Kommentar
07:30 Uhr, 03.11.2015

USA: Vorerst kein Zahlungsausfall

Am Freitag wurde der Schuldenstreit in den USA beigelegt – vorerst. Es droht damit kein US Zahlungsausfall in diesem Monat. Die grundlegenden Probleme sind damit jedoch noch lange nicht gelöst.

Seit März 2015 hat das US Finanzministerium außergewöhnliche Maßnahmen angewendet, um das Schuldenlimit nicht zu überschreiten. Das Geld wäre den USA endgültig zwischen dem 5 und 9.11. ausgegangen. Die Folge wäre ein Zahlungsausfall gewesen. Dieses Szenario ist nun vom Tisch – bis März 2017. Bis dahin darf die Regierung genehmigte Ausgaben tätigen. Das Schuldenlimit wird entsprechend der neuen Schulden, die bis März 2017 aufgenommen werden müssen, im März 2017 angepasst.

De facto wird das Schuldenlimit mit der Einigung bis 2017 ausgesetzt. Das bedeutet allerdings nicht, dass die US Regierung nun aus dem Vollen schöpfen kann. Die Budgets müssen vom Kongress genehmigt werden. Die Ausgaben sind somit mehr oder minder festgelegt. Zusätzliche Ausgaben können nicht einfach über den Kongress hinweg umgesetzt werden. Die Einigung ermöglicht den USA also lediglich bereits beschlossene Ausgaben zu tätigen.

Der ganz große Durchbruch ist das nicht, denn die Einigung schränkt die Möglichkeiten der Regierung massiv ein. Gleichzeitig ist das Ablaufdatum der Einigung nicht gerade vielversprechend. In 12 Monaten wird ein neuer Präsident gewählt. Zwischen der Vereidigung und dem Ablauf der jetzt gültigen Einigung liegen etwas mehr als zwei Monate. Gewinnen die Demokraten die Präsidentschaft, dann dürften die Republikaner alles daran setzen über den dann neu zu verhandelnden Kompromiss möglichst viel Druck auf die Demokraten auszuüben. Der Wahlverlierer – ob Republikaner oder Demokraten – werden dem Gewinner wohl nichts schenken.

Eines der großen Probleme des US Schuldenlimits ist die Festlegung auf einen festen Betrag. Grafik 1 zeigt die Entwicklung des Schuldenlimits und der Schulden seit 1940. Die Staatsverschuldung bewegte sich in demselben Zeitraum zwischen 40 und 120% der Wirtschaftsleistung. Ein Schuldenlimit kann also sehr unterschiedliche Verschuldungsgrade hervorrufen.

Anfang der 40er Jahre lag die Schuldengrenze bei 65 Mrd. USD. Damals entsprach das einer Staatsverschuldung von 45%. In heutigen Maßstäben – wäre die Grenze niemals angehoben worden – läge die Verschuldung bei 0,36% der Wirtschaftsleistung. Ob das Sinn macht muss jeder selbst entscheiden. Solange es aber Wirtschaftswachstum gibt und das Bruttoinlandsprodukt steigt, ist ein fester Betrag an der Realität vorbei.

Angenommen das Schuldenlimit läge immer noch bei 65 Mrd. und die USA hätten überhaupt keine Schulden. Muss sie dann wegen eines Abschwungs ein Konjunkturprogramm auflegen, stehen der Regierung lediglich 65 Mrd. zur Verfügung. In den Jahren 2008/09 verabschiedete der US Kongress ein Paket von knapp 800 Mrd. USD (American Recovery and Reinvestment Act). Mit 65 Mrd. wäre das Land nicht sehr weit gekommen.

Der US Kongress diskutiert nun mögliche Anpassungen des Schuldenlimits. Eine Reform könnte das Limit an das Wirtschaftswachstum koppeln. Wächst die Wirtschaftsleistung um 2%, dann könnten auch die Schulden um 2% steigen. Die Verschuldung, gemessen am BIP, bleibt in diesem Fall konstant. Was in einer Rezession geschieht bleibt in dieser Variante vollkommen offen.

Das Schuldenlimit hat eine lange Historie. Vor den zwei Weltkriegen musste der Kongress jede einzelne Schuldenaufnahme genehmigen. Die Kompetenz dafür wurde dem Finanzministerium übertragen, allerdings unter der Einschränkung einer Schuldenobergrenze.

Eine Rückkehr zum alten System ist wenig praktikabel. Der Kongress müsste wahrscheinlich an 365 Tagen im Jahr über Schulden beraten und entscheiden. Das ist de facto unmöglich. Die derzeit gültige Alternative scheint den wenigsten zu gefallen. Zudem ermöglicht es politische Erpressung.

In den vergangenen Jahren war die Systematik immer dieselbe. Republikaner stimmten gegen eine Anhebung der Schuldenobergrenze, wenn ein Demokrat im Weißen Haus saß. Demokraten stimmten gegen eine Anhebung, wenn ein Republikaner die Präsidentschaft inne hatte.

Diese äußerst platte und offensichtliche Schädigung des politischen Gegners ist etwas, was die Wähler seit Jahren irritiert. Nicht umsonst wettern die derzeitigen Präsidentschaftskandidaten gegen die realitätsfremde politische Elite in Washington. Ändern wird sich natürlich nichts, wenn einer dieser Kandidaten gewählt wird. Das öffnet Tür und Tor für radikale Parteiflügel in beiden Parteien. Das hilft langfristig weder den USA, noch dem Rest der Welt.

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3 Kommentare

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  • Protheus
    Protheus

    So ein langer Artikel für ein Non-Event. Ich kann Ihnen prophezeien: Auch der nächste beinahe Zahlungsausfall wird abgewendet werden und es wird wieder ein bisschen aufgebauscht und wieder ein Non-Event.

    Ein kluger Journalist bzw. ein Mensch mit dem Anspruch, Journalist zu sein, sollte sich nicht in den allgemeinen Medienrummel begeben und auf der Welle der "OMG der Zahlungsaufall kommt vielleicht dieses Mal!!!!" surfen, sondern hinter den Vorhang schauen. Ich hatte mal das Gefühl, der Herr Schmale könne das. Hab mich wohl getäuscht.

    Interessant ist doch, wie diesem Theater wieder entkommen werden kann. Wohin treiben uns die immer steigenden Schulden? Ist es wahrscheinlich, dass diese durch Inflation soweit entwertet werden können, dass sie wieder tragbar sind (auch bei höheren Zinsen)? Diese Schulden müssen schließlich Stück für Stück refinanziert werden.

    12:57 Uhr, 03.11.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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