Kommentar
18:07 Uhr, 29.06.2018

USA: Retter des Wachstums in der EU?

In der EU hat sich der Konjunkturhimmel in den letzten Wochen massiv verdunkelt. In den USA gibt es hingegen eine deutliche Aufhellung. Das kann auch die EU noch einmal retten.

Für sich allein genommen müsste man die EU wohl abschreiben. Das Wirtschaftswachstum hat sich bereits im ersten Quartal in vielen Ländern deutlich verlangsamt. Frühindikatoren für das zweite Quartal deuten auf eine weitere Verlangsamung hin.

Inzwischen ist das mehr als nur eine kleine Wachstumsdelle. Es ist ein handfester Abschwung. Dieser kommt zur Unzeit. Die EZB hat ziemlich deutlich gemacht, dass das Anleihekaufprogramm in diesem Jahr auslaufen wird.

Auch die Unsicherheit rund um den internationalen Handel helfen nicht gerade. Noch aber sind die USA weltgrößter Importeur und das hat in der Vergangenheit andere Regionen schon mehrfach aus einem Abschwung herausgerissen.

Die Steuersenkung in den USA und die Mehrausgaben des Staates sorgen gerade für einen Boom im Inland. Mittel- bis langfristig können Zölle für geringere Importe sorgen und das Wachstum überall auf der Welt drücken. Kurzfristig wird nach wie vor sehr viel importiert. Ein abruptes Ende ist nicht in Sicht. Das wiederum kann Europa aus der Misere helfen.

Die Wachstumsprognosen für die USA kann man nur als sensationell bezeichnen. Das Vorhersagemodell der Notenbank von Atlanta steht derzeit bei einem annualisierten Wert von 4,5 % für das zweite Quartal (siehe Grafik).


Das ist natürlich nur eine Prognose und muss am Ende nicht der Realität entsprechen. Die Prognosen sind so kurz vor Veröffentlichung der Daten (ca. einen Monat) allerdings schon recht zuverlässig. Die Abweichung vom tatsächlichen Wert liegt zu diesem Zeitpunkt bei durchschnittlich 0,6 Prozentpunkten. Am Ende dürfte das Wachstum demnach also zwischen 3,9 % und 5,1 % liegen.

Es gibt immer wieder Ausreißer. Im Einzelfall kann die Abweichung in einem Quartal auch einmal bei 2 Prozentpunkten liegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Wachstum bei sehr komfortablen 3 % liegen wird, ist jedoch sehr hoch.

So schnell ist die US-Wirtschaft schon lange nicht mehr gewachsen. Es ist gut möglich, dass es der beste Wert seit Herbst 2014 wird. Das strahlt auch auf den Rest der Welt aus. Es kann viele andere Regionen noch einmal vor einer Rezession retten. Das ist auch dringend notwendig. Die Daten sind in Europa ja nicht gerade berauschend.

Dieser Rettungsanker wird freilich nicht ewig halten. Die Mehrausgaben der US-Regierung werden sich bereits im nächsten Jahr wieder normalisieren und die Steuersenkung wird mit der Zeit einen immer geringeren Effekt haben. Nicht zuletzt deswegen geht die Mehrheit von einem Rezessionsbeginn in den USA im Jahr 2020 aus.

Der neuerliche Aufschwung in den USA wird sich vermutlich als Strohfeuer erweisen und das Wachstum in den USA und im Rest der Welt noch einmal ein Jahr lang retten. Das sollten wir ruhig genießen, solange es anhält.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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