Kommentar
07:08 Uhr, 15.12.2016

US-Notenbank: Geschlossen unentschlossen

Der Zinsschritt ist da - sogar einstimmig. Selbst die größte geldpolitische Taube hat sich für den Zinsschritt ausgesprochen.

Notenbankerin Lael Brainard ist die größte Taube von allen. Wenn es allein nach ihr ginge, dürften die Zinsen nicht oberhalb von 0 % liegen. Es geht aber nicht allein nach ihrer Meinung und sie hat entgegen ihrer Überzeugung schon einmal für einen Zinsschritt gestimmt. Das war im Dezember 2015.

Ein Jahr später hat sie sich wieder breitschlagen lassen. Der Zinsschritt kommt also einstimmig (Rückblick: Live-Ticker zum Zinsentscheid). Die Fed zeigt große Geschlossenheit. Janet Yellen hat da zweifellos ganze Arbeit geleistet. Wenn es ums Eingemachte geht, rauft sich die Fed zusammen und tritt geschlossen auf. Was sie sagt, ist jedoch alles andere als einstimmig.

Die einzelnen Notenbanker sind nach wie vor ganz unterschiedlicher Meinung, die sie auch öffentlich und transparent darlegen. Das führt nun zu einer Interessanten Lage. Nachdem nur Janet Yellen zur zweitägigen Sitzung in einer Pressekonferenz Stellung nimmt, müssen alle anderen Notenbanker schweigen. Dafür können sie sich indirekt über ihre Einschätzungen zur zukünftigen Entwicklung der Zinsen und der Wirtschaft äußern.

Die letzte Sitzung ist einen guten Monat her. Seitdem bemühten sich alle zu betonen, dass Trump keinen Einfluss auf die Notenbankpolitik hat, weil es zu früh sei, etwas zu beurteilen. Konkretes gibt es ja noch nicht. Dafür, dass es eigentlich nichts zu beurteilen gab, hat sich die Fed nun doch aus dem Fenster gewagt.

Die Notenbank bekennt sich in ihrer neusten Projektion zu einer etwas höheren Inflation (Grafik 1). Der Markt preist seit Wochen mehr Inflation ein. Nun folgt die Fed der Einschätzung. Der Markt preiste mehr Inflation vor allem aufgrund der zu erwartenden Politik ein. Die neue Einschätzung wirkt so als hätte es doch einen kleinen Trump Effekt gegeben, obwohl alle das Gegenteil beteuerten.

Die Inflationsprognose könnte man noch beiseite wischen. Nun wird aber auch das Wirtschaftswachstum optimistischer gesehen. Gleichzeitig wurde auch die Prognose der Arbeitslosenrate nach unten korrigiert und auch die Zinsentwicklung angepasst. Es soll nun im kommenden Jahr doch nicht mehr nur zwei Zinsschritte geben, sondern drei. Das alles ist letztlich genau der Kern des Trump Effekts: mehr Staatsausgaben, weniger Steuern, mehr Inflation, weniger Arbeitslose usw. Die Fed reagiert doch auf Trump, aber vorsichtig genug, um notfalls wieder zurückrudern zu können.


Das Statement ist so vage, dass man eine große Neutralität herauslesen kann. Die Fed "preist" Trump in ihrer Politik ein, aber auch nur halbherzig. Die Fed ist zwar geschlossen, dafür aber unentschlossen.

Clemens Schmale

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1 Kommentar

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    Herr Schmale, Sie sind ja ein gewissenhafter und tiefgründiger Fundamentalanylyst und können deshalb vielleicht einige Ungereimtheiten aufklären.

    1. Yellen spricht von möglicher Überhitzung der Wirtschaft und hebt die Wachstumsprognose für 2017 auf 2,1% an. Steht das tatsächlich für Überhitzung ? Natürlich nicht, denn das durchschnittliche Wachstum in den USA lag immer bei 3 bis 3,5 % p.a. Spätestens mit der Finanzkrise hat man dieses Niveau verlassen und es bis heute nicht mehr erreicht. Dementsprechend beträgt auch die Auslastung der Unternehmen nur noch rd. 75%. Warum redet Yellen also von der "Gefahr der Überhitzung", wenn man beim GDP-Wachstum ein Drittel unter dem langjährigen Durchschnitt liegt?

    2. Der Arbeitsmarkt prosperiert angeblich und die Arbeitslosenzahlen sinken von Monat zu Monat zuletzt auf 4,6 %. Gleichzeitig weiß man, dass die Zahlen frisiert sind, mehr und mehr Bürger auf Essensgutscheine angewiesen sind (meines Wissens nach inzwischen rd. 15%) und die tatsächlichen Arbeitslosenzahlen über 20% liegen. Weil also die Gesamtlage (Economy, Arbeitslosigkeit, ...) so schlecht ist, beabsichtigt Trump ja die Wirtschaft durch Fiskalpolitik zu boosten. Warum also schwafelt Yellen von prosperierendem Arbeitsmarkt?

    3. Die US-Staatsschulden betragen 20 Billionen $ und nehmen jedes Jahr um 5-10%, also rd. 1,5 Bio. zu. Das Problem der Finanzierung vergrößert sich also, wenn jetzt die Zinsen erhöht werden und weitere neun (?) Zinsschritte in den nächsten drei Jahren folgen sollen. Das macht rd. 2%-Pkte. höhere Zinsen, demzufolge rd. eine halbe Billion zusätzliche Zinsbelastung für den Staatshaushalt, der den Schuldenberg kontinuierlich weiter ansteigen lässt, auf in drei Jahren dann 25 Billionen $. Gleichzeitig schwächen bzw. belasten Zinsererhöhungen die Unternehmen und stärken den Dollar, was sich wiederum zu Lasten der Unternehmen und des ohnehin sehr schwachen US-Exports auswirkt. Wie weit geht diese Diskrepanzen noch und wie werden sie aufgelöst?

    4. Warum agiert die FED so, d.h. warum werden schwache Konjunkturdaten etc. bewusst falsch interpretiert bzw. ignoriert? Das kann nur bewusst geschehen, denn die dort tätigen Damen und Herren sind ja nicht blöd, sondern -viel mehr als wir- Experten ihres Fachs!

    11:52 Uhr, 15.12.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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