Kommentar
09:35 Uhr, 16.12.2015

US-Zinsentscheid: Ein letzter Blick auf den US-Arbeitsmarkt

Der Countdown läuft. Janet Yellen wird die Zeit bis zur Entscheidung nutzen, um den Zustand des Arbeitsmarktes noch einmal ganz genau zu untersuchen.

Der US Arbeitsmarkt ist robust. Trotz der weltweiten Konjunkturabkühlung schuf die US Wirtschaft in den letzten zwei Monaten mehr Jobs als erwartet. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Grafik 1 zeigt die Anzahl offener Stellen. Mit knapp 5 Mio. unbesetzten Stellen ist noch viel Potential vorhanden, um die Arbeitslosigkeit weiter zu senken. Theoretisch kann die Arbeitslosenquote unter 4% fallen, wenn nur ein Teil der Stellen besetzt wird.
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So schön die vielen offenen Stellen sind – sie sagen noch wenig über die Qualität der Jobs aus. Im verarbeitenden Gewerbe ist die Dynamik schlecht. Zwischen 2011 und 2015 gab es kaum noch Bewegung, die auf einen Aufschwung hindeutet. Derzeit sieht es vielmehr nach einer Abkühlung aus.

Im Einzelhandel und im Gastgewerbe sieht die Sache anders aus. Hier sind überproportional viele Stellen unbesetzt. Einerseits ist jede unbesetzte Stelle eine gute Nachricht; anderseits hilft es nur bedingt, wenn es sich um schlecht bezahlte Jobs handelt, die sogar noch stark von der Saison abhängen.

Jobs, die gut bezahlt sind, sind rar. Eine Ausnahme ist der Bereich Professional & Business Services. Dieser Sektor ist ein Teil des Dienstleistungssektors. Im Gegensatz zum Gastgewerbe oder Einzelhandel brauchen Arbeitnehmer hier hohe Qualifikationen und genau daran hapert es. Während die Zahl offener Stellen auf einem Rekordniveau ist sind die tatsächlichen Einstellungen noch immer unter den Vorkrisenniveaus.

Das scheint ein generelles Problem zu sein. Der US Arbeitsmarkt bietet viel Potential und offene Stellen. Unternehmen finden allerdings keine geeigneten Bewerber für viele dieser Stellen. Sie bleiben daher unbesetzt. Das zeigt sich anhand aller Neueinstellungen. Grafik 2 zeigt den Trend. Das Einstellungsniveau insgesamt liegt noch unterhalb des Niveaus aus 2006/07. Die Zahl offener Stellen aus Grafik 1 hingegen befindet sich auf Rekordniveau.
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Ausnahmen zu der Regel sind Jobfamilien, die keiner besonderen Qualifikation bedürfen. Im Niedriglohnsektor des Dienstleistungsgewerbes läuft die Sache rund. Beruhigend ist das natürlich nicht. Solche Stellen sind schnell geschaffen, allerdings auch wieder schnell abgebaut. Auch der Niedergang des verarbeitenden Gewerbes ist bedenklich. Die Neueinstellungen verharren auf tiefem Niveau, welches nur knapp über dem Rezessionslevel liegt.
Immerhin kann man sagen, dass Arbeitnehmer zuversichtlich sind. Grafik 3 zeigt die Gründe, weshalb Arbeitnehmer einen Job verlieren. Die Mehrzahl an Personen verliert ihren Job, weil sie ihn selbst kündigt. Das tun die meisten nur, weil sie zuversichtlich sind einen anderen Job zu finden.
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Die Kündigungen (vom Arbeitgeber ausgesprochen) sind auf niedrigem Niveau. Sie sind tiefer als in den Vorkrisenjahren. Arbeitgebern liegt anscheinend daran ihre Arbeitnehmer zu halten. Das macht Sinn. Einerseits will man Angestellte behalten, wenn man weiß, dass gerade Stellen, die einer höheren Qualifikation bedürfen, schwer zu besetzen sind. Andererseits sind Neubesetzungen immer teuer. Die Kosten der Rekrutierung und Anlernung sind hoch.

Generell kann Janet Yellen mit dem Arbeitsmarkt zufrieden sein. Die strukturellen Probleme (zu niedriges Qualifikationslevel) kann man nicht mit niedrigen Zinsen bekämpfen. Allein schon der Versuch ist verwegen. Weiterhin niedrige Zinsen können dem Arbeitsmarkt nicht weiterhelfen. Die Normalisierung, zu der niedrige Zinsen beitragen können, ist erreicht, wie vor allem die Entwicklung von Kündigungen und Entlassungen zeigen.

Die Werte haben sich in den vergangenen Monaten weiter verbessert. Daran hat weder die weltweite Konjunkturabkühlung etwas geändert noch die Unsicherheit des Finanzmarktes, inklusive Aktienmarktcrash im August. Der Finanzmarkt war im Sommer in Aufruhe. Das hat den Arbeitsmarkt nicht beeinflusst. Insofern sollten auch die Turbulenzen der vergangenen Woche keinen Einfluss auf die Realwirtschaft und die Entscheidung der US Notenbank haben.

Der Countdown läuft und Yellen hat es bestimmt nicht leicht. Der Finanzmarkt ist hochnervös, doch wenn sich die Fed diesmal wieder wie im August von ihrem Plan abbringen lässt, dann dürfte der Zug für die Zinswende endgültig abgefahren sein. Die Glaubwürdigkeit wäre stark beschädigt und die Folgen dürften wesentlich schlimmer sein als die derzeitige Nervosität des Marktes.

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  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Dieser Eiertanz der FED ... - entsätzlich und lächerlich ...

    15:44 Uhr, 16.12.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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