Kommentar
06:50 Uhr, 30.11.2015

US-Wirtschaft: Die verschwiegenen Probleme

Die USA sind das Stehaufmännchen der Weltwirtschaft. Dafür gibt es einen Grund, doch dieser Grund droht wegzufallen. Die nächste Krise wird dadurch nur mit Mühe zu überwinden sein.

Die US Wirtschaft ist alles andere als problembefreit, dennoch gelingt es den USA immer wieder relativ schnell Krisen hinter sich zu lassen. Dieses Phänomen ist nicht neu. Es besteht bereits seit mindestens einem Jahrhundert. Die USA sind eines der ganz wenigen Länder, die bisher ohne Hyperinflation und Staatsbankrott ausgekommen sind. Länder wie Deutschland, Japan, China oder Frankreich können das nicht von sich behaupten.

Bemerkenswert ist die Robustheit der US Wirtschaft auch unter den Gesichtspunkten des starken, internationalen Engagements. Die USA haben allein für den Irakkrieg inklusive der Folgekosten knapp 2 Billionen Dollar ausgegeben. Allein das hat die Schulden, gemessen an der heutigen Wirtschaftsleistung, um 12% steigen lassen.

Trotz absurd hoher Staatsausgaben, überschuldeter Haushalte und einem boomenden Niedriglohnsektor ist die US Wirtschaft bisher gut durch Krisen gekommen. Nach der Finanzkrise 2008 sind die USA das erste Land, welches von einer gewissen Normalisierung sprechen kann. In der Eurozone ist man davon noch Jahre entfernt. In Großbritannien sieht es nicht anders aus. Japan ist eine ganz eigene Geschichte. Hier wird die „Normalität“ nicht mehr einkehren. Dieser Zug ist längst abgefahren.

Weltweit gibt es nur wenige Länder, die es geschafft haben die komplette Katastrophe (Staatsbankrott, wirtschaftliche Depression) zu vermeiden. Grafik 1 zeigt eine Auswahl an Ländern und deren Anzahl an Staatsbankrotten und Umschuldungen. Neben den USA, Großbritannien und Australien sind bisher auch Schweden und Norwegen einem Reset entgangen.

Bei einem Reset kommt es entweder zum direkten Zahlungsausfall des Staates mit Umschuldung, Schuldenerlass und möglicherweise einer Währungsreform oder der Staat druckt Geld, um sich aus der Überschuldung zu befreien. In diesem Fall folgt Hyperinflation und dann die Insolvenz, inklusive Währungsreform.

Ein Reset folgt nicht nur auf kriegerische Auseinandersetzungen. Man denke an die Süd- und Lateinamerikakrise in den 80er Jahren oder die Asien- und Russlandkrise in den 90ern sowie Griechenland heute. Keiner kann genau sagen wieso die USA so robust sind. Ein Vorteil ist sicherlich der Mangel an Kriegen auf eigenem Territorium, doch Krieg ist nur einer von vielen Gründen für den Reset.

Den USA hilft gewiss auch, dass der Dollar eine Reservewährung ist, doch auch das erklärt nicht alles. Vielmehr beweist die US Wirtschaft regelmäßig ihre Innovationskraft. In den USA ist die Anzahl junger Unternehmen weltweit am höchsten. Es wird quasi gegründet, was das Zeug hält. Neu gegründete Unternehmen werden bei weitem nicht alle zur Erfolgsgeschichte, doch sie schaffen Arbeitsplätze und bringen Innovationen auf den Markt.

In weltweiten Startup- und Innovations-Rankings liegen die USA oftmals weit vorne. Dabei zählt nicht nur die Anzahl an Neugründungen, sondern auch andere Faktoren wie Ausgaben für Forschung & Entwicklung, rechtliche Rahmenbedingungen, Infrastruktur und die Einfachheit Unternehmen zu gründen und Geschäfte zu machen.

Die günstigen Rahmenbedingungen in den USA führen zu vielen Neugründungen und Arbeitsplätzen. Das ist ein Wachstumsmotor. Dieser Motor stottert seit einigen Jahren immer mehr. Grafik 2 zeigt wie viele neue Arbeitsplätze in den USA geschaffen und wie viele gestrichen werden. Die Tendenz ist grundsätzlich positiv. Es werden pro Quartal deutlich mehr Stellen geschaffen als abgebaut. Anfang 2015 war das bisher schwächste Quartal seit Anfang 2010.

Die Erholung des US Arbeitsmarktes ist solider als in den Jahren 2003 bis 2007, allerdings war die vorangegangene Krise auch weniger dramatisch. Zwischen 2001 und 2003 fielen weniger als 4 Mio. Stellen weg. 2008 bis 2010 waren es fast 10 Mio. Der Nachholbedarf ist heute immer noch größer als in den Jahren 2003 bis 2007.
Der schleppende Arbeitsmarkt hat auch damit zu tun, dass in den USA immer weniger neue Unternehmen gegründet werden. Grafik 3 zeigt die Zahl der neu gegründeten Unternehmen und wie viele Unternehmen geschlossen wurden. Der Trend für Neugründungen ist abwärts gerichtet. Bis 2007 war das anders. Jahre- bzw. sogar jahrzehntelang stieg die Zahl der Neugründungen. 2008 hat sich dieser Trend umgekehrt.

Heute werden 10% weniger neue Unternehmen gegründet als noch im Vorkrisenjahr. Gleichzeitig ist die US Bevölkerung seit 2007 um knapp 8% gewachsen. Die Neugründungen pro Kopf sind also fast 20% nach unten gegangen. Während weniger gegründet wird, werden nach wie vor viele Unternehmen geschlossen. Es dauert nicht mehr lange und es werden mehr Unternehmen geschlossen als gegründet.
Das zeigt sich auch in den Arbeitsmarktstatistiken. Grafik 4 zeigt die Zahl der geschaffenen Stellen durch Neugründungen und die Zahl der weggefallenen Stellen durch Unternehmensschließungen. Von der Normalität der 90er Jahre sind die USA weit entfernt. Die Tendenz geht immer mehr Richtung eines Gleichgewichts. Der Jobmotor Unternehmensgründungen stottert erheblich.

Das Problem der geringen Neugründungen für den Arbeitsmarkt ist bekannt. Dagegen tun kann man fast nichts. Menschen scheuen das Risiko. Noch mehr als potentielle Unternehmer scheuen aber Geldgeber und Investoren das Risiko. Die Finanzierung von Geschäftsideen ist so schwierig wie selten zuvor.

Den USA entgeht nicht nur ein schnelleres Wachstum durch den Mangel an Neugründungen, sondern auch die Fähigkeit schnell aus Krisen herauszuwachsen. Gleichzeitig werden Krisen zukünftig gravierender. Immer mehr Großunternehmen stellen immer mehr Arbeitsplätze. Diese Konzentration ist nicht nur für Konsumenten schlecht (je größer die Unternehmen sind, desto weniger Wettbewerb gibt es), sondern auch für die Innovationskraft einer Wirtschaft. Ebenso tendieren Großunternehmen, die fast immer an der Börse notieren, dazu, Arbeitsplätze und anständige Bezahlung den Aktionären zuliebe zu opfern.

Geht es mit der Wirtschaft (oder den Quartalszahlen) bergab, dann sind schnell 10.000 Stellen gestrichen. Ein Betrieb mit 5 Angestellten wird seine Mitarbeiter tendenziell so lange beschäftigen wie nur irgend möglich. Je mehr die Konzentration in den USA zunimmt, desto schwieriger wird es für das Land aus zukünftigen Krisen herauszuwachsen.

Warren Buffett investiert gerne in US Unternehmen, weil er ein unerschütterliches Vertrauen in die US Wirtschaft hat sich immer wieder aus Krisen zu befreien. Das hat ihm viel Geld eingebracht. In anderen Ländern wäre das nicht möglich gewesen. Während man mit Aktien in den USA langfristig gutes Geld verdienen konnte, war das in vielen anderen Ländern nicht der Fall. Dazu gehört auch das Großbritannien, welches bisher einen Reset vermeiden konnte. Persönlich würde ich Warren Buffetts Wette auf die unerschütterliche amerikanische Wirtschaft heute so nicht mehr eingehen.

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4 Kommentare

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  • Unbedingt
    Unbedingt

    Die Sache mit den Kriegskosten muss man mit vorsicht genießen. Die sind erstens meist maßlos übertrieben (da kann man alles mögliche drin verstecken) und zweitens ist das Geld ja überwiegend an Amerikaner geflossen und nicht über die Grenzen der USA hinaus. Wenn ich das schon zwanzigmal irgenwo erwähnt habe, doch noch einmal hier: Aus Sicht der USA ist so ein kurzer Krieg ein Investitions- und Beschäftigungsprogramm.

    Darüber hinaus wäre es aber einmal sehr interessant, zu beleuchten, wie die USA ihre Probleme exportieren. Ob das einfach mit der Potenz als Finanz- und Wirtschaftsmacht zu erklären ist oder mehr damit, dass so viele Starökonomen dort zu Hause sind. Im Grunde macht die FED ja derzeit Finanzpolitik für den halben Globus. Ob die betroffenen Länder das wollen oder nicht. Sogar die Chinesen können sich dem offenbar nicht entziehen. Wenn das alles von vorne bis hinten durchdacht ist, kann man von hier aus der Ferne nur den Hut davor ziehen. Es könnte sich aber auch nur um ein Spiel handeln, in dem niemand wirklich die Fäden in der Hand hat. Offensichtlich ist da gar nichts.

    10:05 Uhr, 30.11. 2015
  • netzadler
    netzadler

    es wäre mal interessant, die Anteile allein von Google, apple, Amazon und Facebook am BIP herauszurechnen.

    ich denke auch, ein Großteil des booms in den letzten jahren kam aus dem fracking. da wurde auch richtig geld verdient. wenn das jetzt sukzessive wegfällt, muss ersatz her.

    dekarbonisierung und die Halbierung der rohstoffpreise werden auch noch ihren weg durch die realwirtschaft finden, hier sind auch weltweit große vermögen vernichtet, die Abschreibungen kommen erst noch, es entfällt hohes Volumen an Investitionen.

    wenn Effizienz über Verschwendung steht, ist das ja grundsätzlich gut, aber einsparen hat negative folgen für das Wachstum, man kann nicht alles haben.

    Investitionen in krieg und Militär waren bisher auch immer ein wichtiges Standbein für die amerikanische Konjunktur -zumindest da, können die USA ja aktiv handeln- (Ironie aus).

    09:12 Uhr, 30.11. 2015
  • Etienne
    Etienne

    Guten Morgen Herr Schmale,

    Ihre Artikel sind wie immer sehr gut!

    Im Falle der 2 Billionen Kosten für den Irak-Krieg möchte ich allerdings eine kleine Ergänzung anbringen und gleichzeitig einen ranghohen Offizier zitieren: "...die USA haben sich den Irak-Krieg fast komplett von Deutschland und der EU bezahlen lassen, sogar das Toilettenpapier..."
    Somit lässt sich schon besser erklären, wie die USA (unabhängig von ihrer virtuellen Gelddruckmaschiene) von einem "Wirtschaftswunder" zum nächsten kommen...
    Schon 1999 hat man gewusst, dass praktisch seit Jahren, ALLE Veröffentlichungen des "Beige Books" gefälscht waren. Und um im Zitat fortzufahren: "...desweiteren haben die USA den Irak-Krieg dazu benutzt, sich der ganzen alten Waffen (hauptsächlich verrostete Bomben) im Wüstensand zu entledigen, wodurch extrem hohe Kosten eingespart wurden, die normalerweise bei einer regulären Verschrottung angefallen wären. Ich kann mich selbst noch an eine Szene in der damaligen Tagesschau erinnern, in der ein US-Kampfjet in Nahaufnahme gezeigt wurde, wie er gerade abdrehte und somit seinen "Bauch" mit den Waffen herzeigte. Man konnte selbst im Fernseher die alten, verrosteten Bomben erkennen und ich weiss noch genau, wie ich mich schon damals gewundert habe. Nur konnte ich damals noch nichts damit anfangen. :-)
    Das sind aber jetzt noch die "netten" Infos über die USA und den Irak-Krieg.
    In diesem Sinne wünsche ich noch einen schönen Tag und eine erfolgreiche Woche!
    Freue mich schon auf Ihren nächsten Artikel.

    08:35 Uhr, 30.11. 2015
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Sehr guter Artikel Herr Schmale. Nicht zu unterschätzen sind jedoch die Vorteile, welche die USA aus dem US-Dollar als Weltreservewährung ziehen, sowie die weltweite Implementierung des US-Dollar als alleiniges Zahlungsmittel für Öl. Die Kombination dieser beiden Vorteile, hat es für die USA möglich gemacht, sich in einer sensationellen Art und Weise auf Kosten der restlichen Welt zu verschulden. Ein weiterer Treiber der US-Wirtschaft ist der monströse Militärhaushalt, der alles in den Schatten stellt, was die Welt bislang an Militärausgaben gesehen hat. Der industrielle Kern der USA wurde eingedampft, da man sich viel zu sehr auf die Sektoren Dienstleistung und Finanzmärkte fokussiert hat. Fazit: Es wird schwierig werden, für die USA in den nächsten Jahren und ob es ihnen gelingt, die Number 1 zu bleiben, ist zumindest fraglich.

    07:18 Uhr, 30.11. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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