Kommentar
18:20 Uhr, 27.04.2022

US-Aktien: Fast schon preiswert, wenn der Zinstrend nicht wäre

US-Aktien galten lange als überbewertet, vor allem im Vergleich zum Rest der Welt. Jetzt liegt die Bewertung am unteren Ende der Bandbreite der letzten sieben Jahre.

Aktien lassen sich auf viele Arten bewerten. Die meisten Bewertungsmaßstäbe kommen zu dem gleichen Ergebnis. Der Einfachheit halber beziehe ich mich hier auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis. Dieses ist für den S&P 500 seit dem Gewinneinbruch zu Beginn der Pandemie deutlich zurückgekommen. Im Vergleich zu den letzten sieben Jahren seit Anfang 2015 ist das KGV auf einem attraktiven Niveau (Grafik 1).

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In den letzten sieben Jahren war der S&P 500 nur für sehr kurze Zeit tiefer bewertet als jetzt. Das ist bereits eine kleine Sensation, zumal dem Gesamtmarkt auch in diesem Jahr kräftiges Gewinnwachstum zugetraut wird. In diesem Jahr sollen die Gewinne um weitere 14 % wachsen. Das KGV auf Basis dieser erwarteten Gewinne (Forward KGV) liegt bei 18.

Hier beginnen die Probleme, wenn man sich den S&P 500 schönrechnen will. Das KGV ist zwar im Vergleich zu den letzten Jahren attraktiv, doch das Forward KGV zeigt dies noch nicht an. Das Forward KGV ist tendenziell immer niedriger als das KGV, welches auf Basis der Gewinne der vergangenen zwölf Monate berechnet wird.

Analysten gehen davon aus, dass die Gewinne in Zukunft wachsen werden. Das KGV auf Basis der zukünftigen Gewinne liegt daher tiefer. Im Vergleich zur eigenen Historie ist es jedoch noch nicht als attraktiv einzustufen. Noch immer befindet es sich am oberen Rand der Bandbreite der Jahre seit 2014 (Grafik 2).

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Anleger sind mit zwei Bewertungen konfrontiert, die unterschiedliche Aussagen machen. Das KGV zeigt an, dass der Markt einigermaßen fair bewertet ist. Das Forward KGV impliziert, dass der Markt noch immer hoch bewertet ist. Da die Börse die Zukunft einpreist und nicht die Vergangenheit, ist dem Forward KGV Vorzug zu geben.

Ein KGV ist am Ende nur eine Zahl und sagt nichts über das Umfeld aus. Jahrelang hieß es, dass es zu Aktien keine Alternative gibt. Die Zinsen waren einfach zu niedrig. Je niedriger die Zinsen sind, desto höher dürfen auch Aktien bewertet sein. Tatsächlich zeigt sich eine solide Korrelation zwischen Bewertung und Realzins (Grafik 3).

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Gemessen am Realzins ist der Markt mehr oder weniger fair bewertet. Man kann sich jedoch ausmalen, dass die Geldpolitik den Realzins weiter nach oben treiben wird. Ein Realzins, der ein Prozentpunkt höher steht, ist gut vorstellbar. In diesem Fall ist ein Forward KGV von 14-15 fair.

Würde der Realzins sofort um einen Prozentpunkt nach oben schnellen, müsste der S&P 500 knapp 20 % nachgeben. In der Realität wird es Monate dauern, bis der Realzins diesen Anstieg vollzogen hat. In dieser Zeit wachsen die Gewinne der Unternehmen hoffentlich weiter, sodass der Korrekturbedarf eher bei 10 % liegen dürfte.

Keiner weiß, ob der Realzins überhaupt um einen Prozentpunkt steigt oder ob die Notenbank ihre Geldpolitik erst wieder lockert, wenn ein Anstieg von zwei Prozentpunkten erreicht ist. In einem realistischen Szenario (ein Prozentpunkt) bleibt der Markt leicht überbewertet. 10 % weiterer Korrekturbedarf sind allerdings auch kein Schreckgespenst.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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