Kommentar
07:14 Uhr, 10.11.2015

US-Wirtschaft: Alles prima?

„Sensationell, megastark, außergewöhnlich, ...“ – so wurde der US Arbeitsmarktbericht am vergangenen Freitag beschrieben. Was bedeutet diese „Sensation“ nun für Aktien?

Die erste Reaktion der Börse auf den Arbeitsmarktbericht war verhalten. Die Kurse gaben zunächst nach, konnten sich im Laufe des Handels dann aber wieder erholen. Die erste Reaktion war nicht besonders intuitiv, denn bei einem so starken Arbeitsmarkt hätten sich Anleger eigentlich freuen müssen. Es wurden im Oktober knapp 100.000 Stellen mehr geschaffen als erwartet. Dass Erwartungen so deutlich übertroffen werden ist selten. Gestern, zu Wochenbeginn, setzte sich die „Freude“ fort. Der Markt quittierte die gute fundamentale Lage mit dicken Minuszeichen.

Im Sommer fürchtete die Welt um eine Abkühlung der Weltwirtschaft. Getrieben war diese Angst durch Signale aus China, aber auch den USA. Der letzte Arbeitsmarktbericht im September war alles andere als sensationell. Diese Sorgen wurden nun zerstreut. Der US Wirtschaft geht es nach wie vor gut. Von einer Abkühlung kann keine Rede sein.

Der gute Arbeitsmarktbericht ließ die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung im Dezember auf über 70% hinaufschnellen. Das dürfte für den holprigen Handelsstart am Freitag gesorgt haben und in der Folge die Minuszeichen erklären. Die erste Zinserhöhung wird zwar in homöopathischer Dosierung erfolgen, doch es ist ein klares Signal, dass die Zeit endloser Liquiditätsschwemme vorbei ist. Das hat reflexartig zu Verkäufen geführt. Aus fundamentaler Sicht ist die Richtung jedoch zu begrüßen. Mehr Menschen in Arbeit bedeutet, dass mehr konsumiert werden kann. Das lässt die Gewinne der Unternehmen wieder steigen.

Ein Haar in der Suppe lässt sich freilich finden. Die Zahl der Vollzeitstellen erreichte erst jetzt wieder das Vorkrisenniveau. Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Voll- und Teilzeitstellen. Derzeit sind 122 Mio. Amerikaner vollzeitbeschäftigt. Das ist nur minimal mehr als 2007. Seit 2007 ist die US Bevölkerung allerdings um 6,7% gewachsen. Die gleiche Anzahl an Vollzeitstellen verteilt sich auf eine größere Bevölkerung.

Grafik 1 zeigt neben der absoluten Anzahl an Jobs auch die relative Zahl im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Der Prozentsatz an Vollzeitbeschäftigten liegt noch 2,4 Prozentpunkte unter den Vorkrisenniveaus. Man kann also nicht behaupten, dass die Krise wirklich komplett abgehakt ist.

Trotz der weiterhin bestehenden strukturellen Probleme des Arbeitsmarktes gibt es erfreuliche Signale. Was der Politik und Notenbank große Sorgen bereitete war die Teilzeitbeschäftigung aus ökonomischen Gründen. Ökonomische Gründe beziehen sich darauf, dass Menschen gerne Vollzeit arbeiten würden, aber keine Vollzeitstelle erhalten.

Grafik 2 zeigt die Zahl der Teilzeitbeschäftigten aus ökonomischen Gründen und den Prozentsatz dieser Bevölkerungsgruppe im Verhältnis zu Gesamtbevölkerung. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten erreicht fast wieder das Vorkrisenniveau. Das heißt, dass immer weniger Menschen nur Teilzeitarbeit finden, obwohl sie eine Vollzeitstelle suchen. Oder anders formuliert: immer mehr Menschen, die 100% arbeiten wollen, finden auch Vollzeitjobs.

Relativ gesehen (Teilzeit in Prozent der Gesamtbevölkerung) geht die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten aus ökonomischen Gründen sehr schnell zurück und befinden sich inzwischen unter den Werten der 80er Jahre. Das ist ein wirklich starkes Signal und kann im Verlauf des kommenden Jahres für höhere Lohnsteigerungen sprechen.

Obwohl der Arbeitsmarkt gut läuft bleibt es bisher rätselhaft, wieso die Löhne kaum steigen. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass viele neue Vollzeitstellen aus dem Pool der Teilzeitbeschäftigten bedient werden kann. Diese „Reserve“ wird immer kleiner und dürfte bei anhaltender Dynamik im kommenden Jahr verschwinden. Dann sind Unternehmen gezwungen höhere Löhne zu bieten, um Vollzeitstellen besetzen zu können.

Was bedeutet das nun alles für Aktien? Generell sollte die Dynamik für den US Markt positiv wirken. Underperformer bleiben Rohstoffunternehmen, da die Zinswende den Dollar weiter aufwerten lässt und Rohstoffunternehmen unter Druck bringt. Vor allem Konsumwerte sollten weiterhin outperformen können. Hinzu gesellt sich ein neuer Sektor: Banken.

Steigen die Zinsen, dann steigen die Margen der Banken. Grafik 3 zeigt den Nasdaq Bank Index und die langfristigen US Zinsen. Der Zusammenhang wird sofort deutlich. Der Bankindex arbeitet an einem Ausbruch nach oben. Gelingt dieser, dann sind US Bankaktien der klare Favorit für 2016.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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