Kommentar
16:45 Uhr, 08.08.2022

US-Arbeitsmarkt: Falsche Sicherheit

Der US-Arbeitsmarktbericht für Juli war für viele so gut, dass man ihn fast als Schock bezeichnen kann. Die Zahlen vermitteln jedoch eine falsche Sicherheit.

Der eine oder andere Notenbanker wird am Freitag wohl mit Genugtuung auf die Arbeitsmarktzahlen geblickt haben. Noch vor kurzem war von einer Rezession die Rede. Immerhin schrumpfte die US-Wirtschaft im ersten Halbjahr. Nun wurden im Juli eine halbe Million neue Stellen geschaffen. Das macht eine Rezession unwahrscheinlich. Einen Arbeitsmarktboom gibt es während einer Rezession schlichtweg nicht. Die Notenbank hat also Recht. Die Wirtschaft ist trotz aller gegenteiligen Behauptungen in guter Verfassung – noch. Der Arbeitsmarkt vermittelt nämlich eine falsche Sicherheit. Von allen Indikatoren und Wirtschaftsdaten ist der Arbeitsmarkt jener, der zuletzt dreht und eine Rezession anzeigt. Man kann trotz eines guten Berichts aber auch auf dem Arbeitsmarkt selbst Bremsspuren erkennen.

Dazu dienen die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe. Diese folgen einem zuverlässigen saisonalen Muster. Zu Jahresbeginn steigen die Anträge, ebenso wie zu Sommerbeginn. Bisher hielt sich der Verlauf in diesem Jahr an das Muster. Seit wenigen Wochen kommt es jedoch zu einer Divergenz (Grafik 1).


Die Erstanträge beginnen vor der Beschäftigung zu drehen. Oftmals steigen die Erstanträge viele Monate, bevor die Gesamtbeschäftigung zu fallen beginnt (Grafik 2). Der aktuelle Trend deutet eine Abschwächung an. Der Vorlauf ist allerdings bedeutend und kann ein Jahr betragen. Im besten Fall kann die US-Wirtschaft bis Sommer 2023 neue Stellen schaffen.

Ob der Abschwung auf dem Arbeitsmarkt wirklich bis Sommer 2023 auf sich warten lässt, sei dahingestellt. Andere Indikatoren zeigen eine schnellere Trendwende an. Dazu gehört die Anzahl offener Stellen. Diese beginnt schnell zu fallen, deutlich schneller als etwa zur Jahrtausendwende oder während der Finanzkrise. Besonders interessant ist der starke Rückgang im Einzelhandel, der besonders sensibel und früh auf konjunkturelle Änderungen reagiert (Grafik 3).

Der bisherige Zinsanstieg hat zudem den Immobilienmarkt deutlich abgekühlt. Der Immobilienmarkt wiederum ist eine wichtige Stütze des Wachstums und der Beschäftigung. Das Sentiment läuft dem Arbeitsmarkt um ungefähr 18 Monate voraus. Entsprechend wäre bald mit einer Trendwende auf dem Arbeitsmarkt zu rechnen (Grafik 4).

Der Arbeitsmarkt ist ein Indikator, der sehr spät dreht. Die Notenbank beruft sich jedoch zunehmend auf den Arbeitsmarkt, um ihre Zinspolitik zu rechtfertigen. Sie agiert damit nicht vorausschauend, sondern basiert ihre Entscheidungen mit dem Blick in den Rückspiegel. Das erhöht die Gefahr eines geldpolitischen Fehlers. Strafft die Notenbank die Geldpolitik so lange, bis der Arbeitsmarkt dreht, hat sie deutlich zu viel gestrafft.

Die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt deutet sich langsam, aber sicher an. Dennoch kann man den jüngsten Bericht nicht anders als gut beschreiben. Der große wirtschaftliche Abschwung hat noch nicht begonnen. Der Aktienmarkt kann kurzfristig weiter durchatmen, auch wenn Anleger negativ auf den Bericht reagierten, weil sie als Reaktion eine weiterhin schnelle Zinswende befürchten.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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