Kommentar
07:55 Uhr, 06.08.2015

Überbewertung: Versagt der Indikator von Warren Buffett?

Warren Buffett hat die Welt mit viel Weisheit überschüttet. Ganz nebenbei hat er eine Vielzahl an Anleger sehr reich gemacht. Wenn Buffett also warnt, dann hören alle zu.

Der Warren Buffett Indikator ist ein Indikator, den Buffett nicht selbst erfunden hat, ihn aber sehr gerne verwendet. Es handelt sich dabei um die Gesamtmarktkapitalisierung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Das Ergebnis der Gegenüberstellung ist in Abbildung 1 zu sehen.


Ein kurzer Blick genügt und die Alarmglocken gehen an. Die US Marktkapitalisierung übersteigt die Wirtschaftsleistung um knapp 30%. Das Bruttoinlandsprodukt der USA liegt derzeit bei 17,7 Billionen USD. Die Marktkapitalisierung steht bei ca. 22,2 Billionen. Damit befindet sich der Markt momentan in einer Situation, die an das Jahr 2000 erinnert.

Das Jahr 2000 hat vielleicht nicht jeder aktive Anleger von heute miterlebt, doch die Geschichte ist bestens bekannt. Der Neue Markt war alles. Blind wurden Aktien gekauft und in Sphären katapultiert, die man sich kaum noch vorstellen kann. Einige Unternehmen waren an der Börse Milliarden wert ,während die Quartalsverluste den Jahresumsatz um ein Vielfaches überstiegen. Lange konnte das nicht gut gehen und es ging auch nicht gut. Alles andere wäre wohl der Erfolg der Börsen-Alchemie gewesen.

Heute sehen sich Anleger mit einer ähnlich hohen Bewertung des US Marktes konfrontiert. Je nach genauer Berechnungsmethode trennen uns noch 10 bis 20 Prozentpunkte von der damaligen Bewertung. Das bedeutet nicht, dass der Markt noch Luft nach oben hat, immerhin war das Jahr 2000 ein absolutes Ausnahmejahr. Nicht jede Übertreibung muss soweit gehen.

In China mussten viele Anleger diese Lektion gerade lernen. Bereits in den Jahren 2005 bis 2007 kam es dort zu einer massiven Übertreibung des Marktes. Die darauffolgende Korrektur war lang und schmerzhaft. Von 2014 bis Mai 2015 kam es wieder zu einer Übertreibung. Hätte sie das Ausmaß von 2007 angenommen, dann hätte der Shanghai Composite erst bei 12.000 Punkten wieder nach unten drehen dürfen und nicht schon bei 5.000 Punkten.

Wie weit eine Übertreibung geht, kann niemand im Voraus sagen. Anleger können überraschend lange gegen die Vernunft handeln. Bei einem Blick auf Abbildung 1 lässt sich zwar eine Übertreibung feststellen, doch ob diese morgen oder erst in drei Jahren endet, weiß keiner, zumal die Sache etwas komplizierter ist als die Grafik suggeriert.

Der Markt aus den Jahren 2000 und 2007 ist nicht mit dem heutigen Markt vergleichbar. Grafik 2 zeigt wieso das so ist. Neben der Marktkapitalisierung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sind noch zwei andere Indikatoren abgebildet. Einer davon ist altbekannt: das Kurs Gewinn Verhältnis.


Das KGV ist mit 21,2 relativ hoch. Im historischen Vergleich zu den Jahren 1992 bis 2010 sticht es jedoch nicht heraus. Wenn es überhaupt heraussticht, dann vielleicht dadurch, dass es niedrig aussieht. Das liegt vor allem daran, dass das KGV im Jahr 2002 mit 46 und im Jahr 2009 mit 70 die Optik etwas verzerrt. Generell zweifelt niemand an, dass ein KGV von über 20 eine hohe Bewertung andeutet.

Die Grafik zeigt noch einen dritten Indikator. Dieser Indikator zeigt, wie viel höher die Wirtschaftsleistung im Vergleich zu den Unternehmensgewinnen ist. Das BIP wird dabei durch die Gewinne dividiert. Das stellt die Gewinne der Wirtschaftsleistung gegenüber. Nichts anderes macht auch der Buffett Indikator. Er zeigt das Verhältnis von Marktkapitalisierung zur Wirtschaftsleistung.

Die Unternehmensgewinne börsennotierter Unternehmen lagen 2014 bei ca. 1,15 Billionen. In diesem Jahr wird mit einem Rückgang auf 1,07 Billionen gerechnet. Dividiert man das BIP von 17,7 Billionen durch diese Zahlen, dann ergibt das einen Multiplikator von ungefähr 16,5. Das ist höher als vor ein oder zwei Jahren, aber im Verhältnis zum Durchschnitt der letzten 30 Jahre sehr wenig. Lässt man Rezessionsjahre und die Übertreibung um die Jahrtausendwende außen vor, dann liegt der Durschnitt bei 22. Das ist im historischen Vergleich wirklich niedrig und auch noch niedriger als vor der letzten Krise.

Das Verhältnis von Gewinnen zur Wirtschaftsleistung zeigt ein komplett anderes Bild als der Buffett Indikator. Beides gleichzeitig kann nicht stimmen. Letztlich ist der Vergleich von Gewinnen und BIP nichts anderes als eine Art KGV der Wirtschaftsleistung. Es gelten entsprechend ähnliche Regeln wie beim herkömmlichen KGV. Dort heißt es, man soll kaufen, wenn es niedrig ist. Theoretisch müsste man also kaufen, was das Zeug hält.

Offensichtlich macht das keinen Sinn. US Aktien sind hoch bewertet. Sie sind vielleicht nicht so übertrieben teuer wie im Jahr 2007 oder 2000, aber sie sind trotzdem alles andere als billig. Das wissen wir jedoch nicht durch den Buffett Indikator oder den Gewinn Multiplikator, sondern durch das KGV.

Der Vergleich der Marktkapitalisierung zur Wirtschaftsleistung ist heutzutage relativ nutzlos. Viele Unternehmen erwirtschaften einen Großteil ihrer Gewinne im Ausland. Apple generiert seine 50 Mrd. Gewinn nicht allein in den USA, sondern weltweit. Das gilt für viele der großen börsennotierten Unternehmen.

Vor einigen Jahren oder Jahrzehnten war das noch anders. Erwirtschaften Unternehmen 90% ihrer Gewinne im Heimatland, dann ist der Buffett Indikator sinnvoll. Wenn allerdings 30 bis 40% der Gewinne im Ausland erzielt werden, dann hat der Indikator einen großen Fehler. Er vergleicht die Wirtschaftsleistung des Heimatlandes mit der Marktkapitalisierung internationaler Unternehmen. Die Marktkapitalisierung leitet sich letztlich aus den Gewinnen her. Um also wirklich Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen müsste man einen Teil der internationalen Wirtschaftsleistung dem US BIP hinzuzählen, denn dort wird auch ein Teil der Gewinne erzielt.

Umgekehrt kann man auch einfach sagen wie viel US Unternehmen wirklich nur in den USA verdienen. Nehmen wir an, dass zwei Drittel der Gewinne in den USA erwirtschaftet werden. Den gleichen Prozentsatz wendet man dann auf die Marktkapitalisierung an, weil sich diese aus den Gewinnen herleitet. Das entspricht dann 14,8 Billionen (zwei Drittel von einer Marktkapitalisierung von 22,2 Billionen). Dividiert man diesen Betrag durch das BIP, dann erhält man eine Kapitalisierung im Verhältnis zum BIP von 83%. Das sieht schon deutlich sinnvoller aus.

Auch im Jahr 2000 wurden bereits Gewinne im Ausland erzielt. Insofern muss man auch die damaligen Zahlen korrigieren. Tut man das stünde der Buffett Indikator heute bei ca. 113% und nicht bei 125%. Das ist auf einer vergleichbaren Basis in etwa so viel wie 2007. Damit erreicht der korrigierte Buffett Indikator ein Niveau, welches keine massive Übertreibung anzeigt, aber ein Niveau, von dem aus eine Korrektur gesund wäre.

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3 Kommentare

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  • Maddin
    Maddin

    Ich glaube ich habe mal einen Bericht gelesen, wo Buffi mehrere Milliarden $ in länger laufenden Put Optionen hat. (Glaube was von 2020).

    15:33 Uhr, 06.08. 2015
  • Trader_one
    Trader_one

    Interessante Theorie. Hoffentlich weiß das auch Warren Buffet.;-)

    08:57 Uhr, 06.08. 2015
  • JOEs
    JOEs

    Lese immer wieder gerne die Betrachtungen von Schmale. Gute Ideen immer für eigene Überlegungen.

    Dem um Auslandserträge bereinigten Buffet-Indikator kann ich zustimmen, klingt logisch .. dann sind wir lediglich auf 2007er Niveau, also kurz vor dem Finanzkrisen-Niveau, ab dem die großen Märkte dann nur ca. 50 % gefallen sind, somit nicht ganz so gefährlich wie 2000 ;-) Aber trotzdem OK.

    Das BIP-KGV jedoch finde ich - und zwar so wie es in der Arguentationskette verwendet wurde - ziemlich nutzlos (sogar nutzloser als das normale KGV). Denn eines sieht man ja mit freiem Auge: Im Jahr 2000 war das BIP-KGV keinesfalls "oben", sondern eher "unten", also relativ günstig. Im Jahr 2007/2008 war dieses BIP-KGV dann definitiv nicht "oben", sondern auf einem 30-Jahrestief !!! Und genau von diesem 30-Jahrestief weg ist dann der gewaltige 2008er Einbruch gekommen. (Natürlich kann man auch hier Ausreden finden á la 2008 war ja nur ein Unfall, etc.).

    Meine klare Meinung ist jedoch, dass dieses BIP-KGV - wenn überhaupt - nur dazu taugt, Kurskorrekturen vorherzusagen, wenn das BIP-KGV UNTEN ist - also eigentlich günstig ist. Wahrscheinlich ist der Grund einfach der, dass zu diesen Zeitpunkten die BIP-Gewinne einfach wieder mal zyklisch "ausgelutscht" sind. z.b. durch intensive Kreditverwendung, Aktienrückkäufe oder sonstige Späße ..

    08:28 Uhr, 06.08. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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