Kommentar
19:29 Uhr, 21.08.2015

US Öl-Unternehmen sind zu schwerfällig

Der Ölmarkt kommt einfach nicht zur Ruhe. Die Verantwortung dafür trägt nicht nur die höhere US Produktion, sondern auch die Reaktion von Ölunternehmen auf die Preisentwicklung. Sie sind einfach zu langsam und können nicht schnell genug auf die Märkte reagieren.

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  • Brent Crude Öl
    ISIN: XC0009677409Kopiert
    Kursstand: 45,22 $/Barrel (Deutsche Bank Indikation) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Brent Crude Öl - WKN: 967740 - ISIN: XC0009677409 - Kurs: 45,22 $/Barrel (Deutsche Bank Indikation)

Befürchtet der Markt z.B. eine weitere Abschwächung des Wachstums in China, was derzeit den Ölpreis fast täglich auf neue Tiefs drückt, dann haben US Unternehmen nicht die Mittel darauf in angemessener Zeit zu reagieren. Bis Ende Juni war die Welt noch einigermaßen in Ordnung. Nach dem Ölpreiscrash im zweiten Halbjahr 2014 kam es Anfang 2015 zu einem Rebound. Es sah ganz nach einer V-Umkehr aus – erst einbrechende Preise und dann eine starke, volatile Rallye. Bis Ende Juni durfte man auf ein solches Szenario hoffen. 6 Wochen später ist die Hoffnung nun zerstört. Die Möglichkeit eines ähnlichen Verlaufs wie 2008/09 ist nicht mehr gegeben. Damals kam es zu einer V-Umkehr. Dieses Szenario ist für 2014/15 abgeschrieben. Eine Chance darauf besteht nicht mehr. Der Grund? US Ölproduzenten reagieren viel zu langsam.

In der Vergangenheit waren es die OPEC Staaten, die als sogenannte Swing-Producer agierten. Sie erhöhten die Produktion, wenn die Preise zu stark stiegen und reduzierten die Produktion, wenn die Ölpreise zu niedrig waren. Bis Ende 2014 wurde immer wieder darüber spekuliert, ob die OPEC nicht doch ihre Produktionsmenge begrenzt. Ein solcher Schritt wäre entgegen alle Beteuerungen gewesen. Trotzdem hat man auf einen solchen Schritt gewartet – vergeblich. Vor allem Saudi Arabien, das eine der höchsten Produktionskapazitäten hat, wollte nicht mehr Ausgleichsproduzent sein. In der Vergangenheit kostete es Saudi Arabien Marktanteile, wenn sie die Produktion zur Preisregulation senkten.

Für die Weltmarktpreise war die Ausgleichsfunktion der OPEC sinnvoll. Für die einzelnen Staaten brachte es allerdings vor allem Nachteile. Bezieht ein Importland – z.B. Japan – Öl aus Saudi Arabien und senkt dieses dann kurzfristig die Produktion, um die Preise zu stabilisieren, dann muss das Importland auch kurzfristig neue Lieferanten finden. Das ist nicht gerade der Inbegriff von Service und Zuverlässigkeit. Nach Produktionssenkungen war es für Saudi Arabien schwierig alle Kunden mit den gleichen Liefermengen zurückzugewinnen. Es ist daher durchaus nachvollziehbar, dass Saudi Arabien und andere Länder keine Lust mehr darauf hatten als Swing-Producer den Markt zu regulieren.

Die Regulation des Marktes durch die OPEC ist auch gar nicht mehr notwendig, wenn die USA als neuer Swing-Producer auftreten würde. Die USA fördern inzwischen fast so viel Öl wie Saudi Arabien oder Russland. Die Differenz liegt bei nur noch 1 Mio. Barrel pro Tag. Russland produziert derzeit die größte Menge an Öl. Hier werden täglich 10,7 Mio. Barrel gefördert. In Saudi Arabien sind es 10,35 Mio. Barrel und in den USA schwankt der Wert zwischen 9,5 und 9,7 Mio. Allein die drei größten Produzenten stellen mehr als ein Drittel der weltweiten Förderung. Würde sich eines dieser drei Länder dazu durchringen können die Rolle des Swing-Producers zu übernehmen wäre das vollkommen ausreichend. Eine Senkung des Öl-Outputs um 1 bis 2 Mio. Barrel pro Tag würde den Ölpreis schnell wieder Richtung 70 USD bringen.Soweit wird es vermutlich nicht kommen. Russland leidet unter den Sanktionen und braucht die Deviseneinnahmen aus dem Ölgeschäft. Wer hier auf eine Senkung des Outputs erwartet, wartet lange. Saudi Arabien hat klar gemacht, dass sie nicht mehr die Rolle des Ausgleichsproduzenten spielen werden und in den USA gibt es niemanden, der die Fördermenge verordnen kann.

Während in Russland und Saudi Arabien von staatlicher Seite die Fördermenge beeinflusst werden kann ist das in den USA nicht der Fall. Die Unternehmen produzieren nach Lust und Laune. Viele Firmen sind auf den Cash Flow dringend angewiesen und produzieren, was die Quellen hergeben.

Auch historisch gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass US Unternehmen wegen sinkender Preise die Produktion systematisch senken. Grafik 1 zeigt die Produktionsmenge in den USA seit 1860. Eine gewisse Parallele zu heute hatte die Zeit von 1920 bis 1938. Als die Preise ab 1920 zu sinken begannen reagierten die Unternehmen zunächst überhaupt nicht. Selbst die Große Depression brachte die Fördermengenausweitung nur kurzzeitig zum Stehen. Erst ab 1935 sank die Produktion nachhaltig und die Preise begannen wieder zu steigen.
Selbst wenn US Unternehmen heute deutlich schneller reagieren können und wollen, sind sie nicht in der Lage innerhalb kürzester Zeit die Produktionsmenge effektiv zu steuern. Grafik 2 zeigt das zugrunde liegende Problem. Dargestellt ist der Rig Count (Anzahl Bohrtürme) und der Ölpreis. Der Rig Count folgt dem Ölpreis mit einer zeitlichen Verzögerung von ungefähr 4 Monaten.

Als die Preise 2014 zu sinken begannen hatte das zunächst keine Auswirkungen auf die Bohraktivität. Erst Ende 2014 kam es zu einem Trendwechsel. Der Rig Count war daraufhin bis Ende Juni rückläufig. Seitdem steigt die Bohraktivität wieder. Das hat der Markt sofort mit Sorge zur Kenntnis genommen und den Ölpreis wieder auf Talfahrt geschickt.

Der Anstieg der Bohraktivität war auf die höheren Preise zurückzuführen. Ab 60 USD lohnt es sich für die meisten Unternehmen wieder mehr zu produzieren. Bis sie allerdings auf die höheren Preise reagieren konnten vergingen über 3 Monate. Es braucht eine gewisse Planungszeit, ganz zu schweigen davon, dass auch die Umsetzung Zeit braucht.

Jetzt sinken die Preise wieder. Das wird zu einem erneuten Rückgang der Bohraktivität führen. Wenn die Ölunternehmen wirklich schnell sind, dann kann der Rig Count ab September wieder nachhaltig sinken. Sehr viel schneller können sie nicht reagieren. Das ist ein großer Unterschied zu Saudi Arabien und Russland, die im wahrsten Sinne des Wortes den Ölhahn einfach auf- und zudrehen können. US Unternehmen können das nicht, zumindest nicht überall. Schieferölquellen haben eine kurze Lebensdauer. Die Produktion lässt sich im Prinzip nur steigern, wenn mehr gebohrt wird. Das braucht allerdings Zeit. Ist die Produktion erst einmal gesunken, dann lässt sie sich nicht innerhalb weniger Tage wieder hochfahren. Das ist ein großer Unterschied zu Ländern wie Saudi Arabien. Dort – überspitzt formuliert – muss man nach wie vor nur mit dem Spaten in die Erde stechen und es fließt mehr Öl. Die einzigen, die derzeit als Swing-Producer auftreten wollen sind momentan noch nicht in der Lage dazu. Bis das technisch möglich ist vergeht noch viel Zeit. Bis dahin muss man sich auf weiterhin große Preisschwankungen in beide Richtungen einstellen.

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  • Publius
    Publius

    Und wieder mal was neues gelernt. Informativer Artikel. Vielen Dank dafür!

    21:28 Uhr, 21.08.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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