Kommentar
19:14 Uhr, 24.03.2015

US Wirtschaft vor dem großen Knall

Manche Dinge möchte man am liebsten nicht wissen. Dies hier aber schon.

Die US Wirtschaft hat viele Probleme. Die Notenbank weist bei jeder Gelegenheit darauf hin: die Löhne steigen kaum und die Partizipationsrate der Bevölkerung am Arbeitsleben ist nach wie vor fallend. Das sind zwei Faktoren, die das Wachstum zurückhalten. Gleichzeitig machen es stagnierende Löhne so gut wie unmöglich, dass die Inflation steigt.

Das geringe Lohnwachstum sorgt nicht nur für geringe Inflation, sondern auch dafür, dass viele einfach nicht die Mittel haben, Geld für Konsum auszugeben. Das Wachstum der Konsumausgaben war in den USA im vergangenen Jahr überraschend gering. Selbst der niedrige Ölpreis hat dem Konsum nicht auf die Beine helfen können. Amerikaner legen das Geld lieber zur Seite als es auszugeben.

Eine höhere Sparquote ist gar nicht so schlecht. Ein Problem war die immer weiter steigende Verschuldung der Haushalte. Schulden wurden in den letzten Jahren abgebaut. Ein neuer Kreditexzess ist noch nicht in Sicht. Den Konsum hemmt das. Langfristig ist es aber nachhaltiger nicht nur auf Pump zu konsumieren.
Bis vor kurzem gingen viele Beobachter noch davon aus, dass die USA in diesem Jahr ein Wachstum von über 3% schaffen würden. Diese Hoffnung wird sich wohl nicht erfüllen. Das erste Quartal sieht bisher schwach aus. Es sieht so aus, als würde sich das Wirtschaftswachstum 2015 etwas abkühlen. Das besorgt viele. Es schürt ein klein wenig die Angst davor, dass der Aufschwung zu Ende sein könnte, bevor das erste Mal die Zinsen angehoben wurden.
Die Sorgen vor einer drastischen Verlangsamung des Wachstums sind nicht ganz unberechtigt. Wahrscheinlicher als ein Abschwung ist aber ein Übergangsjahr. 2016 kann es dann zum großen Knall kommen. Dieser Knall ist nicht negativ, sondern positiv zu verstehen. Die Hoffnung auf Wachstumsraten von 3% oder mehr werden sich dieses Jahr nicht realisieren. Für 2016 stehen die Chancen dafür umso besser.

Woher soll der Wachstumsschub auf einmal kommen? Der Schlüssel für überproportionales Wachstum liegt in der Bevölkerungsentwicklung. Dabei reicht es nicht, wenn die Bevölkerung wächst. Sie wächst in den USA im Gegensatz zu anderen Industrieländern mit einer geringen, dafür aber konstanten Rate.

Wichtiger als Bevölkerungswachstum an sich ist das Wachstum von Bevölkerungsgruppen. Die wichtigste Bevölkerungsgruppe sind die 30 bis 45 Jährigen. In diesem Alter verdienen die meisten gutes Geld und können sich erstmals viele Dinge leisten, die sie sich vorher nicht leisten konnten. Das Alter von 30 bis 45 ist das Zeitfenster, indem am meisten konsumiert wird. Die 30 bis 45 Jährigen schlagen alle anderen Altersgruppen in ihren Konsumausgaben deutlich. Es ist die Altersgruppe, die Häuser baut oder kauft. Sie sind es, die sich am häufigsten ein neues Auto kaufen, am meisten für Essen, Einrichtung, Kleidung usw. ausgeben.
Seit Ende der 90er Jahre schrumpft diese Bevölkerungsgruppe in den USA. Grafik 1 zeigt den Anteil verschiedener Bevölkerungsgruppen an der Gesamtbevölkerung. Der Rückgang des Anteils der 30 bis 45 Jährigen hat für geringeres Wachstum gesorgt. Jetzt aber steigt die Zahl der Personen in dieser Bevölkerungsgruppe wieder.

Grafik 2 zeigt die Anzahl an Personen und ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung in dieser wichtigen Gruppe. Die Anzahl ging erst Ende der 90er Jahre zurück. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung sank der Anteil bereits seit Mitte der 90er Jahre. Seit 2011/12 steigt die Zahl der 30 bis 45 Jährigen wieder. Relativ zur Bevölkerung gesehen erreicht der Anteil gerade die Talsohle. Ganz präzise lässt sich nicht sagen, wann der Anteil wieder steigen wird. Möglich ist das ab 2016. Es könnte allerdings auch noch bis 2018 dauern.
Anhand der Entwicklung dieser wichtigen Bevölkerungsgruppe kann man eine Prognose für das Wachstum des US-Konsums erstellen. Dabei ist man darauf angewiesen, dass die Prognosen des US Census Büros einigermaßen zutreffend sind. Treffen sie zu, dann wird die Gruppe, auf die es ankommt, bis 2028 überproportional wachsen. Das deutet ein Jahrzehnt steigender Konsumausgaben an.

In der Vergangenheit passen Bevölkerungsentwicklung und Konsumausgaben sehr gut zusammen. Grafik 3 zeigt das Wachstum der Konsumausgaben und das Wachstum der Bevölkerungsgruppe 30-45. Treffen die Prognosen einigermaßen zu, dann ist die Talsohle des Konsumwachstums 2015 oder 2016 erreicht. Ab dann sollte es deutlich nach oben gehen. Bis 2023 sollte sich das Konsumwachstum beschleunigen und ab dann wieder sinken. Erst in den 30er Jahren muss man mit einer strukturellen und länger anhaltenden Stagnation rechnen.

Die Demographie hat das Potential, einen ordentlichen (positiven) Knall auszulösen. Die einzige Sorge, die man sich machen muss liegt in der Überalterung. Die Bevölkerungsgruppe der über 60 Jährigen wächst noch etwas schneller als die der 30 bis 45 Jährigen. Für gewöhnlich fällt der Konsum im Alter wieder etwas ab. Das kann das Wachstum in der Mitte der Bevölkerungspyramide dämpfen.

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7 Kommentare

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  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Lieber Herr Schmale,

    Ihr Optimismus möge Recht behalten, die Faktenlage lässt Zweifel zu.

    1950 hatten über 80% aller Männer in den USA eine Arbeit. Heute sind es weniger als 65% aller männlichen US-Bürger, die einen Job haben.

    Laut der US-Zensusbehörde gelten heute mehr als 146 Millionen Amerikaner als „arm“ oder „Niedrigverdiener“

    Laut der US-Zensusbehörde leben 49% aller US-Bürger in einer Familie, die jeden Monat direkte Zuwendungen von der Bundesregierung erhält. 1983 lebten noch weniger als ein Drittel aller Amerikaner in einer Familie, die direkte Zuwendungen erhielt

    1965 erhielt nur jeder 50. US-Bürger staatliche Arzneimittelzuschüsse. Heute erhält jeder 6. US-Bürger diese Zuschüsse und die Lage wird noch wesentlich schlimmer werden. Es wird davon ausgegangen, dass aufgrund von Obamacare [Krankenkassenreform] weitere 16 Millionen US-Bürger hinzukommen werden.

    Laut dem Economic Policy Institute verlieren die Vereinigten Staaten jedes Jahr 500.000 Arbeitsplätze an China.

    Die Zahl der Amerikaner, die aufgrund einer Erwerbsunfähigkeit Sozialhilfe erhalten, übersteigt die Bevölkerungszahl Griechenlands, und die Zahl der Amerikaner, die auf staatliche Lebensmittelmarken angewiesen sind, übersteigt die Bevölkerungszahl Spaniens.

    Laut einer Kalkulation ist die Zahl der Amerikaner, die staatliche Lebensmittelmarken erhalten,

    größer als die Bevölkerungszahlen der Bundesstaaten „Alaska, Arkansas, Connecticut, Delaware, District of Columbia, Hawaii, Idaho, Iowa, Kansas, Maine, Mississippi, Montana, Nebraska, Nevada, New Hampshire, New Mexiko, North Dakota, Oklahoma, Oregon, Rhode Island, South Dakota, Utah, Vermont, West Virginia und Wyoming“ zusammengenommen.

    kleine Unternehmen sterben derzeit mit einer atemberaubenden Rate. Aktuell sind gerade einmal 7% aller nicht landwirtschaftlich beschäftigen Arbeiter in den USA selbständig. Das ist ein Allzeittief.

    22:03 Uhr, 24.03.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Schtonk
    Schtonk

    Der Begriff "Konsumausgaben" ist extrem umfassend - und von daher für uns Trader wohl eher nichtssagend. Wenn ich einen ebenso umfassenden "Konsum"-Index langfristig traden würde, dann wäre das ganze ja einigermassen brauchbar, aber ich befürchte, das will hier keiner. Und verglichen mit der doch deutlich differenzierteren Heransgehensweise der Volkswirtschaft gesehen ist Ihr Ansatz definitiv zu stark vereinfachend, - also letztlich nichtssagend.

    21:13 Uhr, 24.03.2015
  • Eulen_spiegel
    Eulen_spiegel

    Ich halte das auch für gewagt - insbesonders der Kollaps der Öl-Industrie ist in den Schätzungen noch nicht wirklich drin in den Zahlen und den Schätzungen.

    Diese ist in den USA eine Hauptquelle neben Silicon Valley von Triple-A-Jobs, und hohen Konsumausgaben mit entsprechenden Multiplikatoreffekten. Hier wird gerade massiv eingespart, und muß noch mehr gespart werden wenn im Sommer die Öltanks bei Cushing überlaufen (sollen?).

    Mehr profitieren tut hier Europa, da hier die Ölindustrie sowieso abgewickelt wird (dank versiegender Quellen) und noch mehr China.

    20:51 Uhr, 24.03.2015
  • Jarakoff
    Jarakoff

    Ich halte es für sehr gewagt, kurzfristige Konsumausgaben (Anstieg ab 2016) anhand der demographischen Entwicklung (ein sehr langfristiger und extrem träger Indikator) derart präzise prognostizieren zu wollen.

    Wenn Sie sagen würden, dass aufgrund der Demographie im nächsten Jahrzehnt im Durchschnitt mit einer besseren Entwicklung der Konsumausgaben gerechnet werden kann als im vergangenen Jahrzehnt, dann könnte man das gelten lassen (wenn auch nur sehr bedingt). Aber, dass "der große Knall" genau ab 2016 kommt... Naja!

    Da bin ich von Ihnen hier bessere Analysen gewohnt. Aber ich bin gespannt auf die nächste ;)

    20:23 Uhr, 24.03.2015
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Die Projektion des Konsumwachstums in der untersten Abbildung halte ich für ziemlich fragwürdig. Die dargestellte Kurve würde nämlich bedeuten, dass die Konsumausgaben in den USA ausgerechnet dann einen neuen Höhepunkt erreichen, wenn die Baby-Boomer in Rente gehen. Die Mehrzahl dieser Generation ist jedoch schon heute in den mittleren 50ern, also bereits nicht mehr in der konsumstärksten Gruppe vertreten. Daher wäre das genaue Gegenteil zu erwarten...

    20:04 Uhr, 24.03.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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