Kommentar
06:30 Uhr, 27.02.2017

Ungleichheit: Die Lage ist schlimmer als befürchtet!

Wer lange genug sucht, findet immer ein Haar in der Suppe, egal, ob da wirklich eines ist. In diesem Fall ist das anders. Die Lage ist dramatisch.

Thomas Piketty und Kollegen zeigen in ihrer jüngsten Studie auf, dass die globale Ungleichheit nicht nur zunimmt, sondern sogar noch mehr zunimmt als bisher gedacht. In einigen Ländern sind die Unterschiede im Vergleich zu den bisherigen Daten enorm. Das gilt ganz besonders für China.

Der Anteil des Gesamteinkommens in China, welches von den Top 1 % der Gesellschaft verdient wurde, lag zuletzt bei 13 %. Das ist doppelt so viel wie zunächst angenommen und höher als die Standard-Erhebungsmethoden vermuten lassen. Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Einkommen in den USA und China für die Top 1 % und die unteren 50 % der Gesellschaft.

Es gibt in den Daten so gut wie keine Lichtblicke. Die Einkommen für die unteren 50 % haben sich in China in den letzten Jahren im Bereich von 15 % des Gesamteinkommens stabilisiert. Das dürfte eine kurze Pause vor der Fortsetzung des Trends sein. Tendenziell wandert immer mehr Einkommen zu den Top 1 %.
In den USA ist dieses Phänomen nicht neu und besonders stark ausgeprägt. Das oberste Prozent der Bevölkerung verdient mehr als 20 % des Gesamteinkommens. Die unteren 50 % verdienen nur noch gut 10 %. Der Trend gilt seit Jahrzehnten und macht auch keine Anstalten einmal innezuhalten.

Der Trend zu immer mehr Ungleichheit ist kein unumstößliches Schicksal. Das zeigt Grafik 2. Dargestellt ist der Anteil der Top 1 % am Vermögen. Ende des 19. Jahrhunderts war die Lage besonders dramatisch. In Großbritannien besaßen die obersten 1 % über 70 % des Vermögens. In Großbritannien begann um die Jahrhundertwende ein positiver Trend. Die Ungleichheit nahm ab. Das war auch in den USA der Fall.

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern kehrte sich der positive Trend in den USA bereits wieder früh um. In den 80er Jahren stieg der Anteil am Vermögen erstmalig seit Jahrzehnten wieder. Das war (zufällig?) die Zeit von Präsident Reagan, der über die sogenannten trickle down economics allen Bevölkerungsschichten helfen wollte.

Vor allem Republikaner lieben diese Art der Ökonomie. Sie senken die Steuern im oberen Bereich. Wer viel hat, hat nach den Steuersenkungen noch mehr. Das soll dazu ermuntern, mehr Geld auszugeben und mehr zu investieren. Das wiederum würde allen helfen. Praktisch hat das noch nie funktioniert und wird wohl auch unter Trump nicht funktionieren. Im Gegenteil sogar, die Ungleichheit nahm durch diese Wirtschaftspolitik überdurchschnittlich zu.

Auch die vielen Krisen haben am Trend wenig geändert. Zur Jahrtausendwende und 2008/09 verloren die, die viel hatten, auch viel. Sie konnten die Verluste jedoch wieder schnell wettmachen. Nach der Krise war die Ungleichheit größer als vor der Krise.

Die zunehmende Ungleichheit ist ein großes Problem. Grafik 3 zeigt das Wachstum der Einkommen in China, den USA und Frankreich. In China sind die Einkommen zwischen 1978 und 2015 im Durchschnitt um 811 % gestiegen. Die Einkommen der unteren 50 % sind immerhin noch um 401 % gewachsen. Den stärksten Zuwachs haben die obersten Prozente der Bevölkerung.

Das ist in den USA genauso. Es gibt jedoch einen erheblichen Unterschied. Die Einkommen der unteren Hälfte der Bevölkerung sind gar nicht gewachsen, sondern geschrumpft. Dafür ist das Wachstum für die obersten 10 % fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt. Überraschend zeigt sich da die Entwicklung in Frankreich, wo die untersten 50 % keinen offensichtlichen Nachteil haben.

Die Daten zeigen einmal wieder, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet. In den jeweiligen Ländern wird die Schuld gerne „auf die anderen“ geschoben. So einfach ist das aber nicht. Auch französische Unternehmen produzieren in China. Dennoch ist eine einigermaßen faire Entwicklung zu erkennen.

Nun geht es Frankreich insgesamt gerade nicht besonders gut. Es geht allerdings fast allen gleichermaßen weniger gut. Unterm Strich führt das natürlich trotzdem zu hoher Unzufriedenheit. Auch hier sucht man nach einem Sündenbock, der generell im Ausland und im Euro gefunden wurde.

Der Ärger in allen Ecken der Welt, den die Bevölkerung zeigt, ist absolut verständlich, wenn man einen Blick auf die Daten wirft. Ob nun aber Marine Le Pen, Trump oder ein anderer regiert, ändert daran wenig.

Clemens Schmale

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  • WillyB
    WillyB

    Welche Folgen diese Ungelichheit fuer die Wirtschaft hat, stellt Robert Reich, Arbeitsminister unter Bill Clinton, in dem Film "Inequality for all" (2013) ueberzeugend dar: Speziell die Mittelklasse, die durch ihren Konsum (in den USA staerker als in Europa) die Oekonomi am Laufe haelt, wird geschwaecht, d.h. ihr Anteil wird durch das groesser werdende Auseinanderklaffen von arm und reich geringer. Lohnsteigerungen gehen an dieser Gruppe wegen Automatisierung und Senkung der Kosten vorueber, so dass unter dem Strich - inflationsbereinigt - weniger zum Leben bleibt als in den 70er Jahren. Das fuehrt dazu, dass eine Mittelklasse-Familie mit zwei Gehaeltern und Ueberstunden gerade den Lebensstandard halten kann.

    Dass es auch anders geht, zeigen nordische Laender wie Schweden und Norwegen, die in einer im Film gezeigten Liste auf Platz 1 und 2 stehen, was die oekonomische Gleichheit betrifft. In Norwegen z.B. gibt es einen Spitzensteuersatz von ca. 53% (inkl. Sozialversicherung), der ab einem Gehalt von ca. 100 000.- Eur/Jahr gilt. Gleichzeitig gibt es eine Vermoegenssteuer von 1,4 % ab einem Vermogen von ca. 150 000 Eur. Die Norweger zahlen sicher nicht lieber Steuern als Buerger anderer Laender, sind aber wahrscheinlich dankbar fuer ein funktionierendes Sozialsystem. Geld aus dem Oelfond wird uebrigens meines Wissens dafuer nicht verwendet.

    08:52 Uhr, 27.02. 2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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