Kommentar
08:35 Uhr, 08.07.2019

Unternehmen verschulden sich wie nie!

Die Verschuldung ist ein großes Problem, besonders bei Unternehmen. Ein ganz spezifischer Faktor macht es besonders heikel.

Nach einer kurzen und erzwungenen Pause Ende 2018 sind Unternehmen wieder dabei fleißig Anleihen auszugeben und sich weiter zu verschulden. Ende 2018 kollabierte der Anleihemarkt. Vor allem Ramschanleihen wollte niemand mehr haben. Bis Oktober 2018 wurden pro Monat im Durchschnitt fast 20 Mrd. an neuen Anleihen platziert. Wegen der Marktturbulenzen fiel der Wert im November auf 4 Mrd. und im Dezember sogar unter 1 Mrd. (Grafik 1).


Die Turbulenzen gingen auch an Unternehmen mit Investment Grade Rating nicht vorbei. Aus durchschnittlich mehr als 100 Mrd. wurden weniger als 10 Mrd. Dieser Einbruch ist inzwischen ausgebügelt. In den ersten 5 Monaten des laufenden Jahres ist der Durchschnitt im Investment Grade Bereich wieder bei mehr als 100 Mrd.

Das High Yield Segment ist besonders fleißig. Hier liegt die Ausgabe neuer Anleihen deutlich über dem Vorjahresniveau. Bis Mai wurden 10 % mehr Anleihen ausgegeben als ein Jahr zuvor. Hier wird nachgeholt, was Ende 2018 verpasst wurde.

Dass Unternehmen verschuldet sind, ist nicht neu. Es ist auch nicht neu, dass die Verschuldung so hoch ist wie noch nie. Das hat mehrere Gründe. Geld ist derzeit billig. Die Versuchung, günstig Kredit aufzunehmen, ist groß. So manche Dividende wäre ohne das billige Geld gar nicht denkbar.

Das gilt vor allem für den Investment Grade Bereich. Im High Yield Bereich werden die Schulden dringend benötigt, damit die Insolvenz vermieden wird. Hier geht es nicht um Wachstum oder Investitionen, sondern ums Überleben. Das war nie relevanter als heute.

Die Schulden, die im High Yield Segment ausgegeben werden, brauchen Firmen, um ihre Schulden zu refinanzieren. Der Anteil der frischen Schulden, die zur Refinanzierung eingesetzt werden, erreicht inzwischen 80 % (Grafik 2). Seit dem Jahr 2000 lag der Durchschnitt bei weniger als 50 % und seit der Finanzkrise bei knapp 60 %.


Der Anteil ist ansteigend. Ein immer geringerer Teil der Schulden fließt also in das eigentliche Geschäft. Es fließt zunehmend in die Ablösung und Refinanzierung alter Schulden. Das ist sehr heikel. Gerät der Markt in unruhiges Fahrwasser, trocknet der Emissionsmarkt aus. Unternehmen können kein Geld mehr aufnehmen.

Sie müssen aber dringend Schulden aufnehmen, um auslaufende Schulden zu refinanzieren. Können sie das nicht, ist die Insolvenz nicht fern. Je mehr in die Refinanzierung fließt, desto geringer ist der Spielraum. Verwenden Unternehmen z.B. nur ein Drittel der neuen Schulden für die Refinanzierung, bleiben zwei Drittel für andere Zwecke übrig, etwa Investitionen.

Investitionen kann man aufschieben oder streichen. Fällig werdende Anleihen zurückzuzahlen kann man nicht aufschieben. Zurückzahlen geht momentan zu 80 % nur, wenn neue Anleihen ausgegeben werden können. Gerät das ins Stocken, ist Feuer am Dach.

Der Emissionsmarkt darf nicht stocken. Tut er das, bekommen viele Unternehmen innerhalb weniger Monate erhebliche Probleme. Eine nie dagewesene Bankrottwelle würde die Wirtschaft erreichen.

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17 Kommentare

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  • Alfred Birds
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    15:47 Uhr, 15.07.2019
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    15:45 Uhr, 15.07.2019
  • lussien
    lussien

    Um was für Unternehmen geht es? Deutsche, amerikanische, internationale?
    Es steht kein Wort darüber!

    21:09 Uhr, 08.07.2019
  • franca
    franca

    Danke, Herr Schmale, ein sehr guter Beitrag!

    Ich finde es geradezu beängstigend wie schnell und zielgenau sich die Vorhersagen von Dr. Markus Krall in diesen Tagen bestätigen!

    1. Bankencrash (…siehe die Nachrichten um die Deutsche Band in diesen Tagen) und

    2. Zombifizierung von Firmen (...heute werden bereits 80% der frischen Schulden für Refinanzierung von Altschulden benötigt).

    18:09 Uhr, 08.07.2019
  • Brainbow
    Brainbow

    Zunächst mal eine Frage in Richtung Herrn Schmale:

    Sie schreiben vom Anleihemarkt, von Mrd. und von den Unternehmen.

    Vielleicht habe ich das überlesen: Auf welchen Anleihemarkt beziehen Sie sich? Mrd. Euro oder USD? Ich weiß, dass Sie sich sehr häufig auf den US-Markt beziehen.

    Nur mal ein Gedanke...(falls der Artikel sich auf den EUR-Anleihemarkt bezieht)

    Viele Unternehmen refinanzieren sich nicht ausschließlich über ein Vehikel, sondern fahren Mehrgleisig (Bankenkredite, Kreditlinien, Anleiheemissionen, Kapitalerhöhung....)

    Die Tatsache dass Unternehmen zur Refinanzierung bestehender Verbindlichkeiten verstärkt auf Anleiheemissionen setzen, könnte auch daran liegen, dass die von Herrn Dr. Krall mitentwickelten Rating-Verfahren in Verbindung mit den Kriterien nach Basel 2 und 3 zu schlechteren Zinskonditionen bei der Bank führen und eine Anleiheemission schlichtweg geringere Kapitalkosten mit sich bringt. Die Nachfrage nach gut verzinsten Anlagen ist ja schließlich sehr groß, sowohl bei Kleinanlegern, als auch Pensionskassen und Versicherern.

    Bezieht sich der Artikel auf den US-Markt, hätte eine starke Zunahme von Pleiten bei Zombiunternehmen bereits stattfinden müssen. Die FED hat ja seit 2017 einen recht zackigen Zinserhöhungspfad bis Ende 2018 eingeschlagen. Die flache und z.T. inverse Zinsstruktur ist allerdings bedenklich.

    14:06 Uhr, 08.07.2019
  • Frankey
    Frankey

    Dr. Markus Krall hat es in einem Vortrag schön zusammengefasst:
    Nullzins => Erosion der Bankenerträge => weniger Kreditvergabe => Sterben der Zombi-Firmen => Mehr Arbeitslose => Wirtschaftskrise...

    09:09 Uhr, 08.07.2019
    1 Antwort anzeigen
  • wizardmw
    wizardmw

    Ja Wahnsinn, aber wenn etwas unendlich ist, dann ist es Geld. Eine Taste von der Notenbank und alle Probleme sind "gelöst." Der Crash muss dringend kommen, denn die Umwelt geht im Wachstumswahn auch mit zu Grunde. Die Notenbanken werden als die größten Verbrecher in die menschliche Geschichte eingehen, weil das von ihnen verursachte Leid noch nie da gewesene Ausmaße annehmen wird. Wir hätten 2008 die Chance nutzen sollen, den fetten faulen Zipfel abzuschneiden...........

    10:39 Uhr, 06.07.2019
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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