Kommentar
16:16 Uhr, 03.07.2024

US-Staatsanleihen senden Stresssignal

Im Normalfall steht der Markt für Staatsanleihen unter weniger Stress als der Markt für Unternehmensanleihen. Aktuell ist dies aus einem ganz bestimmten Grund anders und hat sowohl mit der US-Notenbank als auch der US-Regierung zu tun.

2024 war bisher ein gutes, aber dafür auch sehr langweiliges Börsenjahr. In den USA war das höchste der Gefühle ein Rücksetzer von gerade einmal 5 %. Statistisch gesehen ist ein größerer Rücksetzer beinahe überfällig. Ein Rücksetzer von 10 % kommt aber nicht ohne Grund. Es muss einen Auslöser geben. Davon gibt es derzeit gleich mehrere.

Über langsam aufkeimende Zweifel, dass das hohe Investitionsvolumen rund um künstliche Intelligenz so schnell steigt, wie erwartet, berichte ich im Detail an anderer Stelle. Ebenso spielt die Bank of England gerade mit dem Feuer, indem sie eine ungleiche Verteilung von Bankreserven ignoriert. Sie riskiert dadurch einen geldpolitischen Unfall. Auch in den USA droht ein solcher Unfall. Immerhin würde die Notenbank dann schnell einschreiten.


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Die Unfallgefahr hängt mit dem Markt für Staatsanleihen zusammen. Um zu verstehen, wie groß die Gefahr ist, lohnt zunächst ein Blick auf Unternehmensanleihen. Dieser Markt steht unter wenig Druck. Das Stresslevel ist zwar nicht historisch niedrig, doch im Vergleich zu den vergangenen zwei Jahren sehr tief. Der Trend ist zudem ermunternd. Das Stresslevel nimmt nicht zu (Grafik 1).

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Das ist auch für den Aktienmarkt von Bedeutung. Das Stresslevel beginnt im Normalfall zuerst zu steigen. Der Aktienmarkt beginnt kurz darauf zu korrigieren. Das war 2020 ebenso zu sehen wie 2022 oder 2008 (Grafik 2). Da das Stressniveau niedrig ist, gibt es eigentlich kein Grund zur Sorge. Das Problem: Staatsanleihen vermitteln ein ganz anderes Bild.

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Das Stressniveau im Markt für Staatsanleihen ist höher als 2020 und reicht an die Werte der Finanzkrise heran (Grafik 3). Das ist in der Historie der Datenreihe einmalig. Unternehmensanleihen senden kein Stresssignal, Staatsanleihen hingegen sind unter großem Druck.

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Die gute Nachricht daran: Es ist kein systemisches Problem. Es betrifft Staatsanleihen und nur diese. Notenbank und Staat tragen dafür die Verantwortung. Die Notenbank reduziert ihren Anleihebestand und der Staat verschuldet sich, als gäbe es kein Morgen. Bei so viel Angebot an Anleihen ist Stress nicht ungewöhnlich.

Der Markt für US-Anleihen ist der größte der Welt. Früher oder später kann die niedrige Liquidität zu ungewollt steigenden Renditen führen. Der Markt muss einfach funktionieren, nicht nur, um ungewöhnliche Renditeentwicklungen zu vermeiden, sondern auch, damit Investoren ihre Anleihen jederzeit verkaufen können. Ist dies nicht gewährleistet, droht Panik.

Es bleibt abzuwarten, ob die Notenbank ihre Bilanzsummenreduktion früh genug beendet, um Panik zu vermeiden. So bleibt das unangenehme Gefühl, dass derzeit viele Faktoren für eine Korrektur sprechen. Vorerst unternehme ich nichts. Es ist aber gut möglich, dass sich in den kommenden Wochen plötzlich eine tiefere Aktienallokation empfiehlt.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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