Kommentar
11:35 Uhr, 16.08.2006

Time Cycle Ratios und Time Counts - Was hat es damit auf sich?

Die meisten Trading-Methoden nähern sich den Marktaktivitäten lediglich von einer Preis-Perspektive. Doch ein solcher Ansatz ist unvollständig und eindimensional. Denn es fehlen noch zwei Dimensionen, die ein vollständiges Bild der Marktaktivitäten abgeben würden.

Übereinstimmung von Zeit, Preis und Pattern

Während der Preis eine wichtige Dimension innerhalb des Marktgefüges darstellt, sollten Zeit und Pattern nicht ignoriert werden. Der Schlüssel zu dieser Art der Analyse liegt in der Identifikation einer Übereinstimmung von Preis, Zeit und Pattern. Diese Übereinstimmung indiziert Trendwechsel mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit (engl. „High Probability“). Diese High-Probability-Setups entstehen in diesem Sinne dann, wenn

1. der Markt in einem bestimmten Zeitabschnitt eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Trendwechsel andeutet, PLUS

2. der Preis sich an einem Preisziel oder in dessen Nähe befindet und dort eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass er auf ein Support/Resistance-Level trifft, PLUS

3. das Pattern der Marktaktivität eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Trendwechsel indiziert.

Trader können sich diese Übereinstimmung der drei Dimensionen der Marktaktivitäten zunutze machen und davon profitieren, dass der Markt eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit indiziert, dass eine Veränderung stattfinden wird.

Time Cycle Ratio-Analyse

Die typische Zeitanalyse, die allgemein angewendet wird, bezieht sich auf die klassische Zyklustheorie, welche spezifische längenfixierte Zyklen berücksichtigt. Weil diese Zyklen längenfixierter Periodizität einfache Durchschnitte vergangener Zyklen sind, repräsentieren sie relativ breite Zeiträume, in denen ein High oder Low wahrscheinlich ist. Weil Preisaktivitäten - gerade in der heutigen Zeit, in der die Volatilität fortlaufend zunimmt - großen Fluktuationen unterliegen, hat die typische Zeitanalyse nur einen limitierten Nutzen für den Trader. Um Positionen zu eröffnen/schließen, sollten Trader deshalb Tools besitzen, mit deren Hilfe sie die relativ breiten Zeiträume klassischer Zyklustheorie zu wenigen Tagen verdichten können, in denen eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Trendwechsel besteht.

Die meisten Trader, die mit der Elliott Wave-Theorie vertraut sind, wissen um die Preis-Verhältnis-Beziehungen (engl. „Price Ratio Relationships“) zwischen Swings und Wellen. Eine Projektion verschiedener Price-Ratio-Relationships deutet Preisziele dort an, wo eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit von Support oder Resistance existiert. Diese Projektion ist auch auf die Zeitachse anwendbar.

Wenn wir Price-Ratio-Relationships betrachten, halten wir Ausschau nach Retracements (Preiskorrekturen) und Extensions (Preisextensionen) von Price Swings. Der gängigste Ansatz zur Definition der Preiskorrekturen, also Retracements, erfolgt über die Anbindung der Größe der Preiskorrektur an einen Prozentsatz einer vorangegangenen Impulsbewegung (swv. Aufwärtsbewegung). Die konsequent meistverwendeten Prozentsätze entstammen der Fibonacci-Zahlenreihe. Hierbei werden jeweils die beiden letzten Nummern einer Zahlenreihe, ausgehend von 1, addiert (1+1 = 2; 1+2 = 3; 2+3 = 5; 3+5 = 8; 5+8 = 13; 8+13 = 21; 13+21= 34; 21+34 = 55; 34+55 = 89

usw. bis unendlich). Die blau markierten Zahlen und deren Fortsetzung stellen also die Fibonacci-Zahlenreihe dar. Ausgehend von dieser Zahlenreihe können wir Fibonacci-Ratios von niedrigen zu höheren Zahlen bilden oder die Ratios von bestimmten Zahlen der Zeitreihe zu der jeweils übernächsten ermitteln, zum Beispiel: 34 / 89 = 0,382; 89/144 = 0,618 usw..

Aus diesen Divisionen entstehen dann die Fibonacci-Ratios, die bekanntesten sind 0.382, 0.50, 0.618, 1, 1.382 usw.. Und um diese Verhältnisse werden dann vorangegangene Impulsbewegungen korrigiert. Eine Impulsbewegung von 40 auf 60 würde mit einem Fibonacci-Retracement von 38,2% auf 52,36 korrigiert (60-40 = 20, 20-38,2% = 7,64, 60-7,64 = 52,36). Retracements stellen somit eine Möglichkeit dar, Kursziele zu ermitteln.

Bei den Price-Extensions handelt es sich im Gegensatz zu den Price-Retracements um extreme Preisausschläge in eine Trendrichtung. Sie bedeuten eine Ausdehnung des Preises und zeigen sich beispielsweise in Opening-Gaps, in Limit-Up/Down-Bewegungen bei jeweils hoher Volatilität. Bei den Extensions bemisst man die Länge eines Aufwärtstrends/Abwärtstrends, setzt ihn gleich 1.0 oder 100% und multipliziert dann die Länge des Aufwärtstrends/Abwärtstrends mit den oben genannten Fibonacci-Ratios. Das Ergebnis wird zum Hochpunkt (bzw. Tiefpunkt bei Abwärtstrends) addiert. Somit erhält man neue Zielzonen.

Im gleichen Maße, in dem wir diese wichtigen Ratios für den Vergleich von Preis-Zyklen verwenden, können wir sie auch für die Analyse von Zeit-Zyklen anwenden. Hierbei werden vergangene Zeit-Zyklen mittels der oben genannten Ratios in die Zukunft projiziert, um Zeitabschnitte zu erhalten, die eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Trendwechsel indizieren. Zeit-Zyklen der Vergangenheit werden also entsprechend der oben genannten Fibonacci-Ratios proportioniert. Diese Proportionen des abgeschlossenen Zyklus werden dann in die Zukunft projiziert und zwar ab der Beendigung des alten Zyklus. Diese Analyseform wird auch Time Cycle Ratio-Analyse genannt. Die Methode der Time Cycle Ratio-Analyse ist in diesem Sinne also identisch mit der Preis-Zyklen-Projektion und findet lediglich auf der anderen Achse des Charts statt.

Natürlich kann nicht jeder individuelle Zeit-Zyklus der Vergangenheit Reversals genau projizieren. Oft tritt in den projizierten Tagen keine Veränderung auf. Aus diesem Grunde halten wir Ausschau nach Clusters (Überschneidungen) von verschiedenen Zeit-Zyklus-Projektionen. Dabei projizieren wir wieder mit Hilfe unserer Ratios vergangene Zyklen in die Zukunft: Wir messen von früheren

· Highs zu Highs,

· Lows zu Lows,

· High zu Lows und

· Low zu Highs

Die Überschneidungen der Zeitziel-Projektionen, die dann entstehen, sollten sich in einer Zeitspanne von zwei bis fünf Tagen ausbilden. Auf diese Weise erhalten wir signifikante Wahrscheinlichkeitsaussagen für eine Trendumkehr. Je mehr Clusters in dieser Zeitspanne von 2 bis 5 Tagen in Erscheinung treten, desto höher ist die Aussagekraft bezüglich eines möglichen Trendwechsels. Und wir können auch noch weiter gehen und diese Clusters um die sogenannten Time Counts ergänzen - wiederum mit dem Ziel, möglichst signifikante Zeitpunkte zu erhalten. Diese Time Counts sollen im folgenden erläutert werden.

Time Counts

Die Fibonacci-Zahlenserie (3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144 usw.) stellt die wichtigsten Time Counts zur Verfügung. Der berühmte Analyst und Trader W.D. Gann leitete verschiedene Zahlenserien für Counts ab, die sich auf die Division der Zahlen 144, 90 und 52 beziehen. Aber keine einzelne Zahlenserie dieser Counts ist für sich allein genommen zuverlässig genug. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, eine

Kombination von Fibonacci~ und Gann-Zahlenserien zusammenzustellen. Diese Kombination könnte wie folgt aussehen: 21, 30, 49, 60, 72, 90, 104, 144, 180, 233. Diese Serie von Counts bezieht man am besten sowohl auf Kalendertage als auch auf Handelstage. Der Count beginnt von einem wichtigen High oder Low und wird primär dafür verwendet, das Ende des halben Zyklus oder das Ende des gesamten Zyklus (nach Count-Beginn) zu bestimmen.

Wie bei der Projektion der Zeitzyklen werden auch bei den Time Counts nicht bei jedem einzelnen Time Count Preis-Reversals auftauchen. Um eine relativ signifikante Wahrscheinlichkeitsaussage zu erhalten, ist es sinnvoll die projizierten Daten der Time Cycle Ratio-Analyse mit den Time Counts zu verbinden. Dies kann im Chart stattfinden, aber auch mittels einer Tabellenkalukations-Software.Wenn verschiedene Zeitfaktoren innerhalb einer zwei- bis fünftägigen Spanne auftreten, dann wird dieser Zeitabschnitt ein potentieller Punkt, an dem der Markt seinen Trend ändern könnte. Normalerweise umfasst diese Zeitspanne meistens zwei bis drei Tage und seltener zwei bis fünf Tage. Mit Hilfe dieser aus den Clusters resultierenden Zeitspanne sollten sie für das entsprechende Datum für mögliche Veränderungen des Preises und des Patterns besonders aufgeschlossen sein! Denn was wir für eine mögliche Trendumkehr beobachten wollen, ist eine Übereinstimmung von Zeit, Preis und Pattern. Versuchen Sie also keinesfalls, Marktwendepunkte unter ausschließlicher Verwendung der Zeitanalyse vorherzusagen, auch wenn das Zeit-Cluster überdurchschnittlich signifikant ist! Das mag zwar heroisch wirken (insbesondere gegenüber Trading-Kollegen und Party-Bekanntschaften ;-), dient aber nicht dem Zweck dieser Analysemethode. Warten Sie also in jedem Fall auf gleichzeitiges „Grünes Licht“ von Preis und Pattern und positionieren Sie sich nicht einzig aufgrund des Ergebnisses der Zeit-Zyklen-Analyse zu frühzeitig! Selbst bei einer signifikanten Übereinstimmung von Zeit, Preis und Pattern sollten Sie ihre persönlichen fortgeschrittenen Trading-Strategien verwenden, um den entsprechenden Trade einzugehen und die Position anschließend zu managen.

Autor: Frank Thönnißen - Co-Investment Advisor bei STRADIVARI (Luxemburg)

http://www.trading-lehrgang.de

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