Kommentar
08:43 Uhr, 16.09.2015

USA vor Rezession?

Die US Wirtschaft ist momentan eigentlich das Zugpferd der Weltwirtschaft. Im Gegensatz zu Schwellenländern, deren Dynamik mehr und mehr nachlässt, und Europa, wo das Wachstum auf niedrigem Niveau verharrt, wächst die US Wirtschaft stabil in hohem Tempo. Das kann sich bald ändern.

Die Dauer des aktuellen Aufschwungs in den USA ist kein Argument, weshalb eine Rezession vor der Tür stehen soll, auch wenn das viele Analysten immer wieder vermuten. Historisch gesehen kommt es alle 7 Jahre zu einem Abschwung, doch das allein ist nicht Argument genug, um auch mechanisch von der nächsten Rezession auszugehen. Länder wie Australien oder Kanada kamen 20 Jahre lang ohne Rezession aus. Die USA sind im Vergleich dazu „erst“ im siebten Jahr des Aufschwungs.

Vieles spricht für eine Fortsetzung des aktuellen Trends. Der Arbeitsmarkt ist weiterhin stark. Momentan sind so viele Stellen unbesetzt wie noch niemals zuvor. Das deutet eine weitere Reduktion der Arbeitslosenquote an.

Nicht alle Indikatoren zeigen in die gleiche Richtung. Die Dauer der Arbeitslosigkeit von gekündigten Personen oder Arbeitnehmern, die selbst kündigen, steigt an. Obwohl sehr viele Stellen unbesetzt sind, ist es anscheinend schwerer geworden eine neue Stelle zu finden. Das könnte unter anderem mit dem Qualifikationslevel zu tun haben. Derzeit sind vor allem Stellen im Bereich Business/Professional Services (Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Ingenieure usw.) unbesetzt.

Die Art der offenen Stellen ist durchaus ermunternd. Es handelt sich um Bereiche, die eine hohe Qualifikation erfordern. Löhne sind in diesen Bereichen höher als in Berufen, die keiner Qualifikation bedürfen. Das könnte mittelfristig endlich zu einem Anstieg der Löhne führen.

Neben vielen positiven Anzeichen, die auch eine Zinsanhebung begünstigen würden, gibt es jedoch auch ganz andere Anzeichen. Grafik 1 zeigt den S&P 500, das Konsumentenvertrauen und Rezessionen. Das Konsumentenvertrauen fällt für gewöhnlich mehrere Monate vor den Aktienmärkten und zeigt eine Rezession mit einem Vorlauf von einem Jahr an.

Die Bewegungen im Konsumentenvertrauen sind nicht sehr stabil. Auch 2011 sackte das Vertrauen ab. Zu einer Rezession kam es jedoch nicht. Ähnliche Bewegungen waren auch von 2002 bis 2007 zu sehen. Zwei Mal sank das Vertrauen innerhalb kurzer Zeit stark ab. Zu einer Rezession kam es auch dort nicht. Die Börsen konnten ihren Aufwärtstrend fortsetzen.

Die Kombination aus fallendem Konsumentenvertrauen und fallenden Kursen gibt es seltener. Zuletzt war das 2011 der Fall. Zu einer Rezession kam es auch hier nicht. Dafür allerdings schwächte sich die Dynamik der US Wirtschaft in den Jahren 1980, 1990, 2000 und 2007 deutlich ab, nachdem es am Aktienmarkt und im Konsumentenvertrauen gleichzeitig zu einem Rückgang kam. Genau dieses Zusammentreffen können wir derzeit wieder beobachten.

Da die US Wirtschaft zu zwei Dritteln vom Privatkonsum abhängig ist muss man die Eintrübung des Sentiments ernst nehmen. Grafik 2 zeigt dazu den Vergleich von Vertrauen und BIP-Wachstum. Der Zusammenhang ist ziemlich eindeutig.

Die Stimmung amerikanischer Verbraucher ist vor allem von zwei Dingen getrieben: dem Ölpreis und der Börse. Der niedrige Ölpreis hat die Stimmung deutlich gehoben. Nachdem der Ölpreis nur noch begrenzt Luft nach unten hat, kann von dieser Seite kaum noch Unterstützung für die Stimmung erwartet werden. Die Börse wiederum kann sich fangen und die Stimmung wieder aufhellen. Mehr als eine Aufhellung ist vermutlich nicht drin. Ein nachhaltiger Aufschwung in der Wahrnehmung der Konsumenten ist unwahrscheinlich.

Die US Wirtschaft muss nun nicht zwangsweise in eine Rezession fallen. Eine nachlassende Dynamik ist allerdings wahrscheinlich, auch wenn es vom Arbeitsmarkt nach wie vor positive Signale gibt. Falls die Zinswende der US Notenbank kommt, dann kommt sie wahrscheinlich zu spät und fällt in eine Zeit, in der sich die Wirtschaft abzukühlen beginnt.

Um Missverständnisse zu vermeiden: die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession innerhalb der nächsten 12 Monate ist gering. Nichtsdestotrotz dürfte sich das Wachstum in den USA abschwächen. Das wird nicht gleich morgen auf den Titelblättern stehen. Anleger sollten allerdings nicht überrascht sein, wenn das Winterhalbjahr wie in den Vorjahren die US Wirtschaft fast stagnieren lässt.

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5 Kommentare

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  • dschungelgold
    dschungelgold

    Lieber Herr Schmale. Sie wissen doch selbst, das man die offiziellen Zahlen vergessen kann. Die muss man glauben WOLLEN. Aber ich bin sicher, Sie kennen auch die echten Zahlen: 21-24%. Fragt sich WARUM Sie Ihre Analysen stur und unerbittlich auf die Luegenzahlen aufbauen?

    09:27 Uhr, 16.09. 2015
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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