US-Wirtschaft schrumpft – Bullen mit Scheuklappen
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Der Bericht basiert auf Befragungen und Daten der zwölf Fed-Bezirke. Und aus allen Bezirken ist vor dem Hintergrund der Zollproblematik von "erhöhter wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit" zu hören, die zu Zurückhaltung und Vorsicht bei Unternehmens- und Haushaltsentscheidungen führt.
Zunehmend steigende Preise und Kosten
Die Preise sind derweil moderat gestiegen. Doch es ist mit zukünftig schneller steigenden Preisen und dadurch Kosten zu rechnen. Denn alle Bezirke berichten, dass höhere Zollsätze zu einem Aufwärtsdruck auf Kosten und Preise führten. "Einige Bezirke bezeichneten diese erwarteten Kostensteigerungen als stark, signifikant oder erheblich", heißt es dazu im Beige Book.
In der Wochenausgabe des Börsenbriefs "Börse-Intern Premium" ist zu lesen, es sei "beeindruckend, wie die Märkte gestern gleich zweimal schlechte US-Konjunkturdaten weggesteckt haben". Dabei bezog ich mich auf den hier im Newsletter Börse-Intern bereits kurz erwähnten ADP-Arbeitsmarktbericht sowie den ISM-Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungsbereichs der USA (siehe "Wenn das große Geld fließt").
Das Beige Book kommt nun noch hinzu. Und die darin enthaltenen Informationen über die Preisentwicklung deckt sich mit den ISM-Daten. Der entsprechende Teilindex des Institute for Supply Management (ISM) stieg im Mai auf 68,7 Punkte und erreichte damit das höchste Niveau seit November 2022.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Börse-Intern vom 30. April, in der ich auf die Inflationserwartungen der US-Verbraucher hingewiesen hatte (siehe "US-BIP: Aktienmärkte auf dem falschen Fuß erwischt"): "Die US-Bürger rechnen laut den Umfrageergebnissen des Conference Board nunmehr mit einer Teuerungsrate von 7,0 % (!), nachdem sie im März bereits 6,2 % veranschlagt hatten. Das ist das höchste Niveau seit November 2022. Damals lag die Inflation der USA tatsächlich bei 7,1 %." Nun hat also auch der ISM-Preisindex das höchste Niveau seit November 2022 erreicht.
ISM-Service-Index fällt unter die Wachstumsschwelle
Für die Geldpolitik der US-Notenbank ist das natürlich ein gravierendes Problem. Denn sie kann die Zinsen nicht senken, wenn die US-Wirtschaft eine solche Unterstützung eigentlich brächte. Dass dies schon bald der Fall werden könnte, darauf deutete der ISM-Einkaufsmanagerindex für den US-Service-Sektor hin. Denn das Stimmungsbarometer sank im Mai auf 49,9 Punkte, nach 51,6 Zählern im April, wie aus der monatlichen Umfrage hervorgeht.
Und damit sackte der Frühindikator unter die Wachstumsschwelle von 50 Zählern ab, wenn auch nur knapp. Der Dienstleistungsbereich der USA schrumpft (!) demnach also. Und das kam für Experten völlig überraschend. Denn Volkswirte hatten mit einem Index-Anstieg (!) auf 52,0 Zähler gerechnet. Diese Konsensschätzung wurde klar verfehlt.
Schwacher US-Arbeitsmarkt?
Vor diesem Hintergrund dürfte es spannend werden, wie der offizielle US-Arbeitsmarktbericht am heutigen Freitag ausfallen wird. Die ISM-Daten deuten auf leichtes Stellenwachstum hin. Und laut dem gestrigen Bericht des Personaldienstleisters ADP entstanden in der Privatwirtschaft im Mai 37.000 neue Jobs. Damit haben US-Unternehmen allerdings weit weniger Stellen geschaffen als erwartet. Ökonomen hatten mit 110.000 gerechnet, nachdem es im April immerhin 60.000 Stellen waren. Außerdem ist der aktuelle Wert der niedrigste seit März 2023, also seit mehr als zwei Jahren.
US-Industrie nur in drei von 31 Monaten gewachsen
Aus meiner Sicht hätte dies die Konjunktursorgen eigentlich verstärken müssen. Zumal auch der ISM-Einkaufsmanagerindex der Industrie erneut gesunken ist und unterhalb der wichtigen 50er-Marke liegt – zum dritten Mal in Folge, wie sich am Montag herausstellte.
In den vergangenen 31 Monaten notierte dieser Index nur dreimal oberhalb der Wachstumsschwelle. Daher kann man verstehen, dass US-Präsident Donald Trump die heimische Industrie schützen möchte. Aber offenbar macht er es aktuell eher noch schlimmer, bevor es dann vielleicht besser wird.
Bullen scheren sich offenbar nicht um fundamentale Daten
Aber mir scheint, dass sich derzeit kaum ein Bulle um fundamentale Fakten schert. Die Käufer am Aktienmarkt haben Scheuklappen auf und fokussieren sich nur auf das Motto "buy the dip". Kleine Rücksetzer (bei schlechten Nachrichten) werden sofort zum Einstieg genutzt, positive Nachrichten unmittelbar mit steigenden Kursen quittiert. Wie lange mag das wohl noch gut gehen? Zumal die saisonal schwache Börsenzeit ansteht (siehe "Zölle, Sell in May und NVIDIA").
DAX steigt auf das nächste Rekordhoch, aber wieder nicht nachhaltig
Vorerst hat der DAX aber gestern schon wieder ein neues Rekordhoch markiert. Mit diesem hat er seit Jahresbeginn nun um +22,90 % zugelegt und das ehemalige Rekordhoch vom März (rote Pfeile im folgenden Chart) um +4,22 % überboten.
Allerdings konnte auch heute das neue Niveau nicht gehalten werden. Stattdessen fiel er wieder unter die Mittellinie bei 24.305 Punkten und die (rot gestrichelte) Konsolidierungslinie. Es bleibt somit spannend, ob dieser (Kreuz-)Widerstand der Target-Trend-Methode das Ende der Rally bedeuten kann.
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