicht wurden (um die Jahrtausendwende). Auch Unternehmen sind bester Laune. Im Gegensatz dazu stehen die harten Fakten. Die sind ernüchternd.

Einkaufsmanagerindizes mögen zwar gestiegen sein, doch wesentlich mehr wird deswegen nicht produziert. Es werden auch nicht so viele neue Jobs geschaffen, wie die Indikatoren vermuten lassen. Kurz gesagt: die gute Stimmung kommt in der Wirtschaft nicht an. Inzwischen kann man sogar von einer etwas skurrilen Situation sprechen: die Daten werden immer schlechter, während Konsumenten und Einkaufsmanager feiern.

Ganz besonders beunruhigend sind die Daten vom Kreditmarkt. Die Zinsen sind immer noch niedrig. Insofern sollte man keine Probleme vermuten. Solange Kredite billig bleiben, werden sie nachgefragt und die Kreditausfälle halten sich in Grenzen – so die allgemeine Meinung. Das stimmt so nicht. Vielmehr deutet sich an, dass dieser Aufschwung seinen Peak hinter sich gelassen hat.

Grafik 1 zeigt das Wachstum unterschiedlicher Kreditsegmente im Vergleich zum Vorjahr. Das Wachstum der Unternehmenskredite hat sich massiv abgekühlt und ist auf dem tiefsten Stand seit 2011 angelangt. Das Wachstum liegt immer noch im mittleren einstelligen Bereich. Dies ist jedoch auf das Wachstum bis Mitte 2016 zurückzuführen. Seitdem tut sich nicht mehr viel. Zwischen Ende 2016 und März 2017 ist das ausstehende Kreditvolumen sogar erstmals seit 2010 zurückgegangen.

Immobilien- und Autokredite weisen noch Wachstum vor, doch auch hier schwächt sich das Wachstum radikal ab. Alle übrigen Konsumkredite wachsen nach wie vor mit einer relativ stabilen Rate. Ob das reicht, um die Wirtschaft über Wasser zu halten, sei dahingestellt.

Kredit- und Wirtschaftswachstum sind sehr stark positiv korreliert. Das sinkende Kreditwachstum deutet derzeit eigentlich einen handfesten Abschwung an. Abschwung bedeutet nicht Rezession, sondern eine deutliche Verlangsamung des Wachstums. Das wäre ja noch nicht so schlimm, doch hinter den Kulissen sieht die Sache etwas ernster aus.

Grafik 2 zeigt das Volumen ausfallgefährdeter Kredite. Dieses war nach der Krise rückläufig. Inzwischen scheint sich ein Boden anzudeuten, sprich, das Volumen ausfallgefährdeter Kredite geht nicht mehr zurück, sondern stagniert. Erst mit den Daten bis Mitte 2017 wissen wir, ob sich hier eine Trendwende zum Schlechteren ergibt.

Es muss nicht schlechter werden, doch eigentlich ist schon die Stagnation ein wenig verwunderlich. Eigentlich finden doch immer mehr Amerikaner Arbeit und die Löhne steigen. Da würde man nun wirklich nicht erwarten, dass das Volumen ausfallgefährdeter Kredite nicht weiter zurückgeht.

Eine Erklärung für stagnierende Volumen und nicht mehr besser werdende Kreditausfallquoten findet sich im Automarkt und bei Studienkrediten. Diese sind in den letzten Jahren unaufhörlich gewachsen. Beide Kreditkategorien weisen tendenziell höhere Ausfallquoten auf als andere Kreditarten, z.B. Immobilienkredite.

Von den 1,1 Billionen an Autokrediten ist ein Drittel als Subprime zu bezeichnen. Das ist der höchste jemals gemessene Wert. Da muss man nicht lange rechnen, um zu erkennen, dass die nächste Kreditkrise schon da ist. Sie ist natürlich kleiner als 2008, aber sie wird die Profitabilität von Finanzinstituten in den kommenden Quartalen nicht gerade verbessern.

Alles deutet auf eine Trendwende im Kreditzyklus hin. Ohne Kreditwachstum gibt es auch kein Wirtschaftswachstum. Ich übertreibe sicherlich ein wenig, doch man darf sich inzwischen schon so langsam fragen, ob die Wirtschaft überhaupt noch wächst.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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