Kommentar
07:55 Uhr, 13.09.2016

Überraschungscoup der US-Notenbank?

Eigentlich ist allen klar: Die US-Notenbank wird die Zinsen im September nicht anheben. Ist das wirklich so klar?

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Um es gleich vorwegzunehmen: Ich denke nicht, dass es im September zu einem Zinsschritt kommen wird. Die Lage ist dafür einfach nicht robust genug. Schon allein die Andeutung in der vergangenen Woche hat die Lage eskalieren lassen. Der Moment, indem die Fed die Zinsen hätte anheben können, wurde wieder einmal verpasst.

US-Notenbanker gaben sich in Jackson Hole Ende August zuversichtlich, dass es in diesem Jahr noch ein bis zwei Zinsschritte geben wird. Das hat den Markt damals nicht gestört. Dafür gab es gute Gründe. Der Dollar lief seitwärts, die Exporte erholten sich, die Wirtschaftsstimmung war robust und der Arbeitsmarkt brummte. All diese Faktoren haben sich in den vergangenen zwei Wochen in Luft aufgelöst. Jetzt die Zinsen anzuheben ist schon sehr abenteuerlich, wenn einem an der Finanzmarktstabilität gelegen ist. Trotzdem lassen einige Notenbanker nicht locker.

Jeffrey Gundlach, bekannt als „Bondkönig“, hält einen Überraschungscoup für möglich. Es gibt allerdings sehr klare Voraussetzung dafür. Ein Zinsschritt kommt demnach nur infrage, wenn knapp die Hälfte der Anleger einen solchen Schritt erwartet. Aktuell kann man davon noch nicht sprechen.
Die eingepreiste Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt im September liegt dem CME FedWatch Tool zufolge bei einem Fünftel. Das kann man nicht als knappe Hälfte bezeichnen. Auch andere Provider, die Wahrscheinlichkeiten berechnen (z.B. Bloomberg), weisen die Wahrscheinlichkeit mit weniger als 30 % aus.

Gundlach hält es für möglich, dass ein Zinsschritt kommt, wenn die Wahrscheinlichkeit zumindest auf 40-45 % steigt. Viel Zeit bleibt für einen Anstieg nicht mehr. In weniger als zwei Wochen fällt die Entscheidung und für gewöhnlich äußern sich Notenbanker kurz vor einem Entscheid öffentlich nicht mehr über ihre konkreten Präferenzen. Ab Dienstag gilt die Stillhalteperiode.

Es deutet nach wie vor alles daraufhin, dass die Notenbank im September stillhalten wird. Mit zwei Zinserhöhungen bis Jahresende wird es dann knapp. Einen Monat vor den Präsidentenwahlen die Zinsen anzuheben, dürfte kaum ein Notenbanker wagen. Es wird zwar immer wieder betont, dass die Notenbank von der Politik und dem Markt unabhängig agiert, doch historisch lässt sich das nicht belegen. Die Notenbank tendiert dazu kurz vor den Wahlen die Zinsen nicht anzurühren.

Es gibt natürlich Argumente, weshalb der nächste Zinsschritt drängt. Die Fed hat gerade ein Zeitfenster, indem von anderen Notenbanken kein Störfeuer kommt. Weder die EZB noch die Bank of Japan scheinen große Pläne für weitere Lockerungen zu haben. Das hilft in der Wechselkurspolitik ungemein. Eine Straffung in den USA, während in Europa und Japan weiter gelockert wird, würde die zaghafte Stabilisierung im Außenhandel sofort zunichtemachen und das US-Wachstum mit bis zu 0,5 Prozentpunkten belasten.

Ein Zinsschritt führt am Aktienmarkt kurzfristig zu höherer Volatilität. Das muss die Notenbank allerdings in Kauf nehmen, wenn sie größere, langfristige Schieflagen verhindern will. Die niedrigen Zinsen haben zu einem Boom bei Geschäftsimmobilien geführt. Es wird gekauft bis der Arzt kommt. Entsprechend steigen die Preise. Eine Fortsetzung des Preistrends kann nur den Schluss zulassen, dass sich eine Blase bildet.

Man kann nicht bestreiten, dass die Abwägung des Für und Wider eines Zinsschritts schwierig ist. Notenbanker werden zudem sehr nervös, wenn sie an den nächsten Abschwung denken und die Zinsen noch immer nahe 0 % liegen. Mit QE Programmen, denen die Anleihen ausgehen, die noch gekauft werden können, ist der Spielraum für Lockerungen im nächsten Abschwung extrem gering. Natürlich ist es etwas unsinnig, die Zinsen nur anzuheben, damit man sie gleich wieder senken kann. Kommt die Zinserhöhung zu früh bedingt sie eine Abkühlung, die eine neuerliche Zinssenkung diktiert.

Einen Überraschungscoup gibt es vermutlich nicht. Der Markt ist sich dessen jedoch keineswegs sicher. Die Zinsen steigen gerade global an (anhand der Renditen von Anleihen zu sehen) und Anleger verkaufen risikoreiche Anlagen. Die Anpassungen in der Positionierung kann man als Vorsichtsmaßnahme werten. Kommt der Zinsschritt wie erwartet nicht, ist das möglicherweise der frühe Startschuss für die Jahresendrallye.

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4 Kommentare

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  • Unbedingt
    Unbedingt

    Trotzdem ist es doch irgendwie toll, wie man durch vage Andeutungen und Nichtstun die Märkte dieser Welt bewegen kann. Wünschen wir uns doch heimlich alle. In meinen Augen ist nicht der Zinsschritt als solcher das Problem, sondern die allgemeine durch Erfahrung gefestigte Vorstellung, dass in dieser Situation zwangsläufig eine Trendwende daraus entsteht. (Dazu heute auch eine Stellungnahme von Stefan Salomon zum BuFu). Das ergibt sich zwar logisch und geradezu zwangsläufig aus den Markterwartungen der Teilnehmer, wer kann, hält sich bei fallenden Kursen und steigenden Renditen mit Käufen zurück. Bei den negativen Renditen sollte das sogar verstärkt der Fall sein, warum sollte jemand solche Papiere kaufen, wenn er in vier Wochen Zinsen für sein Geld einfahren kann? Das könnte die FED von vorneherein vereiteln, indem sie z.B. sagt, für ein Jahr wird es mit Sicherheit keine weiteren Zinsschritte in diese Richtung geben. Als Notausgang könnte man sogar mit der Rücknahme der Erhöhung drohen. Das würde jeder spekulativen Zurückhaltung den Wind aus den Segeln nehmen und auch der FED Sicherheit geben.

    10:24 Uhr, 13.09. 2016
  • kopfsache
    kopfsache

    das alles wird böse enden. ich seh da keinen ausweg mehr

    09:07 Uhr, 13.09. 2016
  • tourguide
    tourguide

    Politisch gesehen könnte man davon ausgehen, dass wenn Trump in den Umfragen weiter vorn bleibt gibt es den Zinsschritt. Kommt Hillery wieder nach vorn fällt er aus!

    08:20 Uhr, 13.09. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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