Kommentar
09:00 Uhr, 21.08.2017

US-Regierung vor dem Abgrund!

Die Lage spitzt sich zu. Das liegt nicht an der Russland-Affäre oder sonstigen Skandalen, sondern an etwas ganz anderem.

Die Uhr tickt ziemlich laut und deutlich. Gemessen an diesem donnernden Geräusch wird dem Thema wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Es geht um die Schuldenobergrenze der USA. Das Thema kennen wir. Schon mehrfach hielt die Welt den Atem an, während sie zusah, wie die Zeit davonrann.

Bisher ist es immer wieder geglückt, die Schuldenobergrenze doch noch anzuheben. Einmal bedurfte es eines Shutdowns, also der temporären Einstellung gewisser staatlicher Dienstleistungen, um den Kongress zu überzeugen. Dieses Mal könnte mehr notwendig sein.

Die derzeitige Regierung hat trotz Mehrheit im Repräsentantenhaus und Senat bisher kein Gesetzesvorhaben durchgebracht. Das lag nicht etwa an der Opposition, sondern daran, dass die Republikaner uneins sind. Es liegt auch daran, dass die Gesetzesentwürfe Schnellschüsse waren, die im Kern einfach nicht tragbar schienen.

Im Gegensatz zu einer Steuerreform, die man heute oder nächstes Jahr beschließen kann, muss eine Lösung für die Schuldenobergrenze dringend gefunden werden. Das kann man nicht ewig vor sich herschieben. Ende September geht der Regierung das Geld aus. Dann wird es kritisch.

Im Kern geht um die Vermeidung eines Kreditausfalls. Kann der Staat Zinsen nicht zahlen, reicht das, um von den Rating Agenturen in die Kategorie Zahlungsausfall abgestuft zu werden. Das bedeutet für viele Investoren, dass sie die Anleihen gemäß Richtlinien nicht mehr halten dürfen. Es würde ein regelrechtes Verkaufsmassaker stattfinden.

Theoretisch muss man vor diesem Szenario keine Angst haben. Die USA geben derzeit ca. 500 Mrd. für Zinszahlungen aus. Die Rückzahlung von Schulden spielt keine Rolle. Solange die Gesamtschulden nicht steigen, können auslaufende Anleihen durch neue ersetzt werden. Es geht also lediglich darum, ob die Zinsen gezahlt werden können oder nicht.

Die Einnahmen liegen bei mehr als 2 Billionen Dollar (Grafik 1). Die Zinsen von 500 Mrd. lassen sich also problemlos stemmen. Der Staat muss den Zinszahlungen einfach nur Priorität geben. Das kann er und das Finanzministerium hat durchblicken lassen, dass die Zinszahlungen allerhöchste Priorität haben. Also alles kein Problem?

Der Teufel steckt im Detail. Der Staat fährt ein enormes Defizit. Es erreichte zuletzt knapp 600 Mrd. auf Jahresbasis. Darf der Staat nicht mehr ausgeben als er einnimmt, geht das nicht mehr. Es müssen also Ausgaben gekürzt werden. Vom Gesamtbudget von 3,6 Billionen Dollar sind 1,1 Billionen die Ausgaben, die der Staat kürzen kann.

Der Staat hat gewisse Ausgaben, die er nicht antasten darf. Dazu gehören Sozialleistungen, auf die Menschen per Gesetz einen garantierten Anspruch haben. Die USA können im Maximalfall ihre Ausgaben also 1,1 Billionen senken. Bei einem Defizit von 600 Mrd. und Zinszahlungen von 500 Mrd. pro Jahr, müssten diese Ausgaben zu 100 % gestrichen werden, um das Land ein Jahr lang über Wasser zu halten.

Von den 1,1 Billionen entfallen 500 Mrd. auf das Militär. Es ist absolut unvorstellbar, dass die USA dem Militär 80 % des Budgets wegnehmen. Das Militär wäre einfach nicht mehr funktionsfähig. Das ist also keine Option.

Die Pflichtausgaben des Staates steigen zudem Jahr um Jahr. Der Spielraum wird immer kleiner. Zu allem Überfluss sind die Einnahmen und Ausgaben nicht gleichverteilt. In einigen Monaten werden mehr Steuern eingenommen als in anderen. Da der Staat kaum Geldreserven hat, kann es zu einem Mismatch von Einnahmen und Ausgaben kommen. In diesem Fall muss der Staat dann entscheiden, was er tut. Zahlt er Pflichtausgaben nicht, ist vermutlich aus rechtlicher Sicht die Hölle los. Werden Zinsen nicht gezahlt, dreht der Finanzmarkt durch.

Die Lage ist wirklich ernst, insbesondere, wenn man sich die Kohäsion der Regierungspartei vor Augen führt. Dass sie sich nicht rechtzeitig einigen können, ist durchaus vorstellbar. Besser wird die Situation dadurch langfristig bestimmt nicht. Kurzfristig ist die Anhebung der Schuldenobergrenze notwendig. Langfristig sind die Schulden kaum noch tragbar. Sie fressen bereits jetzt 20 % des Budgets auf (Grafik 2). Da muss eine langfristigere Lösung her. Die ist überhaupt nicht in Sicht.

Die Regierung steht jedenfalls am Abgrund. Kommt es zu keiner rechtzeitigen Einigung dürfte die Administration vor dem Ende stehen.

Clemens Schmale

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18 Kommentare

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  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    Das wäre ja mal ganz was Neues, dass eine Regierung ohne echte Not zu haben, Ihre eigenen Untergang beschließt. :-) . Klar, wird es Rede- und Diskussionsbedarf geben - wie jedes Jahr - und möglicherweise wird das einige Anleger beunruhigen, aber dass sich am Ende nicht geeinigt wird, halte ich für kaum realistisch. Von Geldmengenausweitung und verstärkter Inflation über einfach eine Anhebung der Schuldenobegrenze , natürlich unter Bedingung A, B und C und mit Hinweis, dass ja die Konjunktur läuft, also das BIP dieses Jahr und auch nächstes Jahr höher sein wird und das somit verträglich ist, usw. hat eine US Regierung sehr viele Möglichkeiten zu reagieren. Die wird sie nutzen.

    12:28 Uhr, 21.08. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Zu allem Überfluss ist "The Donald" nun auch noch allein zu Haus, ähm im Weißen Haus, seine Berater hat er entsorgt oder sie sind freiwillig gegangen. Wie man Trumpi kennt, kommt Langeweile ganz gewiss nicht auf, im Gegenteil könnte den USA ein heißer Herbst ins Haus stehen.

    12:01 Uhr, 21.08. 2017
  • salametti
    salametti

    Kontraindikator Clemens Schmale?

    11:28 Uhr, 21.08. 2017
  • cysonic
    cysonic

    @einfach So einfach ist es nicht. Dazu: "Wichtig ist die Erkenntnis, dass es in einem Fiat Money System wie oben beschrieben technisch keinen Staatsbankrott der USA geben kann – es sei denn, dieser wird von den Staatsvertretern selbst „beschlossen“. "
    http://www.kaufkraftschutz.de/warum-ein-staatsbank...

    Die USA könnten also sehr wohl in eine Krise geraten - WENN sie politisch gewollt ist...

    11:23 Uhr, 21.08. 2017
  • Marco Soda
    Marco Soda

    ich geh bald in Rente, ok es reicht, aber wohlfühlen sieht bei mir ganz anders aus

    11:22 Uhr, 21.08. 2017
  • einfach
    einfach

    sie verkennen leider alle die situation.

    kein land, dass in seiner eigenen währung verschuldet ist kann jemals pleite gehen.

    seit dem computerzeitalter erst recht nicht, da kein papier mehr bedruckt werden muss sondern nur noch eine zahl in einem eingabefeld am bildschirm eingegeben wird um jede beliebige geldmenge zu erzeugen.

    das sich verstärkende rauschen im blätterwald der medien, kann jedes jahr genutzt werden um etwas mehr volatilität an den märkten zu erzeugen.

    volatilität ist immer gut für die finanzindustrie.

    es sollte nie vergessen werden, das alle abgeordneten und senatoren auch kapitalanleger sind.

    wenn sie sich in die lage der abgeordneten und senatoren versetzen und einmal kurz überlegen, werden auch sie zu der entscheidung gelangen das sich niemand den ast absägt auf dem er sitzt.

    zum schluss noch eine bemerkung zur verschuldungshöhe.

    wenn japan sich mit über 230% verschuldung wohl fühlt, was glauben sie ist die zahl mit der sich die usa noch wohlfühlen können bei derzeit knapp über 100% verschuldung.

    11:17 Uhr, 21.08. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • cysonic
    11:06 Uhr, 21.08. 2017
  • Chris_S
    Chris_S

    Hallo Herr Schmale, wie sähe denn Ihrer Meinung nach eine langfristige Lösung aus? Bleibt doch fast nur ein Schuldenschnitt übrig und man sieht ja an Griechenland, wie "gerne" dieser von den Gläubigern angenommen wird.

    Wie würde es sich denn auf die verschieden Anlageklassen auswirken, wenn es zu keiner Lösung kommt und die USA wirklich mal nicht zahlen können?

    10:55 Uhr, 21.08. 2017
  • Kahroba
    Kahroba

    Vor 16 Jahren hat Bush ein Land vom Bill Clinton bekommen dass sogar Budget Überschüsse produzierte. Daraus hat er eigentlich schon nach 8 Jahren ein bankrottes Land dem Obama geliefert, der es immerhin einigermaßen renoviert hat. Nach allen Regeln der Logik sollten die Amerikaner etwas daraus gelernt haben. Sie haben aber mit Trump einen noch größeren irren als Bush gewählt. Das Problem sind nicht die Presidenten in USA sondern die vollkommen gestörte Mehrheit, bei denen das wichtigste, alles bestimmende und lebensnotwendige Frage ist, was die Kandidaten zu Abtreibung und Waffen sagen.

    10:44 Uhr, 21.08. 2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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