Kommentar
19:14 Uhr, 11.01.2017

US-Notenbank ist sich unsicher – kommen mehr Zinserhöhungen als gedacht?

Kaum hat das neue Jahr begonnen, drängt sich die Notenbank schon wieder in den Vordergrund. Sie tut dies, indem sie sich verunsichert zeigt.

Die US-Notenbanker scheinen ein Aufmerksamkeitsdefizit zu haben. Nachdem nun lange genug über Trump berichtet wurde, könnte man fast den Eindruck haben, die Notenbank wäre nicht mehr wichtig. Eine solcher Verlauf der Dinge muss anscheinend unter allen Umständen vermieden werden. So drängen sich zu Jahresbeginn gleich mehrere Notenbanker in den Vordergrund.

Gleich vier regionale Notenbankpräsidenten haben sich zum Stand der Dinge geäußert. Ihre Kernaussagen sind folgend frei übersetzt skizziert:

- Chicago Fed Chef Evans: Ich bin ein wenig vorsichtig. Aktuell sehe ich nur zwei Zinserhöhungen.

- Cleveland Fed Chefin Mester: Ich erwarte höheres Wachstum und höhere Inflation als meine Kollegen. Mehr als drei Zinsschritte sind möglich.

- Dallas Fed Chef Kaplan: Wir sollten die Geldpolitik in 2017 weiter straffen. Ich denke, wir können dies langsam und graduell tun.

- Richmond Fed Chef Lacker: Es könnte sein, dass wir die Zinsen schneller und stärker erhöhen müssen als der Markt derzeit erwartet. Die meisten Modelle implizieren höhere Zinsen, viel höhere Zinsen.

Bei diesen Aussagen wird schnell klar, woher der Wind weht. Derzeit hält die Notenbank mehr Zinserhöhungen für möglich als sie noch im Dezember angedeutet hat. Obwohl sie bereits im vergangenen Monat die Anzahl an Zinsschritten von zwei auf drei heraufschraubte, scheint das noch nicht genug zu sein. Bis auf bekennende Tauben, die auch nur zwei Zinsschritte für möglich halten, gewinnen die geldpolitischen Falken ein immer stärkeres Gewicht.

Seit Veröffentlichung des Protokolls der letzten Notenbanksitzung ist auch klar, weshalb das der Fall ist. Die Notenbank zeigte zwar Risiken auf, doch die meisten dieser Risiken sind positiv, also Chancen. Es besteht vor allem die Chance auf höhere Inflation.

Die Politik des zukünftigen Präsidenten ist noch nicht klar ausformuliert und die Notenbank hütet sich daher davor, eine konkrete Beurteilung vorzunehmen.

Aber: sie erwartet eine lockerere Fiskalpolitik, Steuersenkungen, weniger Regulation und einen außenwirtschaftlichen Politikwechsel. Das alles bringt vor allem Chancen für höhere Inflation.

Nicht alles ist rosig. Die Aufwertung des Dollars macht der Notenbank wieder zu schaffen. Je weiter dieser aufwertet, desto eher dämpft das die Inflation. Ebenso bleiben andere Volkswirtschaften ein Risiko für die USA. Die Finanzstabilität ist nicht überall gewährleistet (siehe einige Euroländer). Ebenso empfinden die Notenbanker die tiefen Zinsen als Risiko(!). Immer noch nahe an ihrer absoluten Untergrenze ist der Handlungsspielraum begrenzt.

Das alles führt unterm Strich zu einer interessanten Konstellation. Die Grafiken zeigen diese in Bezug auf das Wachstum, die Inflation und die Arbeitslosigkeit. Verglichen werden die Einschätzungen der September- und Dezembersitzung. Notenbanker können dabei ihre Stimme für eines von drei Szenarien abgeben: niedriger, durchschnittlich, höher.

Im September schätzte etwa ein Notenbanker die Unsicherheit über das zukünftige Wachstum niedriger ein als üblich. Die Mehrzahl, 15 Notenbanker, sahen die Unsicherheit als durchschnittlich an. Durchschnittlich bedeutet das Mittel der letzten zwei Jahrzehnte. Ein Banker sah die Unsicherheit als überdurchschnittlich hoch an.

Das Bild hat sich im Dezember radikal gewandelt. Die Unsicherheit wird nun von 6 Notenbankern als überdurchschnittlich bewertet. Unsicherheit mag niemand und wird tendenziell mit negativen Folgen assoziiert. Das ist überraschenderweise bei den Notenbankern nicht der Fall. Blickt man auf die rechte Seite der Grafik, dann zeigt sich, dass einige Notenbanker die Chancen auf höheres Wachstum nun höher einschätzen als noch im September.

Dieses Bild setzt sich auch bei der Inflation und der Arbeitslosenrate fort. Die Unsicherheit ist überall deutlich gestiegen. Andererseits ist die Unsicherheit mehr Ausdruck einer Chance auf mehr Wachstum, mehr Inflation und niedrigere Arbeitslosigkeit.

Die wenigsten Notenbanker sind ein Freund von Donald Trump. Sie empfinden die Lage als unübersichtlich, halten es aber für möglich, dass die Politik mehr positive als negative Effekte hat. Die Notenbank geht somit mit einem deutlichen Bias ins neue Jahr, einem positiven. Es ist unter diesen Umständen wahrscheinlich, dass die Notenbank im Zweifelsfall die Zinsen anhebt anstatt abzuwarten. Bisher war es immer umgekehrt. Im Zweifelsfall wurde nichts getan.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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