Kommentar
08:20 Uhr, 30.09.2016

US-Arbeitsmarkt: Die Zeitenwende

Während nicht wenige den ganz großen Crash gleich um die Ecke vermuten, gibt es viele Anzeichen dafür, dass es nicht so kommen wird. Das erste Mal seit vielen Jahren verbessert sich die Lage strukturell.

Die Börse ist tendenziell kurzfristig orientiert. Es geht Anlegern vor allem darum, was heute und in den nächsten Tagen geschieht. Das wirklich langfristige Bild ist oftmals sekundär. Der Fokus von Anlegern auf Bemerkungen von Notenbankern, dem nächsten Zinsentscheid und Quartalszahlen ist verständlich. Dabei werden jedoch häufig langfristige Entwicklungen übersehen.

Viele haben sich gerade erst an das „New Normal“ gewöhnt. Jetzt sitzt die Überzeugung tief. Der Überzeugung nach bleiben die Zinsen ewig niedrig. Ebenso ist die Überzeugung groß, dass sich die Welt immer noch am Rande der nächsten großen Krise befindet.

Die Probleme rund um die Welt sind groß. Daran besteht kein Zweifel, doch vor lauter kurzfristiger Entwicklungen werden strukturelle Verbesserungen übersehen. In Europa muss man nach diesen Verbesserungen noch mit der Lupe suchen. Andere Länder sind weiter. Allen voran gehören dazu die USA.

Jede Wirtschaft steht und fällt mit dem Arbeitsmarkt. Werden auf dem Arbeitsmarkt strukturelle Verbesserungen sichtbar, dann kann man das nicht ignorieren. Eine solche Verbesserung zeigt sich in vielen Aspekten. Der neueste Aspekt ist die Verweildauer von Arbeitnehmern bei demselben Arbeitgeber. Grafik 1 zeigt die mittlere Verweildauer in Jahren.


Die Zeit, die ein Arbeitnehmer beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt ist, sagt viel über den Zustand des Arbeitsmarktes aus. Je unsicherer die Zeiten sind, desto eher halten Menschen an ihren Jobs fest. Blicken sie zuversichtlich in die Zukunft ist der Anreiz groß den Arbeitgeber zu wechseln. Häufig gehen damit Lohnsteigerungen einher.

Diese Systematik zeigt sich auch gut in den Daten. In Boomzeiten verkürzt sich die Dauer, in unsicheren Zeiten wird sie länger. Das war schon immer so, doch vor allem während des Aufschwungs nach der Rezession zur Jahrtausendwende gab es eine Anomalität. Die Verweildauer stieg zwischen 2000 und 2002 an. Das ist absolut nachvollziehbar, denn die Wirtschaft steckte in einer Rezession. Zudem lagen die Anschläge vom 11. September nicht weit zurück und die USA zettelten Kriege an. Das ist kein Umfeld, in dem man an Zuversicht gewinnt.
2004 hatte sich die wirtschaftliche Lage entspannt. Das half dem Arbeitsmarkt jedoch nur vordergründig. Die Arbeitslosenrate ging zwar zurück, doch Menschen, die neue Jobs fanden, klammerten sich an diesen ebenso fest wie Menschen, die bereits einen Job hatten.

Noch bevor eine wirklich strukturelle Verbesserung eintreten konnte begann die nächste Krise. Die Verweildauer von Arbeitnehmern beim gleichen Arbeitnehmer nahm rapide zu und erreichte den höchsten Wert seit mindestens 30 Jahren. Erst jetzt, 2016, zeigt sich ein Rückgang. Nachdem die Dauer zwischen 2002 und 2014 um knapp ein Jahr anstieg, reduzierte sie sich um sagenhafte 0,4 Jahre innerhalb von nur zwei Jahren zwischen 2014 und 2016. Das ist der stärkste Rückgang innerhalb so kurzer Zeit, der jemals gemessen wurde.

Die Sensitivität der einzelnen Sektoren ist verschieden. Grafik 2 zeigt, woher die Veränderung kommt. Staatsbedienstete halten besonders gerne und lang an ihren Jobs fest. Ausnahmen gibt es nur wenige. Einer der Ausnahmen ist der Rohstoffsektor. Die Krise des Sektors erklärt die Entwicklung.


Die Beschäftigungsdauer bei demselben Arbeitgeber ist nur ein Maßstab, um den Zustand des Arbeitsmarktes zu beschreiben. Er ist aber ein sehr wichtiger. Andere Maßstäbe unterstützen das Bild. Die Partizipationsrate ist nicht mehr rückläufig, sondern ansteigend. Es kehren immer mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt zurück, die zuvor entmutigt gar nicht mehr nach Arbeit gesucht hatten.
Die Lohnentwicklung ist ebenfalls begrüßenswert. Die Löhne stiegen zuletzt auf Jahressicht um knapp 2,5 %. Der Reallohn stieg so schnell wie seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr. Auch die Armut ging in den letzten ein bis zwei Jahren so stark zurück wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr.

Das alles sind keine kurzfristigen Indikatoren, sondern sehr langfristig ausgerichtete. Alle diese Indikatoren zeigen eine langfristige, also strukturelle, Verbesserung an. Wenn sich strukturelle Verbesserungen zeigen, dann ist die Wirtschaft generell robuster und kann nicht so schnell aus den Fugen geraten. 2008 waren die strukturellen Probleme bereits groß und dann kam noch zusätzlich die Finanzkrise. Heute ist das anders. Selbst wenn es zu einem Abschwung kommt, ist es extrem unwahrscheinlich, dass er dann gleich zu einer großen Krise mutiert, weil die Ausgangslage heute sehr viel besser ist als in den letzten 15 Jahren.

Clemens Schmale

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1 Kommentar

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  • bembes
    bembes

    Ihren Bericht bzw. die Analyse kann ich bzgl. des Verweildauer beim gleichen Arbeitgeber nicht teilen.

    Heute ist die Verweildauer auch deshalb viel geringen, weil viele Mitarbeiter nur Zeitverträge angeboten bekommen. diese gehen längsten 2 Jahre und dann kann sich der Mitarbeiter/Arbeitnehmer einen neuen Arbeitgeber suchen. Vielleicht ein Gegenbeispiel für Sie !! Ich war bis zu meiner Berentung über 50 Jahre beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt. In dieser langen Zeit gab es immer wieder Möglichkeiten den Arbeitgeber zu wechseln. Es kommt jedoch noch etwas anderes hinzu: Verbundheit zum Arbeitgeber, guter, sicherer Arbeitsplatz etc.

    07:30 Uhr, 01.10. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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