Kommentar
06:55 Uhr, 27.04.2017

US-Unternehmen: Dieser Exzess ist Wahnsinn!

US-Aktien sind deutlich höher bewertet als europäische. Man fragt sich manchmal wirklich, wieso.

Es ist nicht neu, dass Unternehmen in Europa und den USA unterschiedlich funktionieren. US-Unternehmen legen sehr viel mehr Wert auf Shareholder Value, koste es, was es wolle. Auf Teufel komm raus müssen Aktionäre beglückt werden, notfalls auch gegen ihren eigenen Willen.

Um Aktionäre zu beglücken, werden Dividenden ausgeschüttet und eigene Aktien zurückgekauft. Viele Unternehmen können sich das in dem Ausmaß, in dem sie es tun, gar nicht leisten. Sie nehmen Schulden auf, um die Geschenke zu finanzieren. Solche Aktionen können zwar kurzfristig glücklich machen, sind aber langfristig einfach nur wahnsinnig.

So entwickelt sich gerade in den USA die Grundlage für die nächste Finanzkrise. Unternehmen saugen sich mit Schulden voll wie ein Schwamm. Die Zinsen sind zwar niedrig, aber das hat nur einen positiven Einfluss, solange sich die Neuverschuldung im Rahmen hält. Das tut sie nicht.

Grafik 1 zeigt, wie viel US-Unternehmen und Haushalte von ihrem Einkommen in den Schuldendienst stecken müssen. Privathaushalte profitieren von den niedrigen Zinsen und zahlen so wenig wie lange nicht für den Schuldendienst (Zinsen und Rückzahlung). Anders sieht das bei Unternehmen aus. Sie geben schon wieder fast so viel ihres Einkommens für Schulden aus wie vor der Krise und das, obwohl die Zinsen im Durchschnitt bei maximal der Hälfte des Vorkrisenniveaus stehen.

Während eines Zyklus steigt der Schuldendienst erst lange nachdem die Zinsen steigen an. Das liegt daran, dass die Schulden bestimmte Laufzeiten haben. Die Schulden, die während eines Wirtschaftsabschwungs im Niedrigzinsumfeld aufgenommen werden, drücken den Schuldendienst noch lange nach der ersten Zinsanhebung. Der Höhepunkt des Schuldendienstes kommt zu Beginn des nächsten Abschwungs. Das Einkommen sinkt, die Zinsen sind jedoch noch hoch.

Obwohl die Zinsen in den USA noch immer historisch niedrig sind, steigt der Schuldendienst ziemlich deutlich und ziemlich schnell an. Erreichen die Zinsen erst einmal 2 %, dürften US-Unternehmen so viel für ihre Schulden ausgeben wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das ist vollkommener Irrsinn.

Diesen Irrsinn gibt es in Europa so nicht. Das Beispiel Deutschland zeigt, dass es auch anders geht (Grafik 2). Hier sinkt der Anteil des Einkommens, der für den Schuldendienst aufgewendet werden muss für den Privatsektor als Ganzes immer noch. Getrieben wird dies vor allem durch die Haushalte. Bei Unternehmen bleibt der Anteil seit Jahren mehr oder minder stabil.

Auch deutsche Unternehmen greifen im Niedrigzinsumfeld zu und beschaffen sich Geld. Aus diesem Grund sinkt der Schuldendienst auch nicht. Die Sache hält sich im Gegensatz zu den USA jedoch im Rahmen. Ein Exzess ist nicht zu erkennen. Einen Zinserhöhungszyklus können deutsche Unternehmen relativ gut durchstehen. Bei US-Unternehmen kann man sich da nicht so sicher sein.

Vor lauter kurzfristiger Shareholder-Value-Maximierung graben sich viele US-Unternehmen langfristig das Wasser ab. Das muss weder heute noch morgen zum Problem werden. In 5 bis 10 Jahren kann das vollkommen anders aussehen. Dann braucht möglicherweise ein Großteil der US-Unternehmen des Nicht-Finanzsektors einen Bailout.

Clemens Schmale

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5 Kommentare

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  • fehu001
    fehu001

    US-Aktien sind deshalb höher bewertet, weil sie mehr wert sind.

    12:09 Uhr, 27.04.2017
  • FinanzplatzFrankfurt
    FinanzplatzFrankfurt

    Ist nicht schade um das dicke Riesenbaby :)

    08:41 Uhr, 27.04.2017
  • netzadler
    netzadler

    reset ist in Vorbereitung, mit nordkorea scheint der Sündenbock nun endlich gefunden

    08:17 Uhr, 27.04.2017
  • 1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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