Kommentar
07:47 Uhr, 27.11.2015

US-Zinswende: Die Nebenwirkungen

Für die US Wirtschaft sind die Nebenwirkungen klar: ein starker Dollar belastet die Exportindustrie und Arbeitsplätze im Gewerbe. Diese Nebenwirkungen sind noch verkraftbar, wenn man sie mit anderen Effekten weltweit vergleicht.

Das Thema Zinswende und Dollaraufwertung ist seit Jahren aktuell. In diesen Tagen ist es besonders präsent, allerdings nicht, weil die Zinswende nun in wenigen Wochen tatsächlich begonnen wird, sondern weil die Nebenwirkungen weltweit ersichtlich werden.

Die Krise der Schwellenländer ist bekannt, doch die möglichen Auswirkungen sind wenig diskutiert. Die meisten Institutionen wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank gehen davon aus, dass die US Zinswende die Schwellenländer nicht in den Ruin treiben wird. Ich wäre mir da nicht so sicher.

IWF und Weltbank argumentieren, dass Schwellenländer im Vergleich zu früheren Krisen sehr viel besser gerüstet sind. Die Devisenreserven sind hoch und Notenbanken versuchen meist gar nicht erst die Währungen durch Interventionen zu stützen. Letzteres gilt vor allem für die großen Schwellenländer wie Brasilien. Die kleineren Länder, vor allem in Afrika, scheinen nicht auf dem Radar zu sein. Hier wird inzwischen zu drastischen und verzweifelten Maßnahmen gegriffen. So richtete Sambia einen nationalen Gebetstag für die Währung ein, um diese vor einer weiteren Abwertung zu bewahren.

Die Lage ist alles andere als rosig. Die Auslandsschulden der Länder – das Hauptproblem – sind verglichen mit früheren Krisen etwas geringer als heute. Die Höhe der Gesamtschulden ist dennoch enorm. Grafik 1 zeigt die Entwicklung für eine Auswahl an Schwellenländern seit 2004. 2004 lagen die Schulden der gezeigten Länder bei 1,22 Billionen Dollar. Heute sind es 3,5 Billionen.

Diese Schulden sind in Fremdwährungen begeben, meist in Dollar. Der Dollar wertet nun auf und damit steigt der Wert der Auslandsschulden in den lokalen Währungen. Brasilien muss heute fast das Doppelte an lokaler Währung für jeden Dollar Schulden aufbringen als noch vor 4 Jahren. Während die sich die Schuldenberge in Dollar innerhalb eines Jahrzehnts „nur“ verdreifacht haben, haben sie sich in lokaler Währung verfünffacht.
Der IWF und die Weltbank bleiben trotz allem gelassen. Die Schwellenländer haben höhere Devisenreserven als in früheren Krisen. Diese Reserven reichen allerdings nicht, um die Schulden auch tatsächlich zu bedienen. Grafik 2 zeigt die Schulden im Vergleich zu den Devisenreserven.

Während man sich um Thailand und Peru kaum Sorgen machen muss, sieht es in Brasilien oder der Türkei ganz anders aus. Viele dieser Länder haben ein Handelsbilanzdefizit. Sie importieren mehr als sie exportieren. Für die Importe müssen sie für gewöhnlich in Dollar zahlen. Das hat langfristig den Effekt, dass die Devisenreserven schmelzen. Verhindert werden kann das nur, wenn die Importe begrenzt werden, um die Reserven zu bewahren.

Können Länder auf Importe nicht verzichten (das ist vor allem in Afrika ein Problem, da die Importe größtenteils aus Nahrungsmitteln bestehen), dann müssen sie Dollar kaufen, um die Importe weiterhin bezahlen zu können. Das führt zu einer weiteren Abwertung der Währung. Ein Teufelskreis.

Die Situation ist bereits angespannt, allerdings fehlt es ihr noch an Dramatik. Das liegt daran, dass ein Großteil der Schulden lange Laufzeiten hat. Viele Länder kommen also nicht heute in Bedrängnis, sondern erst in einigen Jahren. Es geht jedoch nicht nur um die Rückzahlung von Schulden. Wie in Grafik 1 dargestellt stiegen die Auslandsschulden über die Jahre. 2015 sinken sie, weil kurzfristige Schulden zurückgezahlt werden und keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden.

Die meisten Staaten können und wollen sich keine zusätzlichen Auslandsschulden aufbürden. Der Bedarf an frischem Geld ist jedoch nicht verschwunden. Die lokalen Kreditmärkte sind oftmals nicht ausreichend entwickelt, um hohe Summen Kredit zur Verfügung zu stellen. Wenn im Ausland keine Schulden mehr aufgenommen werden können, dann kommt es effektiv zu einer Kreditklemme.

Für Entwicklungsländer hat die Dollaraufwertung den Effekt einer geldpolitischen Straffung. Das ist genau das Gegenteil dessen, was viele Länder bräuchten. Sie leiden nicht nur unter explodieren Kosten für bestehende Auslandsschulden, sondern sind auch mit einer massiven Kreditklemme konfrontiert. Das ist eine Nebenwirkung, die kaum diskutiert wird, dabei sollte sie im Zentrum der Debatte stehen. Die lokalen Kreditmärkte müssen schnell entwickelt werden. Solange das nicht der Fall ist werden Schwellenländer in jeder Dollaraufwertungsphase an den Rand des Ruins gedrängt werden.

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3 Kommentare

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  • agni
    agni

    Gute Fragen Herr Schmale , welche auch in der Börseafterwork diskutiert wurden. Die Folgen werden brandaktuell werden, sobald die Zinswende in den USD eintritt. Dirk Müller schätzt die Situation ähnlich heikel ein. Er meint die USD wollen den anderen Ländern insbesonre den Ölforderländer den Stecker ziehen. Was vielleicht noch einen stärkeren Flüchtlingstrom u.a. nach Euro an Wirtschätsflüchtlingenzu folge hätte.

    22:39 Uhr, 30.11.2015
  • maierbcn
    maierbcn

    Ein grosses Lob für diesen Artikel.

    Ich finde Ihre Analysen immer fantastisch!

    Das musste heute einmal gesagt werden.

    Vielen Dank und bitte weiter so!

    09:24 Uhr, 27.11.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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