Kommentar
10:14 Uhr, 23.10.2014

Ukrainekrise: Wie lange kann Russland noch durchhalten?

In den vergangenen Tagen ist es ungewöhnlich ruhig geworden. Das Top Thema vom September ist auf die hinteren Plätze gedrängt. Hinter den Kulissen tut sich allerdings sehr viel, vor allem für Russland.

Der Westen ist mit sich selbst zufrieden, weil die Sanktionen zu wirken scheinen. Ob die Wirkung auch wirklich Sinn macht, sei dahingestellt, denn Russland exportiert nach wie vor fast genauso viel wie vor den Sanktionen, importiert aber einfach weniger. Die Exporte sind leicht rückläufig, was allerdings eher den sinkenden Preisen bei Öl zuzuschreiben ist als den Sanktionen. Die Importe hingegen brechen nahezu weg. Damit fehlen europäischen Ländern mehrere Milliarden Einnahmen während Russland wieder autarker wird.

Mittel- bis langfristig wird das Fehlen gewisser Importe aus dem Bereich Hochtechnologie zum Problem. Kurzfristig macht sich das kaum bemerkbar. Viel problematischer sind die Sanktionen im Bereich des Kapitalmarktes. Hier machen sich die Folgen bereits jetzt deutlich bemerkbar. Ein Blick auf den Rubelkurs genügt, um festzustellen, dass hier etwas nicht stimmt. Seit Juli hat die Währung fast ein Viertel abgewertet. Damit ist die Währung so schwach wie seit der Währungsreform 1998 nicht mehr.

Die russische Zentralbank sieht das noch relativ gelassen. Die Interventionen halten sich in Grenzen. Grafik 1 zeigt die Interventionen seit Beginn der Finanzkrise. 2008 wurde der Rubel mit Beträgen von 30 bis 60 Mrd. USD pro Monat gestützt. Seitdem ist es ruhig geworden. Im Februar/März 2014 stützte die Zentralbank mit insgesamt 30 Mrd. die Währung. Seitdem ist nicht viel passiert. Erst jetzt im Oktober beginnt die Notenbank wieder zu intervenieren. Bis zum vergangenen Wochenende waren es knapp 12 Mrd. USD.

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Die Intervention hat nicht viel gebracht. Der Rubel verliert nach wie vor weiter an Wert. Die Notenbank müsste also viel größere Beträge in die Hand nehmen, um etwas zu bewirken. Trotz der Interventionen ist der Rubel um 2,4% schwächer geworden. Man kann sich vorstellen, dass es noch deutlich mehr gewesen wäre, hätte die Zentralbank nichts unternommen.

Nach Ende der Finanzkrise hat Russland einen Teil der Interventionen wieder rückabgewickelt, d.h. sie hat Rubel gegen USD verkauft. Seit 2013 kauft die Notenbank unterm Strich wieder Rubel gegen USD. In den vergangenen anderthalb Jahren wurden 70 Mrd. USD aufgewendet, um die eigene Währung zu stützen. Gebracht hat es nichts.

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Dass die Notenbank nun überhaupt interveniert, zeigt, dass sie die Währung noch nicht aufgegeben hat. Die Wirkungslosigkeit zeigt aber auch, dass sie noch sehr viel mehr tun müsste. Ob sie das auf Dauer kann ist fraglich. Die Reserven der Notenbank sind hoch. Sie erreichten ihr bisheriges Hoch kurz vor der Finanzkrise mit 600 Mrd. USD. Dann gingen die Reserven stark zurück – ziemlich genau um den Betrag, der für die Interventionen aufgewendet wurde.

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Bevor die aktuelle Krise begann hatte die Notenbank 530 Mrd. an Reserven. Inzwischen sind es mit 450 Mrd. 80 Mrd. weniger. Sollte die Notenbank den Kampf um den Rubel aufnehmen, dann sind 200 Mrd. schnell aufgebraucht. Das wäre riskant. Russland braucht die Dollar für das Bankensystem und Unternehmen. Sie in Interventionen zu verheizen macht die Sache nicht wirklich besser. Anderseits ist eine Abwertung des Rubels um weitere 20 oder 30% auch nicht gerade eine gute Option. Die Inflation dürfte dramatisch ansteigen, die Wirtschaft ins Chaos gestürzt werden.

Noch ist der Zeitpunkt nicht gekommen an dem Russland aufgeben muss bzw. aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben sollte. Dieser Zeitpunkt liegt mindestens 200 Mrd. USD entfernt. Der Stillstand im Ukrainekonflikt könnte sich noch mindestens ein halbes Jahr hinziehen. Dann dürfte so langsam der Punkt gekommen sein, an dem sich Russland überlegen muss, ob es die Auseinandersetzung wirklich wert ist.

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15 Kommentare

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  • Wolfi81
    Wolfi81

    ​Wenn ich mich nicht irre, könnte Russland den Rubel leicht aufwerten lassen, wenn sie in Zukunft von den Käufern ihrer Rohstoffe die Bezahlung in Rubel verlangen würden - oder habe ich da einen Denkfehler?

    20:56 Uhr, 23.10.2014
    1 Antwort anzeigen
  • Bradley
    Bradley

    Mich beschäftigt seit langem die Frage warum die EU so strikt auf eine "EU-Integration" der Ukraine scharf war. Denn jeder der einigermaßen bis 3 zählen konnte, dem musste klar gewesen sein, dass sich Russland dies nicht bieten lassen wird. Ich weiß es wirklich nicht, ob man es sich so einfach machen kann, dass die USA hinter allem steckte, mit dem Ziel die EU in einen Konflikt hineinzuziehen um sie wirtschaftlich zu schwächen. Oder ist es wirklich so, dass unsere "politischen Eliten" alles nur Dilettanten sind (was mich in keinster Weise verwundern würde. ​

    18:18 Uhr, 23.10.2014
  • watuffli
    watuffli

    Wie lange kann Russland durchhalten???

    Ihre Frage hat mich doch einigermaßen verwirrt, Herr Schmale. Danach stelle sich also die Frage nicht, ob die Russen vor den Sanktionen des WESTENS zu Kreuze kriechen, sondern lediglich wann das der Fall sein wird. Als Argumente hierfür machen Sie ökonomische und vor allem währungspolitische Konsequenzen der Sanktionen geltend.

    Bei aller Bedeutung dieser Faktoren darf nicht verkannt werden, dass es sich bei dem Ukraine-Konflikt und dem Verhältnis des nordatlantischen Allianz zu Russland um hochkomplexe geopolitische, Sicherheits- und militärpolitische Vorgänge handelt, die letztlich auf eine Neuordnung der Kräfteverhältnisse in der Welt gerichtet sind und damit den Weltfrieden direkt tangieren.

    Die Konfrontation mit Putin/Russland scheint das Vehikel zu sein, um die globale Hegemoniepolitik der USA und ihrer atlantischen Verbündeten gegenüber der Bevölkerung zu rechtfertigen, einen größeren Beitrag Europas und insbesondere Deutschlands als europäischer Führungsnation innerhalb des atlantischen Allianz einzufordern und die Notwendigkeit wachsender (zumindest nicht schrumpfender) Militärausgaben zu begründen. Russland wird als "Störer" strategischer Interessen des Westens wahrgenommen.

    Es ist daher nicht opportun, die möglichen Reaktionen Russland anhand singulärer ökonomischer Kenngrößen zu beurteilen. Im übrigen haben Politiker und Militärs bei der Einschätzung der Standhaftigkeit und Ausdauer Russlands schon oft daneben gelegen, mit fürchterlichen Konsequenzen.

    16:20 Uhr, 23.10.2014
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Ich vermute, dass die plötzliche Stille um die Ukraine-Krise handfeste Gründe hat. Balkansahel hat das weiter unten sehr treffend analysiert: Es ist gut möglich, dass der Westen seine Felle davonschwimmen sieht, denn in Wahrheit leidet nicht Russland unter den Sanktionen sondern Deutschland und die EU. Zudem hat Russland mit Indien und China die weltweit denkbar besten Kooperationspartner an seiner Seite.

    So einfältig muss man erst einmal sein, das größte und rohstoffreichste Land der Welt derart unter Druck zu setzen. Gratulation an unsere poltische Führung zu ihrem grandiosen Weitblick!

    15:31 Uhr, 23.10.2014
    3 Antworten anzeigen
  • JohnnyCaaash
    JohnnyCaaash

    ​Gibt es Derivate auf USD/RUB?

    Konnte leider keine finden!

    13:40 Uhr, 23.10.2014
  • student
    student

    ​Rußland sucht mit China und Indien starke Verbündete, die es zusammen allemal mit den USA und der Schildbürger-EU aufnehmen können.

    Außerdem verfügt China zusammen mit Indien über ein ganzheitliches Aufbaukonzept, an das sich Rußland mit seinen Rohstoffen und mit seiner militärischen Technologie zum Schutz ihrer gemeinsamen Interessen beteiligen kann. Das von den Zockerbanken geführte Europa verliert hingegen immer mehr an Bedeutung.

    Auch in Sachen Hochtechnologie und Raumfahrt schreitet China weiter voran. Indien betreibt ebenfalls ein Raumfahrtprogramm, das die indische Bevölkerung in einen nie dagewesenen Kulturoptimismus geführt hat. Es lohnt sich daher auch ein Blick auf deren Börsen, die gerade haussieren.

    Herr Weygand hat bereits darüber überschwenglich berichtet. :-)))

    13:32 Uhr, 23.10.2014
    1 Antwort anzeigen
  • vobi61
    vobi61

    11:18 Uhr, 23.10.2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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