Kommentar
10:23 Uhr, 11.10.2021

US-Arbeitsmarkt: Stark genug fürs Tapering?

Für die Geldpolitik hat der jüngste US-Arbeitsmarktbericht große Bedeutung. Wer jedoch absolute Klarheit suchte, fand sie in den Zahlen nicht.

Der aktuelle US-Arbeitsmarktbericht stellt Anleger vor Interpretationsprobleme. Es wurden deutlich weniger neue Stellen geschaffen als erwartet. Anstatt 500.000 neue Stellen entstanden nicht einmal 200.000. Hätte die Wirtschaft die Erwartung erfüllt, wäre der Weg der Geldpolitik eindeutig gewesen. Zweifel am Zurückfahren der Wertpapierkäufe hätte man nicht mehr haben können. Die Zahlen waren enttäuschend, keine Frage. Aber waren sie schlecht genug, um Tapering hinauszuzögern?

Wahrscheinlich nicht. Einerseits sagte die US-Notenbank bei ihrem letzten Zinsentscheid selbst, dass es keinen großartigen Arbeitsmarktbericht braucht, um Tapering voranzutreiben. Anderseits kann man sich die Zahlen auch durchaus schönrechnen.

Die Privatwirtschaft baute über 300.000 Stellen auf. Jobs fielen vor allem beim Staat weg. Das hat die Zahlen nach unten gedrückt. Das Problem ist dabei ein für den September spezifisches. Es ist Schulanfang und viele Lehrkräfte werden im Normalfall eingestellt.

Die Coronakrise hat die Anzahl verfügbarer Stellen im Bildungssektor stark beeinflusst. Nicht alle Schulen sind geöffnet. Das stellt Statistiker vor Herausforderungen. Saisonale Einflüsse werden aus den Daten herausgerechnet, um starke Ausschläge zu glätten, die entstehen, wenn eben z.B. im September hunderttausende neue Lehrstellen geschaffen werden.

Aktuell ist diese Adjustierung schwierig und mehr Glückssache. Zusätzlich haben die Covid-Fallzahlen noch immer einen großen Einfluss auf den Arbeitsmarkt. Seit dem Beginn der Krise gab es drei Phasen, in denen die Fallzahlen anstiegen. Der Arbeitsmarkt reagierte entsprechend (Grafik 1).

Die gerade zu Ende gehende Infektionswelle hat die Arbeitsmarktentwicklung auch im September noch beeinflusst. Der negative Effekt sollte im Oktober wegfallen. Der Ausblick bleibt positiv. Auch die Zahlen für September könnten deutlich besser sein als gedacht. Statistiker revidieren die Zahlen nach der Erstveröffentlichung zwei Mal. In diesem Jahr wurden die Zahlen bisher tendenziell nach oben revidiert (Grafik 2).

Es wäre nicht überraschend, wenn die finalen Zahlen am Ende nicht bei 194.000 Stellen, sondern bei 300.000 oder mehr liegen würden. Zusammen mit einer möglichen zu hohen Adjustierung bei Lehrkräften sind die Zahlen deutlich besser als man auf den ersten Blick vermutet.

Was Beobachter allerdings immer noch stört: Trotz rekordhoher Anzahl offener Stellen kommt der Arbeitsmarkt nicht in Gang. Das passt eigentlich nicht zusammen. Dabei wird gerne vergessen, dass nicht jeder Arbeitswillige auch arbeiten kann. Die jüngste Infektionswelle hat dazu geführt, dass über 4 Mio. Menschen entweder erkrankt waren oder sich um eine erkrankte Person kümmern mussten (Grafik 3). Das ist doppelt so viel wie im Frühsommer.

So lange Millionen von Menschen aufgrund einer Covid-Infektion in Quarantäne sind oder sich um Erkrankte kümmern müssen, ist kein Feuerwerk auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten. Die Notenbank wird diesen Faktor als vorübergehend ansehen. Tapering kann und wird in diesem Jahr wohl kommen.

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Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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